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SPD vor der Fraktionssondersitzung
Nahles will kämpfen

In der SPD rumort es - auch nachdem Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles überraschend angekündigt hat, die Wahl des Fraktionsvorstands auf kommenden Dienstag vorzuziehen, will keine Ruhe einkehren. Heute Nachmittag kommt die Fraktion bereits zu einer Sondersitzung zusammen.

Von Frank Capellan | 29.05.2019
SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles
Andrea Nahles geht in die Offensive. (Imago/Thomas Imo)
Alles nur ein Missverständnis? Andrea Nahles hat den Brief von Michael Groß aus Recklinghausen als Kampfansage verstanden. Der Bundestagsabgeordnete hatte die heutige Sondersitzung gefordert, weil er Klarheit darüber wünscht, ob die Fraktion hinter der Chefin steht oder nicht. Das hatte die Vorsitzende dann dazu bewogen, ihre eigentlich für September geplante Wiederwahl auf kommenden Dienstag vorzuziehen. Auch Nahles will klare Verhältnisse und Carsten Schneider, ihr Geschäftsführer, fordert die Kritiker dazu auf, sich aus der Deckung zu wagen.
"Entweder Mut haben, selber in den Ring steigen, oder Klappe halten!"
Martin Schulz, einer der Unzufriedenen
Bisher hat sich niemand gemeldet, der den Aufstand wagen würde. Er rechne auch nicht damit, dass das heute noch passiere, meint Schneider im ARD-Fernsehen, aber bis Dienstag sei ja noch Zeit. Martin Schulz, einer der Unzufriedenen, hat allerdings schon abgewunken. Die Frage der Kandidatur stelle sich für ihn nicht, hat der Ex-Vorsitzende betont und sich zugleich darüber beschwert, dass Nahles sich jetzt schon zur Wahl stellt. In Ruhe sollte die Pleite vom Sonntag analysiert werden, fordert der gescheiterte Kanzlerkandidat und erweckt damit den Eindruck, Zeit gewinnen zu wollen, um Truppen gegen Nahles aufzustellen. Der Nordrhein-Westfale Schulz hat da seinen Landesvorsitzenden, den Bundestagsabgeordneten Sebastian Hartmann, an seiner Seite, auch er hält nichts davon, die Machtfrage Nahles umgehend zu entscheiden. Wer interessiert sich noch für die Wahlanalyse, wenn alle über die Zukunft der Fraktionsvorsitzenden reden? Fragt Hartmann:
"Wenn am Montag der Parteivorstand tagt und eine Aufarbeitung ankündigt, so wird jetzt alles überschattet, nämlich die Frage: Wie geht das denn aus?"
Wahr ist aber auch, dass insbesondere nordrhein-westfälische und niedersächsische Abgeordnete immer wieder gegen Nahles geschossen haben. Mathias Miersch, Sprecher der SPD-Linken, ein Niedersachse, wird als möglicher Herausforderer genannt, ebenso Achim Post, NRW-Landesgruppenchef und Mitglied der konservativen Seeheimer. Sollten beide kandidieren, würden sie sich gegenseitig Stimmen wegnehmen. Ein gemeinsamer Kandidat aber ist bisher nicht in Sicht – Nahles macht Druck:
"Dann sollen all diejenigen, die glauben, dass sie einen anderen Weg gehen wollen, sich aber auch dann hinstellen und sagen: Ich kandidiere!"
Irritationen über Vorstoß von Nahles
Jenseits der Fraktion erhält sie für diese Ansage viel Zuspruch. Schluss mit den Debatten, fordert Dietmar Woidke aus Brandenburg, wir wollen in Ruhe Wahlkampf machen. Ähnlich Ministerpräsidentenkollege Stephan Weil – der Niedersachse möchte Andrea Nahles an der Spitze von Partei und Fraktion halten:
"Sie ist es und sie bleibt es!"
Und Parteivize Ralf Stegner hält nichts davon, jetzt mal eben die Führung auszuwechseln:
"Ernsthaft zu glauben, da ist immer eine Person Schuld und die wechseln wir aus, dann ist alles gut, das ist glaube ich eine Fehleinschätzung. Die SPD hat es ja übrigens schon häufiger so gemacht und hat keine guten Erfahrungen damit."
Seine Nachfolgerin im Amt der SPD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein hält allerdings nichts von der überraschenden Vorwärtsverteidigung der Fraktionsvorsitzenden. Ich war irritiert, als Nahles die vorgezogene Wahl ankündigte, betont Serpil Midyatli im Deutschlandfunk:
"Es gab eine andere Marschrichtung, die vorgegeben worden ist, dass wir erst mal analysieren wollen und tatsächlich gibt es am Montag auch noch 'ne Parteivorstandssitzung, wo wir auch über die inhaltlichen Themen auch miteinander in Diskurs gehen wollen – da hieß es, es soll keine Personaldiskussion stattfinden."
Die wird nun heute Nachmittag hinter verschlossenen Türen stattfinden. Nahles dürfte dann aufs Ganze gehen und den Abgeordneten klarmachen: Wenn Ihr mich als Fraktionschefin stürzt, dann geht es auch um den Parteivorsitz. Auch dass sie die erste Frau an den Spitzen der SPD ist, dürfte ihr zugutekommen. Eine überzeugende Nachfolgerin hat die Partei derzeit kaum zu bieten.