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SPD-Obfrau hält Übertragung außerhalb des Gerichtssaals für sinnvoll

Es hätte von Anfang an viele Möglichkeiten gegeben, den NSU-Gerichtsprozess besser zu regeln, sagt Eva Högl (SPD). Sie befürwortet die Übertragung des Prozesses in einen anderen Saal. Dieses habe das Verfassungsgericht nicht untersagt, sagt die Obfau im NSU-Untersuchungsausschuss.

Eva Högl im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 16.04.2013
    Heckmann: Bleiben wir noch einen Moment bei dem Akkreditierungsverfahren. Das

    Ich habe gestern trotzdem mit Erleichterung registriert, dass das Oberlandesgericht München den Prozessauftakt verschoben hat. Ich habe das begrüßt, weil ich hoffe, dass das Oberlandesgericht München jetzt sensibler agiert und vor allen Dingen sich der Bedeutung dieses Prozesses bewusst ist.

    Dirk-Oliver Heckmann: Der Prozess gegen Beate Zschäpe und mehrere mutmaßliche Helfer der rechtsradikalen Terrorzelle NSU, er hat bereits für Schlagzeilen gesorgt, lange bevor er überhaupt begonnen hat. Zuletzt der Ärger darüber, dass sich das Oberlandesgericht München außerstande sah, wenigstens einem einzigen türkischen Medium einen festen Platz zur Verfügung zu stellen, bis am Freitag das Bundesverfassungsgericht einschritt. Gestern dann die Überraschung: Der Prozess wird nicht wie geplant morgen beginnen, sondern erst am 6. Mai. Das Akkreditierungsverfahren wird komplett neu gestartet.
    Telefonisch sind wir jetzt verbunden mit Eva Högl, sie ist die Obfrau der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss. Schönen guten Morgen, Frau Högl!

    Eva Högl: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann: Frau Högl, das Oberlandesgericht München sieht sich nicht in der Lage, einen der wichtigsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik pünktlich zu starten. Macht sich Deutschland gerade komplett lächerlich?

    Högl: Ja das Oberlandesgericht München hat sich nicht mit Ruhm bekleckert und der Start in diesen wichtigen Prozess war auch alles andere als glücklich, sondern wirklich ein Desaster. Ich habe gestern trotzdem mit Erleichterung registriert, dass das Oberlandesgericht München den Prozessauftakt verschoben hat. Ich habe das begrüßt, weil ich hoffe, dass das Oberlandesgericht München jetzt sensibler agiert und vor allen Dingen sich der Bedeutung dieses Prozesses bewusst ist.

    Heckmann: Die Ombudsfrau der Bundesregierung, Barbara John, die ja für die Opferseite zuständig ist, die spricht aber von einer Katastrophe.

    Högl: Ja ich kann das gut verstehen. Das ist für die Opfer und die Angehörigen natürlich sehr schwer. Sie haben sich innerlich darauf eingestellt, das ist ja auch eine schwere Sache für die Opfer und die Angehörigen, es wird alles noch mal wieder hochgeholt, die Erinnerungen kommen zurück, und sie haben Reisen gebucht, Hotelzimmer, sie haben Urlaub genommen. Im Verhältnis zu dem, was jetzt aber auf dem Spiel steht, nämlich keinen Revisionsgrund zu schaffen, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien ordentlich zuzulassen, ein sinnvolles Auswahlverfahren zu schaffen und den Schaden, der jetzt schon angerichtet wurde, irgendwie wieder zu kitten, würde ich sagen, in dieser Abwägung war es richtig, dass das Oberlandesgericht verschoben hat und jetzt versucht, eine gute Lösung zu finden, und ich hoffe, dass es ihm gelingt.

    Heckmann: Unser Korrespondent Rolf Clement hat gerade gesagt, er verstehe es nicht, warum das ganze Verfahren jetzt wieder neu aufgerollt wird. Es hätte einen viel einfacheren Weg gegeben, der ja auch von Karlsruhe vorgezeichnet wurde, nämlich beispielsweise drei Plätze aus dem allgemeinen Pool der Sitzplätze den Medien, den türkischen Medien zur Verfügung zu stellen. Weshalb sind Sie dennoch der Ansicht, dass es richtig war, diesen Prozess wirklich zu verschieben?

    Högl: Es hätte natürlich von vornherein viele Möglichkeiten gegeben, das viel besser zu regeln: zum Beispiel Pools zu bilden für die ausländischen Medien. Ich sagte ja schon, das Oberlandesgericht München hat ganz offensichtlich die Bedeutung dieses Prozesses nicht erkannt. Ich bin trotzdem der Meinung, wir wissen, dass der Vorsitzende Richter nicht übertragen möchte. Ich hielte das für sinnvoll, Tonaufnahmen in einen anderen Saal zu übertragen oder Bildaufnahmen. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht nicht untersagt. Aber es ist ein unabhängiges Gericht, ich enthalte mich als Politikerin auch der übermäßigen Kommentierung dieser Entscheidung, und wenn das Gericht diese Tage braucht, um eine gute Lösung zu finden, dann begrüße ich das in der Hoffnung, dass dann was Gutes rauskommt.

    Heckmann: Bleiben wir noch einen Moment bei dem Akkreditierungsverfahren. Das wird ja jetzt komplett neu gestartet. Was ist denn, wenn jetzt Medien, die bei der ersten Runde sozusagen den Zuschlag bekommen haben, bei der zweiten Runde leer ausgehen? Besteht dann nicht die Gefahr, dass da wieder nach Karlsruhe gegangen wird, wieder eine Entscheidung des Verfassungsgerichts herbeigezwungen wird und der ganze Prozess, diese ganze Pannenserie weitergeht?

    Högl: Ja diese Gefahr besteht natürlich und natürlich gibt es für niemanden eine Garantie, jetzt wieder dabei zu sein. Das Windhundverfahren hat natürlich enorme Risiken. Man muss im Grunde genommen zum Zeitpunkt am Computer sitzen, um sich dann pünktlich akkreditieren zu können. Aber ich gehe davon aus, dass das jetzt vernünftig klappt und dass die Journalistinnen und Journalisten, die dann nicht zum Zuge kommen, dass die eine Lösung finden, dass sie sich anders informieren und dass wir nicht weitere Klagen beim Bundesverfassungsgericht haben. Jetzt müssen natürlich alle wirklich, ich sage es noch mal, sensibel agieren, sich der Bedeutung bewusst sein und dieses Desaster nicht noch verlängern.

    Heckmann: Was erwarten Sie denn jetzt mit Blick auf die Nebenkläger? Sie hatten es gerade eben ja selber schon gesagt. Die haben Kosten, Auslagen, da gibt es bereits die Forderung, dass das ersetzt wird.

    Högl: Ja, der Forderung schließe ich mich absolut an. Wir haben einen Fonds beim Bundesjustizministerium, der wird dort verwaltet, der steht den Opfern und Angehörigen zur Verfügung, daraus haben sie auch schon Geld bekommen. Und ich finde, das ist ein Tatbestand, bei dem dieser Fonds noch mal zur Verfügung stehen kann, sagen kann, diese Auslagen ersetzen wir. Wir dürfen auf keinen Fall das Leid der Opfer und Angehörigen noch vergrößern, und deswegen wäre ich sehr dafür, die Reisekosten, die Hotelkosten zu erstatten und den Fonds dafür zu nutzen.

    Heckmann: Zum Schluss - zum guten Schluss, hätte ich beinahe gesagt, Frau Högl: Die Anwältin von Beate Zschäpe hat gestern Abend in der "ARD" angekündigt, ihre Mandantin werde auch im Prozess schweigen. Was halten Sie von dieser Ankündigung?

    Högl: Das kommt ja nicht unerwartet. Beate Zschäpe schweigt ja die ganze Zeit und wir wissen ja, dass das die Strategie der Verteidigung ist, die Aussage zu verweigern. Ich würde es natürlich begrüßen, wenn Beate Zschäpe spricht, aber wir dürfen auch nicht zu viel davon erwarten. Ich glaube allerdings, dass für die Opfer und die Angehörigen es wichtig wäre, wenn weitere Fragen geklärt werden können. Es bleiben ohnehin viele Fragen offen und Beate Zschäpe könnte einen Beitrag dazu leisten, an der einen oder anderen Stelle etwas zu klären. Aber ich erwarte auch nicht, dass sie spricht.

    Heckmann: Die SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, Eva Högl war das live hier im Deutschlandfunk. Frau Högl, danke Ihnen für das Gespräch und einen schönen Tag.

    Högl: Danke, Herr Heckmann. Gleichfalls! - Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.