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Klimakrise und Sport
Warum der Sport beim Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen könnte

Autor David Goldblatt hat einen Bericht zum Einfluss des globalen Sports auf das Klima geschrieben. Im DLF erklärt er, was Vereine und Verbände tun können, um ihren CO2-Fußabdruck zu verringern und warum die Bundesliga ein Vorbild sein könnte.

David Goldblatt im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Solarzellen auf dem Dreisamstadion in Freiburg.
Solarzellen auf dem Dreisamstadion in Freiburg. (IMAGO / imagebroker)
Das Hochwasser in Westdeutschland, was hunderte Fußballplätze und Sporthallen zerstört hat. Hitzewellen, die Marathon-Läufe unmöglich machen. Oder milde Temperaturen im Winter, so dass der Schnee schmilzt und keine Ski-Alpin-Abfahrten mehr stattfinden können.
Der Sport ist in vielfacher Hinsicht von der Klimakrise betroffen. Aber er ist nicht nur Opfer, sondern auch Verursacher – mit Fußballern in Flugzeugen und hundertausenden Fans, die zu den Stadien fahren.
Wie groß der Einfluss des Sports bei der Bekämpfung der Klimakrise ist, damit beschäftigt sich der britische Sportjournalist, Autor und Mitbegründer der Organisation "Football for Future". Er hat im vergangenen Jahr einen umfassenden Report über Klimaschutz im Sport geschrieben.
David Goldblatt
David Goldblatt (IMAGO / agefotostock)
Herr Goldblatt, der neueste IPCC-Report wurde am Montag veröffentlicht. Haben Sie das Gefühl, dass der Sport dem Report irgendeine Art der Aufmerksamkeit geschenkt hat?
Goldblatt: Wenn man sich die Überschriften anguckt, würde ich sagen, die Welt des Sports hat das nicht getan. Aber andererseits: Wer hat das schon angesichts der Situation in der Ukraine? Es scheint fast so, als ob niemand dem IPCC genug Aufmerksamkeit geschenkt hat. Da würde ich den Sport nicht herausheben. Ich glaube, wir sind da alle etwas schuldig.
Aber ich glaube, im vergangenen Jahr hat sich endlich etwas getan im Sport. Es gibt mehr Auseinandersetzung mit der Klimakrise, als es das zuvor gegeben hat. Beim Weltklimagipfel in Glasgow vergangenes Jahr war die Präsenz der globalen Sportindustrie deutlich höher, als vorher – sowohl in den Medien, als auch in den Verhandlungen.

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Das Hauptinstrument für den globalen Sport, um die Klimakrise anzugehen, die UN-Initiative „Sport for Climate Action Framework“, hat deutlich mehr Energie und Zeit bei einem COP bekommen, als zuvor. Und es gibt eine Reihe von Sportverbänden und Institutionen, wenn auch noch wenige, die sich dem Problem annehmen. Es gibt also sowohl Grund für Pessimismus, als auch für Optimismus.

"Kein Freifahrtsschein für die Klimakrise"

Dann lassen Sie uns zunächst über die pessimistische Seite sprechen. Wie groß ist der CO2-Fußabdruck der Sportindustrie? Was ist Ihre Schätzung?
Goldblatt: Nun, niemand weiß das wirklich genau, weil noch niemand die genaue Berechnung angestellt hat. Aber wenn wir annehmen, dass die globale Sportindustrie ungefähr 500 bis 750 Milliarden Dollar Umsatz macht, mal als sehr grobe Schätzung – und das ohne die Sportwetten und ohne die Sportbekleidung-Industrie; beide sind natürlich sehr vom Rest des globalen Sports abhängig. Aber gehen wir mal von dieser Summe aus.
Das sind 0,8% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Nun, Sport ist sicherlich nicht so CO2-intensiv wie andere Industriezweige, wie zum Beispiel die Zement-Produktion. Aber die ist wahrscheinlich auch CO2-intensiver als viele andere Zweige. Nehmen wir also an, dass der Sport da im Mittelfeld liegt, was bedeutet, dass der Sport für 0,8% der weltweiten Emissionen verantwortlich ist.

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Das mag nicht nach viel klingen, ist aber genauso viel, wie Spanien oder Polen verbrauchen – und denen gibt man auch keinen Freifahrtschein, wenn es um die Klimakrise geht. Diese Schätzung zeigt schon, dass der Sport eine signifikante Rolle spielt. Und wie jede andere kulturelle und wirtschaftliche Institutionen auf der Erde wird sich auch der Sport stark wandeln müssen, um seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren.
Ist den Verbänden und den Vereinen bewusst, wie viel sie beitragen? Sie haben am Anfang erwähnt, dass es im vergangenen Jahr ein erstes Umdenken gegeben hat. Aber wie viele Verbände und Vereine gehen das Problem wirklich an?
Goldblatt: Wenn man sich die positive Seite anguckt: Beim „Sport for CIimate Action Framework“ gibt es ungefähr 300 bis 400 Unterzeichner, viele internationale Sportverbände sind Mitglied, die Weltverbände von Leichtathletik und Tischtennis, die FIFA. Eine kleine, aber signifikante Anzahl von nationalen Verbänden und Vereinen sind auch mit dabei.
Zwei oder drei aus Bundesliga, die Bundesliga selbst, vier Mitglieder der Premier League, die New York Yankees, et cetera. Es gibt also an der Spitze eine kleine Gruppe von Verbänden und Vereinen, die sich der Mission angeschlossen haben und wirklich anfangen, etwas zu unternehmen. Zum Beispiel hat World Athletics einen umfangreichen Plan, um innerhalb von zehn Jahren die Emissionen zu halbieren. Oder die Pläne für die EM 2024 in Deutschland, die haben zumindest auf dem Papier außerordentliche Ziele für die Reduzierung von CO2 und für die Kompensation für das, was sie nicht reduzieren können. Das ist aber natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den Sportverbänden und Institutionen, die nicht involviert sind.
Wissen Sie – oder ahnen Sie – von ihren Untersuchungen, wovon es abhängt, ob ein Verband oder ein Klub Maßnahmen gegen die Klimakrise ergreift beziehungsweise nicht handelt?
Goldblatt: Zum einen sind die Mitglieder größtenteils aus dem globalen Norden. Der ganz große Anteil derjenigen, die unterschrieben haben, kommen aus den USA, Kanada, Nord-Europa, vor allem Großbritannien, Deutschland, und ein paar skandinavische, japanische und australische Mitglieder.
Aber darüber hinaus haben wir fast kein Engagement aus dem globalen Süden. Fast keine von Breitensport-Organisationen. Wir haben fast kein Engagement von Sportartikelherstellern. Also im Moment ist eine kleine Anzahl von Klubs und Institutionen, die meistens ziemlich reich und erfolgreich sind und damit ein bisschen Spielraum in ihren Budgets haben.
Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel die Forest Green Rovers, die Pioniere im englischen Fußball sind, oder eine kleine Anzahl von internationalen Verbänden, der Welt-Segelverband zum Beispiel. Nicht besonders reich oder bekannt, aber der hat eine enthusiastische und engagierte Führung, und das macht häufig den Unterschied.
Aber wir sind noch am Anfang dieses Weges. Wir brauchen jeden einzelnen Verband international und national, jede einzelne Sportorganisation, jede einzelne Breitensport-Bewegung auf der Welt, alle müssen unterschreiben und sich engagieren, und zwar jetzt.

"Der Sport kann sich nicht alleine kümmern"

Was können Vereine und Verbänden denn gegen die Klimakrise unternehmen?
Goldblatt: Es ist eigentlich recht simpel. Die allermeisten Emissionen im Sport entstehen durch den Energieverbrauch, durch Baustellen, durch Verkehr, durch Essen und Getränke, und Müll. Die wahrscheinlich wichtigste Maßnahme, die jede Sport-Organisation ergreifen sollte, ist, den Energie-Anbieter zu wechseln und in Energie-Effizienz zu investieren. Jedes einzelne Stadion auf der Welt sollte energiesparende Flutlichter haben. Niemand sollte Strom aus fossile Quellen nutzen, niemand sollte noch Benzin oder Diesel für seine Fahrzeuge nutzen, alle müssen zu elektrischen Fahrzeugen wechseln.
Bezüglich des Verkehrs - und es ist interessant, dass Sie das am Anfang genannt haben - das ist anspruchsvoller und komplexer für den Sport. Denn die Studien, die über internationale Sportereignisse angefertigt wurden, zeigen, dass die meisten Emissionen durch den Transport der Fans zu und von den Stadien entstehen. Das ist etwas, worum sich der Sport kümmern muss.
Aber der Sport kann sich darum nicht alleine kümmern. Wir sind alle in bereits existierenden CO2-intensiven Systemen und Infrastrukturen gefangen. Der Sport kann sich aber an der Diskussion über Verkehrsinfrastruktur in der Stadt beteiligen. In der Zwischenzeit sollte man sich ein Stück von der Bundesliga abschneiden.

Die Bundesliga als Vorbild für Klimaschutz

Jedes Ticket für ein Spiel ist gleichzeitig auch eine Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr. Sie sollten sich ein bisschen von Werder Bremen abgucken, wo man innerhalb eines gewissen Abstandes zum Stadion nicht mit dem Auto parken darf. Wir brauchen eine umfangreiche Transformationen, wie wir zu den Stadien kommen.
Und Athleten sind ein Teil davon, es gibt Studien, die zeigen, dass die für drei bis vier Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Und dann sind wir beim Thema Baustellen. Wir müssen einfach aufhören, Zement zu produzieren. Wir dürfen keine Stadien mehr bauen, in denen CO2-intensive Materialen genutzt werden. Und die Technologie dafür ist da. Die Forrest Green Rovers haben jetzt die Genehmigung, um das erste Holz-Stadion in Großbritannien seit einem Jahrhundert zu bauen, was für deutlich weniger Emissionen sorgt als ein herkömmliches Stadion aus Stahl und Beton.
Und dann ist da noch das Essen. Auch da brauchen wir einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer pflanzlichen, CO2-freundlichen Ernährung. Und so sehr ich und wahrscheinlich alle die Bratwurst im Stadion lieben, die Fans auf der ganzen Welt essen – wir müssen den Prozess starten, Alternativen anzubieten.
Wie optimistisch sind Sie, dass diese Veränderungen bald eintreten werden?
Goldblatt: Das kommt auf die Definition von bald an. Einige der Dinge passieren jetzt schon. Aber wenn wir uns nur auf Freiwilligkeit verlassen, wenn wir nur davon ausgehen, dass Organisationen das richtige tun werden, dann wird es zu spät sein. Wir müssen dahin kommen, dass das die zu erwartende Norm ist.
Auch da ist die Bundesliga ein Beispiel, die führt ja gerade Nachhaltigkeitskriterien als Teil der Lizenzierung ein.  Die Details sind noch nicht klar, aber um in der Bundesliga spielen zu können, wird ein Verein einen Plan zur CO2-Reduzierung haben müssen. Ich denke, das sollte überall im professionellen Sport die Norm sein.
Internationale Verbände sollten diesbezüglich auf die nationalen Verbände einwirken, die wiederum auf die Ebenen darunter. Die Profi-Ligen werden das von ihren Mitgliedern verlangen müssen. Sobald wir auf diesem Weg sind, wird es viele schnelle Erträge geben. Das ist technologisch oder auch gesellschaftlich nicht so kompliziert. Wir können innerhalb kurzer Zeit viel verändern.
Und das hätte großen Einfluss, denn der Sport ist wie kein anderes kulturelles Phänomen dafür prädestiniert, diese Botschaft zu verbreiten, zu normalisieren und zu beschleunigen. Das ist der Knackpunkt bei der Klimapolitik: Sie braucht universelle Bereitschaft. Und der Sport bietet die Möglichkeit, Gruppen zu erreichen, die sich im Moment nicht engagieren, und zu zeigen, dass Dinge, die unmöglich oder unpraktisch erscheinen, tatsächlich normal und möglich sein können.
Und vor allem speist sich der Sport aus dem Glauben, dass gemeinsame Arbeit funktioniert. In einer sehr individualisierten Gesellschaft ist der Sport einer der letzten Orte, wo wir daran glauben, dass das Team gewinnt. Und das ist eine sehr wertvolle Ressource, die der Sport in den Händen hält. Wenn der Sport sein eigenes CO2-Haus in Ordnung bringt, kann der Sport in der Klimapolitik einen wirklichen Unterschied machen.