Dienstag, 19. März 2024

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Spendenaffäre
"AfD hat sich an Vertuschungsmanövern willfährig beteiligt"

Vor dem Hintergrund der AfD-Spendenaffäre hat Ulrich Müller vom Verein Lobbycontrol Nachbesserungen im Parteienrecht gefordert. Spender, die Wahlwerbung finanzieren, müssten offengelegt werden, sagte er im Dlf. Geldgeber geheim zu halten, sei hochproblematisch - das müsse auch der AfD klar sein.

Ulrich Müller im Gespräch mit Sarah Zerback | 23.04.2019
Ulrich Müller von der Organisation Lobbycontrol auf einer Pressekonferenz in Berlin
Ulrich Müller von der Organisation Lobbycontrol fordert mehr Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung (dpa/Hannibal)
Sarah Zerback: Inzwischen müssen sich gleich drei Prominente AfD-Politiker wegen mutmaßlicher illegaler Wahlkampfunterstützung rechtfertigen: Jörg Meuthen, Guido Reil und Alice Weidel, und auch gegen den Bundesschatzmeister der Partei, Klaus Fohrmann, hat die Berliner Staatsanwaltschaft jetzt Ermittlungen aufgenommen. Darüber kann ich jetzt sprechen mit Ulrich Müller vom Verein Lobbycontrol, der sich seit mehr als zwei Jahren mit der verdeckten Wahlkampffinanzierung bei der AfD beschäftigt. Guten Morgen, Herr Müller!
Ulrich Müller: Guten Morgen!
Zerback: Da ist ja inzwischen einiges zusammengekommen, und immer wieder, so hören wir, laufen da Fäden in der Schweiz zusammen. Gibt es da einen Zusammenhang?
Müller: Ja, wahrscheinlich schon. Also es ist auf jeden Fall klar, dass es in der Schweiz eine PR-Agentur gibt, die Goal AG, die sozusagen eine zentrale Rolle dabei spielt bei den Versuchen, die AfD mit verdeckter Wahlkampfhilfe zu unterstützen. Also sowohl bei Herrn Reil als auch bei Herrn Meuthen war die Goal AG involviert. Da kam sozusagen die Wahlkampfhilfe von dort. Bei Frau Weidel wissen wir es noch nicht. Da kann es sein. Dann gibt es ja noch einen Briefkastenverein, über den millionenschwere Wahlkampfhilfe zugunsten der AfD lief. Auch dort ist die Goal AG ein maßgeblicher Akteur.
"Aus demokratischer Sicht hochproblematisch"
Zerback: Jetzt ist es ja so, dass Gelder von Bürgern, die nicht aus der EU kommen, illegal sind, dass die von Parteien nicht angenommen werden dürfen. Jetzt hat die AfD Spenderlisten vorgelegt, mit denen sie beweisen wollte, dass da alles legal läuft, und darauf waren offenbar mehrere Strohleute. Da sagt die AfD, davon wussten wir nichts. Warum bezweifeln Sie das?
Müller: Na ja, es ist von vornherein klargewesen, dass bei dieser verdeckten Wahlkampfhilfe versucht wird, die Geldgeber geheim zu halten, was natürlich aus demokratischer Sicht hochproblematisch ist. Das muss der AfD klar gewesen sein, etwa Jörg Meuthen, dass die Goal AG ein großes Interesse daran hat, die Geldgeber geheim zu halten, und wenn sie so eine Liste bekommt, wo dann auch zufälligerweise alle Namen genau unter der Veröffentlichungsschwelle sozusagen von 10.000 Euro liegen mit ihren Spenden, dann muss da eigentlich ein Warnsignal angehen und sagen, das müssen wir erst mal prüfen, und das hat die AfD nicht gemacht, und da hat sie sich sozusagen an der Vertuschungsmanövern willfährig beteiligt, die da gelaufen sind.
Zerback: Ist denn inzwischen klar, wer die Wahlkampfhilfen finanziert hat, also wer da ein Interesse dran gehabt haben könnte?
Müller: Also es gibt eine Spur zu Henning Conle, das ist ein Milliardär, der auch in der Schweiz lebt, aus Deutschland kommt, mit Immobilien sein Vermögen gemacht hat. Das ist nach Medienberichten vor allem relativ gut belegt in einem Fall von Alice Weidel. Es gibt auch auf dieser vermeintlichen Spenderliste für Jörg Meuthen drei Personen, die sozusagen Verbindungen zu Conle haben. Aber das ist noch nicht endgültig aufgeklärt, da sind also noch Fragen offen, und wir wissen auch nicht, ob Conle der einzige Spender war oder ob da nicht noch mehr Leute dahinterstehen.
Zerback: Da geht es ja um mögliche Verstöße gegen das Parteiengesetz. Es wird aber noch ermittelt beziehungsweise geprüft. Was haben denn beispielsweise Weidel oder Meuthen da juristisch zu befürchten?
Müller: Also bei Meuthen und Guido Reil ist ja inzwischen klar, dass das als illegale Parteispenden einzustufen ist. Das hat die Bundestagsverwaltung ja schon gemacht. Also das heißt, da werden Strafzahlungen fällig.
Zerback: 400.000 Euro.
Müller: Genau, und die Spenden für Alice Weidel für den Bundestagswahlkampf 2017 sind auch illegal. Das ist relativ klar, dass dort auch noch mal ungefähr 400.000 Euro als Strafzahlung kommen werden.
Zerback: Aber die zahlt ja die Partei, und die zahlen ja nicht die …
Müller: Die zahlt die Partei.
Zerback: Genau.
Müller: Und dann gibt es ja jetzt, fangen ja jetzt die Ermittlungen an, weil es ja dann natürlich auch strafrechtlich relevant wird, wenn da falsche Angaben in Rechenschaftsberichten gemacht wurden, und das trifft zum einen die Bundesschatzmeister, die möglicherweise gar nicht die Verursacher sind, aber die dann den Kopf hinhalten müssen, aber es stellt sich natürlich auch die Frage, inwiefern dann auch Leute wie Jörg Meuthen als Co-Parteivorsitzender da involviert war in sozusagen den Angaben, die für den Rechenschaftsbericht gemacht wurden. Da gibt es dann durchaus auch noch mal die Möglichkeit, dass es ... also die Drohung von Haftstrafen.
Zerback: Der AfD-Bundesvorstand hat ja bereits beschlossen, eine Million zurückzulegen, sieht also so aus, als rechne die Partei da tatsächlich noch mit mehr Kosten als die 400.000, die da jetzt schon veranschlagt wurden. Womit rechnen Sie denn?
Müller: Das ist ein bisschen schwierig zu kalkulieren, weil es laufen momentan so viele Prüfungsverfahren bei der AfD, weil das ein so großer Komplex verdeckter Spenden ist, dass das schwer vorherzusagen ist. Die entscheidende Frage wird sein, ob am Ende sich herausstellt, dass dieser Briefkastenverein, der sozusagen die Wahlwerbung wirklich in zweistelliger Millionenhöhe gemacht hat für Landtagswahlen und Bundestagswahl, ob das am Ende auch der AfD zuzurechnen ist oder nicht.
Wenn das tatsächlich passieren würde, also wenn dort noch mal belegt wird, dass es da doch eine engere Zusammenarbeit gibt als beide Seiten bisher behaupten, dann können die Strafen in die zweistellige Millionenhöhe steigen. Aber das ist sozusagen spekulativ, deswegen momentan, denke ich, wissen wir sozusagen, es wird diese 800.000 Euro geben, und dann gibt es noch eine Reihe kleinerer Verfahren, etwa zu Wahlkampfzeitungen dieses Briefkastenvereins, des "Deutschland-Kurier". Da wird man sehen, da können auch noch mal Gelder fließen oder Strafzahlungen fällig werden. Es ist momentan ein bisschen offen, weil es so viele Verfahren gibt und weil auch einige Fragen immer noch ungeklärt sind.
"Die AfD hat ganz deutlich davon profitiert"
Zerback: Offen auch, weil ermittelt wird, weil aber auch der AfD-Chef Jörg Meuthen sich im Moment dazu nicht äußern möchte, in der Vergangenheit aber auch die Vorwürfe bestritten hat. Lässt sich denn sagen, wie sehr die Partei von den Wahlkampfhilfen, den möglicherweise illegalen, profitiert hat?
Müller: Sie hat ganz deutlich davon profitiert. Also Jörg Meuthen hat davon persönlich profitiert für seinen Wahlkampf, genauso wie Guido Reil und Alice Weidel, und die Partei hat natürlich … das waren ja riesige Kampagnen, die dort dieser Verein Recht und Freiheit gemacht hat. Das waren große Außenplakate, und man kann das jetzt nicht in Prozentangaben machen, aber da ist ja Geld in diese Wahlkämpfe geflossen, das war zum Teil größer als das Wahlkampfbudget der Partei selber. Für die Landtagswahl NRW zum Beispiel ist das einigermaßen klar, und das heißt, das ist wirklich viel Geld und eine große Wahlkampfunterstützung gewesen, und wir wissen nicht, wem die Partei dort hinter den Kulissen zum Dank verpflichtet ist, und das ist eigentlich ein untragbarer Zustand.
Da gibt es sowohl Vorwürfe an die AfD, dass sie dort eigentlich nicht wirklich aufklärt, aber wir brauchen eigentlich auch bessere Regeln im Parteienrecht, dass solche sozusagen scheinbar unabhängige separate Wahlwerbung nicht einfach intransparent bleiben kann.
Zerback: Und was genau soll da im Parteienrecht geändert werden?
Müller: Wir wollen, dass solche sogenannten Drittkampagnen, also wenn jemand Drittes ganz explizit Wahlwerbung für eine Partei macht, also Plakate, wo draufsteht "Wählt AfD", dass dann auch, wie im Parteienrecht, die Spender, die diese Wahlwerbung bezahlen, offengelegt werden müssen, sodass es eigentlich sozusagen der gleichen Systematik unterliegt wie Parteispenden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.