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Mütter im Spitzensport
Mit Kind beim Wettkampf - Athletinnen in der Doppelrolle

Wie lässt sich Berufliches und Privates unter einen Hut bringen? Diese Frage stellt sich auch Müttern im Spitzensport. Viele wünschen sich mehr Unterstützung von Verbänden und Politik – dabei geht es auch um ganz grundsätzliche Fragen.

Von Sabine Lerche |
Chelsea- Spielerin  Melanie Leupolz kommt im Januar 2023 vor dem Spiel der Barclays Women's Super League in Kingsmeadow, London, an.
Melanie Leupolz von FC Chelsea wurde im Oktober 2022 Mutter, drei Monate später kehrte sie auf den Platz zurück. Bei der anstehenden WM wird ihr Kind mit dabei sein. (picture alliance / empics / Zac Goodwin)
"Viele Spielerinnen freuen sich jetzt schon, wahrscheinlich den ganzen Tag Tagesmutter zu spielen. 23 Babysitter plus Oma Martina." Das sagte vor etwas über einem Monat Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen, bei der Bekanntgabe des erweiterten WM-Kaders über Melanie Leupolz.
Diese wird, sollte sie auch dem endgültigen Aufgebot für das Turnier (20. Juli bis 20. August 2023) angehören, ihr Baby mitnehmen. Nanny, Flug, Unterkunft - all das hat Leupolz selbst organisiert.

Tischtennisspielerin Lang: Manager haben "vollstes Verständnis"

"Oft läuft so was auf Eigeninitiative", weiß auch die deutsche Tischtennisspielerin Kristin Lang. Mit drei Monaten war ihre Tochter bei den Weltmeisterschaften 2018 in Schweden vor Ort.
"Die ist dann da quasi mit aufgewachsen. Es ist nicht so, dass ich sie zu jedem Spiel mitnehme, die kommt vielleicht drei- oder viermal im Jahr mit", erklärt Lang im Dlf-Gespräch. Und ergänzt: "Wir verbinden das meistens mit einem Familienwochenende, wo wir einen Tag früher kommen und einen Tag länger bleiben. Aber die Manager haben vollstes Verständnis dafür."

Soziale Unterstützung und Geld als großer Faktor

Neben der sozialen Unterstützung spielt auch Geld eine Rolle. Es entstehen zusätzliche Kosten für Anreise und auch Betreuungspersonen, falls Familienmitglieder nicht aushelfen können.
So wie bei Francés Herrmann. Die Para-Speerwerferin ist alleinerziehende Mutter eines dreijährigen Sohnes: "Es wäre gut, wenn man wüsste, man hätte einen Topf, woher man Geld kriegen kann. Unser Dachverband hat auch gemerkt, dass Frau Herrmann ihr Kind mitnimmt und das selbst bezahlt. Haben sie mir auch gesagt, unser Sportchef, aber was hilft mir das? Gar nichts."

Herrmann wünscht sich Unterstützung von der Politik

Die Silbermedaillengewinnerin von Tokio wünscht sich nicht nur Unterstützung vom Verband, sondern auch von der Politik. Ihre Bundestrainerin konnte immerhin bewirken, dass Herrmann für die Paralympics 2024 in Paris Geld vom Bundesland Brandenburg bekommt.
"Da war ich auch ganz uneigennützig und habe gesagt: 'Cool, nehme ich natürlich.' Aber das liegt natürlich daran, dass man sich im Land kennt und weiß, wo man fragen muss", führt Herrmann aus. "Die kennen mein Kind, ich nehme es auch mal mit, dann wissen sie das und dann ist das klar. Aber das ist eben so eine persönliche Sache, das darf eigentlich auch nicht sein."

Deutscher Seglerverband übernimmt bereits Mehrkosten

Beim Deutschen Seglerverband (DSV) gibt es ab diesem Jahr offiziell eine finanzielle Unterstützung für Eltern: Der Verband übernimmt Mehrkosten, die entstehen, wenn das Kind und weitere Familienmitglieder mit zum Wettkampf reisen sollen.
"Wir setzen eine Summe X und gucken, wie sich das in diesem Jahr entwickelt", sagt DSV-Präsidentin Mona Küppers. Diese Maßnahme hatte sie selbst angestoßen. Aber nicht nur mit finanziellen Mitteln könne geholfen werden.

DSV-Präsidentin: "Mensch besteht nicht nur aus Leistungssport"

Auch Unterstützung bei organisatorischen Fragen oder eine Kinderbetreuung könne viel wert sein: "Die Verbände müssen das auch begreifen, dass ein Mensch nicht nur aus dem Leistungssport besteht, sondern dass sein gesamtes Umfeld mit dazu beiträgt, dass diese Leistung erbracht werden kann."
Deshalb gehe es um grundsätzliche Fragen: "Wie gehen wir mit Athleten als Eltern um? Wie können wir sie zusätzlich unterstützen? Wir wollen sie behalten, weil sie für uns, für unsere Sportart, wichtig ist. Dann kann ich nicht deren Leben komplett umkrempeln und bestimmen: 'Also du kriegst erst ein Kind, wenn du 45 bist, bis dahin hast du für uns Goldmedaillen zu holen.' Das funktioniert doch nicht."

US-Sprinterin Allyson Felix: Fonds für Kinderbetreuung

Siebenmal Olympisches Gold hat US-Sprinterin Allyson Felix gewonnen. Auch sie musste nach der Geburt ihrer Tochter 2018 alles selbst in die Hand nehmen. Deshalb macht sie sich mit einem Fonds stark für kostenlose Kinderbetreuung bei großen Leichtathletik-Wettkämpfen.
Para-Leichtathletin Herrmann ist sich aber nicht sicher, ob sie so etwas nutzen würde: "Ich weiß nicht, wie mein Kind das annimmt. Und das weiß ja keiner von uns, das kommt auch auf das Alter an. Wenn er größer ist, gerne, aber gerade kann ich mir das nicht vorstellen."

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Lang will als Sportlerin und Mutter wahrgenommen werden

Bisher hat sie ihren Sohn nur zu kleinen Events mitgenommen, größere oder längere Wettkampfreisen seien zu stressig – für beide. Auch im Wettkampf selbst sei die Konzentration nicht so einfach, wenn ihr Sohn dabei ist.
Tischtennisspielerin Lang hingegen will bei Turnieren bewusst ihre Doppelrolle zeigen: "Ich finde es wichtig, dass wir das als Familie zusammen machen. Dass meine Tochter sieht, was ich beruflich mache. Dass auch andere Leute im Verein sich mit ihr beschäftigen und nicht nur mich als Sportlerin sehen, sondern auch als Mutter."