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Spanien
Zimmermädchen beschweren sich über Arbeitsbelastung

Das Urlaubsland Spanien boomt seit Mittelmeerländer wie die Türkei, Tunesien und Marokko als unsicher gelten. Die Tourismusbranche verdient an dem Trend. Nichts von diesem Aufschwung spüren aber die spanischen Zimmermädchen. Für sie gibt es einfach nur noch mehr zu tun.

Von Julia Macher | 22.03.2016
    Ein Zimmermädchen reinigt den Hausgang eines Hotels.
    Spanische Zimmermädchen beschweren sich über zu viel Arbeit. (picture-alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel)
    Bevor Verónica morgens zur Arbeit geht, greift sie in ihre Handtasche, prüft, ob die Pappschachtel mit den Medikamenten an Ort und Stelle ist. Ohne verlässt die Mittvierzigerin das Haus seit Jahren nicht mehr. Verónica, die ihren Namen aus Angst vor Repressalien nicht nennen will, arbeitet seit 2002 als Zimmermädchen in einer Vier-Sterne-Ferienanlage an der Mittelmeerküste, zwischen Valencia und Barcelona.
    "Wenn man zum Arzt geht, dann wird gelästert: Die will doch nur nicht arbeiten: also schlucken wir Medikamente: Ibuprofen, Voltaren, blaue Pillen, gelbe Pillen, Senotil, was man ebenso kriegt... Gegen die Rückenschmerzen, die Gelenkzerrungen vom Betten- und Karrenschieben. In den Präventionskursen haben sie uns zwar die ergonomisch richtige Haltung beigebracht, doch sich beim Bettenmachen hinzuhocken, das dauert viel zu lange, das Arbeitsvolumen ist einfach zu groß."
    Zimmermädchen müssen immer mehr arbeiten
    Aufräumen, Möbel rücken, Betten machen, Handtücher wechseln, Bad putzen, Karren schieben: Jeden Tag, sieben Stunden – und das immer schneller: War sie früher für 16, 17 Zimmer verantwortlich, stehen heute 23 oder 24 auf ihrer Liste. 15 Minuten bleiben ihr pro Raum, ganz gleich, ob darin am Abend vorher Partytouristen gewütet haben oder bloß Geschäftsreisende ihren Laptop aufgeklappt haben.
    Das schafft man nur mit dem "Turbo", sagt Verónica, auf Kosten der Qualität. Dabei gehe es ihr noch verhältnismäßig gut: Als Hotelangestellte erhält sie mit etwa 1000 Euro im Monat Tariflohn; Kollegin Manuela bekommt für genau die gleiche Arbeit dreihundert Euro weniger. Manuela – auch das ein Pseudonym - ist über eine Zeitarbeitsfirma eingestellt, die ihre Arbeitskräfte als Putzhilfen entlohnt. Fast alle Hotels der Nachbarschaft haben die Raumpflege an externe Multi-Service-Unternehmen übergeben, die gerade noch den gesetzlichen Mindestlohn von 650 Euro zahlen. Wer das Zimmerpensum nicht schafft, macht unbezahlte Überstunden – oder wird sanktioniert.
    "Man wird bestraft, in dem man weniger Geld oder weniger Arbeitstage bekommt. Aber es gibt eben zurzeit keine anderen Jobs. Deswegen akzeptieren wir diese Sklavenbedingungen. Hinter jeder von uns stecken schließlich auch Familien", erzählt Manuela, die selbst zwei Töchter hat.
    Putzfrauen schließen sich im Internet zusammen
    Auf dem Blog "Las Kellies" finden sich dutzende solcher Geschichten, auch Verónica und Manuela haben ihre Erfahrungen dort gepostet. In der dazugehörigen Facebook-Gruppe haben sich 9000 Zimmermädchen zusammengeschlossen – und das Thema so erfolgreich in die Medien gebracht. "Endlich beachtet man uns", freut sich Verónica.
    Gegründet hat "Las Kellies" – der Begriff ist abgeleitet von der spanischen Bezeichnung für "die, die Zimmer putzen" - eine Hotelangestellte aus Lloret de Mar; als Reaktion auf ein Forschungsprojekt des Soziologen Ernest Canada. Der Tourismusforscher beobachtet die Branche seit Jahren und warnt: Mit Dumping-Löhnen und miserablen Arbeitsbedingungen schneiden sich Tourismusunternehmen letztlich ins eigene Fleisch:
    "Die Zimmermädchen machen 20 bis 40 Prozent des Personals aus: das ist kein Hilfsjob, den man mal eben so auslagern kann. Wenn sich in vier, fünf, sechs Jahren die Lage in Tunesien, Marokko, Algerien wieder stabilisiert hat, kehren die Touristen wieder dorthin zurück. In Spanien aber wird die Service-Qualität massiv gesunken, der Sektor entprofessionalisiert sein – einfach weil für Professionalität keine Zeit mehr bleibt."
    Ihr sei es manchmal fast peinlich, wie sie inzwischen putze, sagt Verónica, aber Qualität und Quantität, das passe eben nicht zusammen.
    Protest der Zimmermädchen zeigt Wirkung
    Immerhin haben die Kellies inzwischen einige ihrer Forderungen auf die politische Tagesordnung gebracht: Auf den Kanarischen Inseln werden die innerbetrieblichen Tarifverträge großer Hotelketten und Servicefirmen überprüft, auf den Balearen will man künftig bei der Zertifizierung von Hotels auch die Arbeitsbedingungen dort berücksichtigen. Doch ohne die Rücknahme der Arbeitsrechtreformen, die Auslagerungen und Lohndumping möglich gemacht hätten, werde sich an der Situation nichts Wesentliches ändern, fürchtet Verónica. Dann bittet sie noch einmal, ihren wahren Namen nicht zu erwähnen: Ihr Chef habe ihr unmissverständlich klargemacht, dass sie ihn so viel koste wie zwei Externe.