Marode Turnhallen, Lehrermangel, Unterrichtsausfall - die Mängelliste im deutschen Schulsport wird immer länger. Das Ergebnis: die Kinder bewegen sich zu wenig, beklagt Daniel Möllenbeck, Präsident des Deutschen Sportlehrerverbandes: „Ich habe neulich von einem Kollegen gehört von einer Schule, da hat er eine neue Klasse bekommen, eine siebte Klasse, die war das erste Mal in einer Sporthalle überhaupt. Weil es davor zwei Jahre ausgefallen ist. Also so was ist durchaus nicht unüblich."
Möllenbeck spricht von einer Krise im Schulsport. Genaue Zahlen, in welchem Umfang der Sportunterricht ausfällt, gibt es nicht. Sie werden von den Bundesländern, die für Bildung zuständig sind, nicht separat erhoben. Drei Stunden Sport pro Woche empfiehlt die Kultusministerkonferenz den Ländern, 2,25 seien es, erklärt Daniel Hager-Mann, Kommissionsvorsitzender Sport in der KMK. „Aber ich kann Ihnen durchaus bestätigen, dass alle Länder bemüht sind, möglichst viel Bewegungszeit an den Schulen dauerhaft zu etablieren.“
Ganztagsschule als Chance für mehr Bewegungsangebote
„Wer sagt, dass er bemüht ist, ist zwar grundsätzlich gut, aber am Ende müssen wir es umsetzen", entgegnet Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er hält es für einen Skandal, dass die Länder ihre Pflicht im Schulsport vernachlässigen. „Ich war wirklich erschrocken, dass keiner, auch der wesentlichen Akteure, sowohl in den Ministerien, in der Kultusministerkonferenz, aber auch im Sportlehrerverband Zahlen darüber hat, wie viele Sportlehrer wir haben, wie viele Schulsportstunden ausfallen, was fehlt, und wenn die Kulturministerkonferenz drei Sportstunden in der Woche als Ziel ausgibt, dann müssen die Kulturministerien in den Ländern auch alles dafür tun, dass man das umsetzt.“
Dabei sei die Ganztagsschule eine riesige Chance für mehr Bewegungsangebote. Findet Julia Schneider, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Turnerjugend. Dafür müssten Schulen und Vereine besser kooperieren, sagt sie, zum Beispiel mit Hilfe eines Koordinators. „Der koordiniert und sagt: es gibt eine Grundschule A, B, C, jeweils fünf Kinder, die würden gern Kinderturnen machen, der spricht mit den Verkehrsbetrieben, die werden mit einem Bus eingesammelt, in das Vereinsgebäude, in die bewegte Kita gebracht, wo eben vielleicht gerade zu dem Zeitpunkt der Raum leer ist, und dort wird eben vom Verein das Angebot gemacht, und wenn die Kinder das toll finden, haben sie eine Bindung an das Gebäude, an den Verein und gehen dann hoffentlich in die weiterführenden Angebote.“
Marode Sportstätten verhindern mehr Sport an Schulen
Momentan ist das aber noch Zukunftsmusik. Die Idee steht im Entwurf für den Entwicklungsplan Sport, den die Bundesregierung zurzeit erarbeitet. Dass es auch ganz einfach gehen kann, berichtet Maren Rebmann, Leiterin der Böblinger Kindertagesstätte ‚Hopser‘. Hier steht die Bewegung im Mittelpunkt. Selbst die Erzieher und Erzieherinnen werden danach ausgesucht, ob sie mit den Kindern gern Sport treiben oder nicht. "Der Sport fällt bei uns als allerletztes aus. Also da müssen tatsächlich alle mit dem Kopf unterm Arm daherkommen.“
Das Modell funktioniert auch, weil in Böblingen gleich nebenan eine intakte Sporthalle steht. Das ist nicht überall so. Da passt es gut, dass sich der Sportausschuss in seiner nächsten Sitzung mit den maroden Sportstätten im Land beschäftigen wird.