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SPD in der Edathy-Affäre
"Das fällt auf die Partei zurück"

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel hält das Schweigen von Michael Hartmann in der Edathy-Affäre für eine Belastung für die SPD. Im DLF rief er ihn dazu auf, "Klartext zu reden". Bei der heute endenden SPD-Klausur in Nauen sollten allerdings andere Themen im Fokus stehen.

Thorsten Schäfer-Gümbel im Gespräch mit Friedbert Meurer |
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    Der SPD-Politiker Schäfer-Gümbel sieht die Entwicklungen im Fall Edathy als Belastung für die SPD. (Deutschlandradio)
    So will sich die Partei vor allem mit einer Studie zur Arbeitsbelastung beschäftigen. Darin soll es um die Sorgen der "Leistungsträger" in unserer Gesellschaft gehen, wie die wachsende Arbeitsverdichtung und die Organisation von Familie und Beruf, so Schäfer-Gümbel: "Was passiert mit denen, die den ganzen Tag arbeiten und am Ende aber keinen Reichtum nach Hause bringen? Was bewegt diese Menschen? Wo sind ihre Belastungen?"
    Das Schweigen von Michael Hartmann vor dem Edathy-Untersuchungsausschuss bezeichnete Schäfer-Gümbel als Belastung für die Partei. Zwar habe Hartmann das Recht zu schweigen, trotzdem würde es sehr helfen, wenn klar wäre, wer wann was gewusst hat - damit es zum Ende der Verschwörungstheorien komme.
    Mit der Arbeit in der Großen Koalition ist Schäfer-Gümbel zufrieden: "Wir haben das Land sozialer und gerechter gemacht," sagte er. Die dennoch schwachen Umfragewerte der SPD erklärt Schäfer-Gümbel sich mit "starker Konkurrenz auf der linken Seite", den Grünen und Linken. Außerdem werde die Partei in bestimmten Fragen nicht so "konturiert wahrgenommen" wie man es sich vorgestellt habe. Zudem würden viele Themen von den zahlreichen internationalen Krisen überdeckt. Schäfer-Gümbel lobte in dem Zusammenhang die Arbeit von Außenminister Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine-Krise.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: In Hamburg liegt die SPD bei etwa 45 Prozent in den Umfragen. So gut wie in Hamburg sieht es aber bei Weitem nicht überall für die Partei aus. Bundesweit kommt die SPD nicht über die 25 bis 27 Prozent in den Umfragen hinaus, trotz Mindestlohn, Ausnahmen bei der Rente mit 63, also trotz aller politischen Erfolge. Die SPD hat sich seit gestern zur Klausur versammelt, in Nauen in Brandenburg. Heute geht es weiter.
    Die SPD hat sich also zur Klausur in Nauen in Brandenburg zurückgezogen. Man will Profil zeigen und vielleicht auch in den Umfragen bundesweit ein bisschen mehr nach oben kommen.
    Thorsten Schäfer-Gümbel ist der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, gleichzeitig führt er die Fraktion und den Landesverband in Hessen an. Guten Morgen, Herr Schäfer-Gümbel!
    Thorsten Schäfer-Gümbel: Einen wunderschönen guten Morgen. Ich grüße Sie.
    "Verschwörungstheorien werden geschürt"
    Meurer: Sigmar Gabriel hat ja Michael Hartmann in der Edathy-Affäre aufgefordert, sein Schweigen zu brechen. Wie sehr schadet diese Affäre der SPD?
    Schäfer-Gümbel: Das ist natürlich eine Belastung. Sigmar Gabriel hat das ja gestern auch klar gesagt. Wenn hier Beteiligte nicht aussagen, schürt das Verschwörungstheorien. Das fällt auf die gesamte Partei zurück. Und deswegen ist es auch richtig, noch mal klar zu sagen, dass ein Zeuge wie Michael Hartmann eigentlich aufgerufen ist, hier Klartext zu reden, was wann war.
    Meurer: Aber wenn gegen ihn staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, ist es nicht sein gutes Recht, dann zu schweigen?
    Schäfer-Gümbel: Natürlich. Das hat Sigmar Gabriel gestern auch gesagt. Er hat natürlich das Anrecht, auch aus Gründen dieses strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens jetzt zu schweigen. Und trotzdem würde es natürlich auf der anderen Seite sehr helfen, wenn klar wäre, was er zu welchem Zeitpunkt auch von wem gewusst hat, damit man ein Ende dieser Verschwörungstheorien bekommt.
    Meurer: Ärgert Sie es - viele sagen ja, die SPD hat politische Erfolge erzielt in der Großen Koalition in Berlin -, dass das etwas durch diese Affäre jetzt überdeckt wird?
    Schäfer-Gümbel: Was heißt ärgern? Das ist einfach eine Belastung. Ich meine, das spürt ja auch jeder. Wir machen hier gute Arbeit in der Regierung, wir sind bei unseren Themen extrem gut vorangekommen, überraschend gut vorangekommen auch. Das gilt für die Frage der Einführung des Mindestlohns, für Rente 63, das sind die beiden ganz großen Brocken, gilt aber auch beim Staatsbürgerrecht. Das sind Themen, wo wir das Land sozialer und gerechter gemacht haben, in den ersten zwölf Monaten große Fortschritte erzielt haben, und das wird natürlich auch in der Kommunikation ein Stück weit zurückgedrängt.
    Aber wir sind uns hier alle sehr, sehr einig: Wir schielen nicht auf Umfragesituationen, sondern es geht darum, jetzt ordentlich unsere Arbeit weiterzumachen und damit ein Fundament zu legen, um am Ende auch ein gutes Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2017 zu erreichen.
    "Wir haben das Land sozialer und gerechter gemacht"
    Meurer: Ich gehe trotzdem davon aus, Herr Schäfer-Gümbel, Sie nehmen natürlich die Umfragen zur Kenntnis. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die SPD in den Umfragen nicht vorwärts kommt?
    Schäfer-Gümbel: Ich glaube, es gibt ganz viele Gründe, warum das im Moment immer noch so ist. Erstens ist die Konkurrenz im linken Lager einfach nach wie vor sehr stark mit Grünen und Linkspartei. Da ist ja auf der linken Seite viel mehr in Bewegung als auf der rechten. Da wird man sehen, wie sich das weiter in den nächsten Jahren entwickelt. Auf der anderen Seite sagen ja auch alle Umfragen, dass man uns in bestimmten Fragen nicht so konturiert und klar wahrnimmt, wie wir uns das eigentlich selbst vornehmen. Deswegen haben wir uns auch gestern klar gesagt und das ist auch kein ganz neuer Befund, dass wir einfach sehr konsequent in unserer Haltung bei der Stärkung des sozialen Zusammenhalts, bei unseren Themen Arbeit, aber auch soziale Gerechtigkeit sein müssen, um am Ende Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu dokumentieren, einfach jetzt durch handwerklich gute Arbeit. Das ist der eine Teil.
    Der zweite Teil ist: Es gibt natürlich Themen, die im Moment alles überlagern, und da geht es nicht um Edathy und Hartmann, sondern es geht um Fragen von Krieg und Frieden. Das ist ja ein Thema, das uns gestern intensiv auch beschäftigt hat mit Blick auf die Situation in der Ukraine. Das ist aber nur ein Konfliktherd. Die internationalen Krisen haben uns sehr in diesem Jahr beschäftigt und Europa - das wird uns ja heute sehr stark beschäftigen - mindestens genauso.
    Meurer: Bei dieser internationalen Krise profiliert sich die Kanzlerin, aber auch Ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Ist es so, dass die Große Koalition für die Partei SPD selbst vielleicht doch ein Fehler ist, weil die ganzen Punkte gehen dann doch an die Kanzlerin?
    Schäfer-Gümbel: Nein, nein. Wir haben das Land sozialer und gerechter gemacht. Und eine sozialdemokratische Partei, die sich hinstellt nach dem Motto, wir gehen in keine Konstellation, um das Land in diese Richtung zu verändern, wird am Ende immer großen Schaden nehmen. Für uns war nach der zweiten Großen Koalition klar, wir müssen in der Großen Koalition, wenn wir da reingehen, erstens unsere zentralen Themen umsetzen und Erfolge erreichen. Dabei sind wir auf dem Weg. Aber es ist ja auch so, wir haben ja noch eine ganze Reihe von Themen. Dieses Jahr steht beispielsweise die Frage der Leiharbeit an. Es gibt Themen, die wir in dieser Konstellation nicht lösen können, wie das Thema befristete Beschäftigung, sachgrundlose Befristung, und diese Frage der Unsicherheit im Arbeitsleben ist natürlich eine enorme Belastung gerade für diejenigen Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und am Ende des Tages keinen Reichtum nach Hause bringen. Das sind Themen, die wir weiter vorantreiben werden. Und wenn wir, sage ich mal, nur am Rande stehen würden und zuschauen, ist das für uns keine Perspektive: Erstens für die Menschen nicht und es ist dann am Ende auch keine politische.
    Der zweite Punkt ist: Ich will das noch mal sehr klar sagen mit Blick auf die alte Bundesregierung unter Schwarz-Gelb. Meine Vorstellung, dass immer noch jemand wie Guido Westerwelle der Bundesaußenminister in dieser Situation ist, wo es darauf ankommt, dass jemand mit großer Erfahrung, mit einem klaren Gespür dafür, dass man Dialog organisieren muss, wie das eben Frank-Walter Steinmeier ganz besonders und klar macht, auch das verändert ja die Rahmenbedingungen. Deswegen nein, es ist überhaupt kein Fehler, in diese Große Koalition gegangen zu sein. Wir müssen nur bei unserer Linie konsequent bleiben, um uns stark zu machen.
    SPD will sich mehr um die "arbeitende Mitte" kümmern
    Meurer: Unterstützung für den Bundesaußenminister. - Herr Schäfer-Gümbel, Sie beschäftigen sich mit einer Studie in der Klausur über die arbeitende Mitte. Ist das die neue Mitte von Gerhard Schröder, oder wen meinen Sie da?
    Schäfer-Gümbel: Nein, darum geht es überhaupt nicht. Das ist kein soziologischer Begriff und kein politischer Begriff, sondern das ist schlicht und einfach der Arbeitstitel, der sich mit der Frage beschäftigt, die ich eben ja auch schon zweimal andeutete. Was passiert eigentlich gerade mit denen, die jeden Tag arbeiten und keinen Reichtum nach Hause bringen, die im Kern die Leistungsträger unserer Gesellschaft sind, die in den unterschiedlichsten Berufen arbeiten, in den unterschiedlichsten Arbeitssituationen? Das ist der Friseur genauso wie der Handwerksmeister, das ist der Facharbeiter genauso wie ein Hilfsarbeiter, wie eine Erzieherin oder eine Krankenpflegerin. Diese Studie beschäftigt sich sehr stark mit der Frage, was bewegt diese Menschen eigentlich und wo sind die Belastungen, und es ist sehr deutlich geworden, dass die Frage der Arbeitsverdichtung auf der einen Seite und der Familienorganisation auf der anderen Seite, die ist stressiger geworden in den letzten Jahren, auch weil die Arbeitsverdichtung so stark zugenommen hat.
    Meurer: Aber das Thema Steuern, dass das die Mitte belastet, das sehen Sie nicht?
    Schäfer-Gümbel: Das war in der Studie kein Thema, sondern es ging um die Frage der Rahmenbedingungen, die die Beschäftigten belastet mit der Frage, wie organisiere ich eigentlich Familie und Beruf, wie komme ich mit den Arbeitsbelastungen in einer enorm an Tempo aufnehmenden Arbeitsgesellschaft zurecht, weil der Arbeitsdruck steigt, und zwar in allen Berufsfeldern? Wie gehe ich mit der Frage um, dass das Image eines bestimmten Berufs und die Anerkennung, die damit verbunden ist, die Wertschätzung, die damit verbunden ist, sich verändert? Das sind Themen, die in dieser Studie sehr zentral waren und mit der wir uns gestern sehr intensiv beschäftigt haben. Man kann das dann nicht reduzieren auf einzelne Steuersätze.
    Meurer: Die SPD berät in einer Klausur in Brandenburg in Nauen, welche Politik man weiter fortsetzen oder vielleicht neu justieren will. Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Vize, schönen Dank für das Gespräch. Auf Wiederhören nach Nauen.
    Schäfer-Gümbel: Herzlichen Dank! Ihnen auch alles Gute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.