Montagabend, das Flutlicht ist an im altehrwürdigen Grotenburg-Stadion des KFC Uerdingen. Wo einst Europapokal gespielt wurde, ist heute die Regionalliga West die harte Realität. An diesem Abend ist die zweite Mannschaft der Fortuna aus Düsseldorf zu Gast. Beide Teams können Punkte im Kampf um den Klassenerhalt gut gebrauchen.
Eine Viertelstunde bis zum Anpfiff. Und unter den Zuschauern verbreitet sich die Nachricht, dass die Fortuna insgesamt vier Profis aus der ersten Mannschaft der Fortuna im Kader hat. Zwei von Ihnen stehen in der Startelf.
"Grundsätzlich bin ich auch nicht davon begeistert. Die spielen zwar schönen Fußball, aber das ist ein bisschen Wettbewerbsverzerrung, finde ich. Zweite Mannschaften gefallen mir sowieso nicht. Und die wollen natürlich auch ihre Mannschaft in der Regionalliga zumindest halten für ihr Nachwuchsleistungszentrum. Wenn wir vier Verletzte haben, dann musste nehmen, was da ist. Und die nehmen dann von oben. Die Mannschaften wie Uerdingen oder Wuppertal die leben auch von Auswärtsfans und dann ist sowas natürlich scheiße, aber gut.", so die Stimmen der Fans am Abend in Krefeld.
Der Frust unter den Fans ist groß. Fast 3.000 Zuschauer sind gekommen, der Gästeblock bleibt aber fast leer. Und das, obwohl zwischen beiden Stadien nur gut 10 Kilometer Luftlinie liegen. Derby-Atmosphäre kommt hier nicht auf. Die Stimmung bei den KFC-Fans ist beim Anpfiff trotzdem gut.
Spielerberater Eser: "Das ist ungerecht"
Mehmet Eser gehört die Fußball-Beratungsagentur M-Soccermanagement, die auch für den KFC Uerdingen arbeitet. Er hält den Einsatz von Profis in den unteren Ligen für unfair:
"Auf jeden Fall können die zweiten Mannschaften da spielen. Aber wichtig wäre, dass die nicht immer Profis darunter holen. Das ist ungerecht, nicht nur gegenüber den anderen Vereinen, sondern auch ungerecht gegenüber dem eigenen Verein."
Zum Beispiel dann, wenn Spieler aus dem Profikader jungen Nachwuchstalenten den Startelfplatz wegnehmen. Stefan Vollmershausen war einige Jahre selbst als Trainer in der Regionalliga aktiv. Inzwischen leitet er das Nachwuchsleistungszentrum von Fortuna Düsseldorf.
"Unser Hauptweg ist natürlich, dass wir Profis entwickeln und die dann natürlich auch an den Profibereich heranführen. Dafür ist es natürlich auch eine tolle Sache, wenn wir die Möglichkeit haben in solchen Stadien wie heute Abend hier in Uerdingen, aber auch in Wuppertal, Oberhausen, Duisburg zu spielen", meint Vollmershausen.
Die Kritik daran, dass die Fortuna Spieler aus ihrem Profikader einsetzt, kann Vollmershausen nicht wirklich nachvollziehen:
"Grundsätzlich machen wir das ja nie, um Punkte zu generieren, sondern wir machen das, um zuzuarbeiten für unsere Lizenz. In der Regel ist es der Fall, dass wir den Spielern Spielpraxis ermöglichen, die vielleicht gerade aus einer Verletzung kommen oder in der Profimannschaft nicht viel Einsatzzeiten haben. Das ist dann irgendwo auch unsere Pflicht, weil wir natürlich alles der Lizenz unterstellen."
DFB-Restriktionen als Kompromiss
Die DFB-Regeln für zweite Mannschaften besagen zum Beispiel, dass maximal drei Spieler in einem Spiel gleichzeitig eingesetzt werden dürfen, die über 23 Jahre alt sind. In der Schlussphase der Saison ist außerdem festgelegt, dass kein Spieler eingesetzt werden darf, der mehr als die Hälfte seiner Einsätze in der ersten Mannschaft hatte. Außerdem dürfen zweite Mannschaften nicht am DFB-Pokal teilnehmen. Ein Großteil dieser Regeln wurde vor über zehn Jahren eingeführt.
Manuel Hartmann, Geschäftsführer Spielbetriebe beim DFB, hält sie trotzdem für einen sinnvollen Kompromiss.
"Wenn man jetzt natürlich selbst betroffen ist an einem Spieltag, wo man das Gefühl hat: Oh die zweite Mannschaft setzt hier vielleicht doch verstärkt Lizenzspieler ein. Man sich selbst dann in einer sportlichen Benachteiligung sieht. Dann kommen die Emotionen natürlich nach oben und nicht mehr die objektive oder rationale Diskussion."
Es sei aber nachvollziehbar, dass die anderen Vereine den bisherigen Weg nicht für ideal hielten. Hartmann erklärt außerdem, dass der DFB im Hinblick auf Regelanpassungen im ständigen Austausch mit den Vereinen, etwa aus der 3. Liga sei.
Eigene Liga für Zweitvertretungen gefordert
Im Sommer hatte eine von Fußballfans initiierte Online-Petition mit etwa 10.000 Unterschriften erneut eine eigene Liga für Zweitvertretungen gefordert. Der Vorschlag ist nicht neu. Schon in den 80er Jahren und zuletzt 1994 gab es vom DFB sogenannte Reserverunden.
"Allein die Tatsache, dass es das schonmal gab und man es dann doch wieder verworfen hat, zeigt, dass es dann doch nicht so erfolgreich war auch im Sinne der Entwicklung der Spieler", meint Manuel Hartmann. Das große Problem: für diese Ligen interessierten sich die Zuschauer so gut wie gar nicht:
"Diese Nachwuchsligen haben auch Nachteile. Insbesondere in der Ausbildung von Toptalenten, die dann eben nicht vor hohen Zuschauerzahlen spielen, die dann wieder gegen den gleichen Spieler im gleichen Alter spielen, die sie auch schon aus den Juniorenligen kenne, sodass man eben diese Weiterentwicklung dann auch nicht hat."
Die Entwicklung junger Spieler wäre allerdings auch möglich, wenn keine Profis oder erfahrenen Akteure mehr in den Zweitvertretungen spielen dürften. Unklarheit für die Gegner und der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung könnten damit zumindest teilweise ausgeglichen werden.
In Krefeld hat Fortuna Düsseldorf II in der ersten Halbzeit gut vorgelegt, kurz vor Schluss trifft Uerdingen aber tatsächlich noch zum Ausgleich. Das Spiel endet mit 1:1 und zeigt, dass die Uerdinger trotz Profi-Unterstützung bei den Düsseldorfern an diesem Abend mithalten können.