Freitag, 03. Mai 2024

Denkfabrik Demokratie
Mit Doppelrolle im Sportausschuss

Die Förderung und Finanzierung des Spitzensports ist die Hauptaufgabe des Sportausschusses im Deutschen Bundestag. Aber wie demokratisch ist der Ausschuss, wenn zu ihren Mitgliedern auch Amtsträger aus den nationalen Sportverbänden zählen?

Von Sabine Lerche | 29.10.2023
Sitzungsrunde im Sportausschuss des Deutschen Bundestags.
Viele der Mitglieder im Sportausschuss des Deutschen Bundestags haben auch Ämter in deutschen Sportverbänden. Ist das richtig? Oder darf das nicht sein. (imago images / Christian Ditsch )
 „Sportfamilie“ oder „Freunde und Förderer des Sports“ – so nennen Kritiker die Mitglieder des Sportausschusses im Deutschen Bundestag. Der leise mitschwingende Vorwurf der fehlenden Distanz entsteht auch, weil einige der Mitglieder im Bundesausschuss oder in den für den Sport zuständigen Landesausschüssen gleichzeitig auch hohe Ämter in nationalen Sportverbänden innehaben:
Jens-Peter Nettekoven (CDU) zum Beispiel sitzt im Landtag NRW und ist zugleich Vizepräsident beim Deutschen Olympischen Sportbund DOSB und auch Präsident im Deutschen Ringer-Bund, mit ihm im Landtag Christos Katzidis (CDU), der zugleich Mitglied im Vorstand des Deutschen Fußballbunds DFB ist.
Im Landtag in Baden-Württemberg sitzt Manuel Hailfinger (CDU), zugleich Präsidiumsmitglied beim Landessportverband Baden-Württemberg. Für die SPD im Sportausschuss sitzt Jasmina Hostert, seit 2022 auch Mitglied im DOSB-Menschenrechtsbeirat. Daniel Keller von der SPD ist im Landtag Brandenburg und war Präsident des Deutschen Judobundes.

Interessen sind ungleich verteilt

„Wenn wir einen, ich nenne es mal perfekten Wettbewerb der Lobbyisten hätten, dann wäre es kein Problem", beurteilt Sportökonom Frank Daumann die Doppelrollen in der Politik. „Schauen wir uns den Sportausschuss an, und wir hätten also von allen Facetten des Sports irgendwie Vertreter in diesem Sportausschuss - das ist aber nicht der Fall, sondern wir haben ja nur selektive Vertretungen. Und ich will den Vertretern das auf keinen Fall unterstellen, dass sie ausschließlich für ihre Partikularinteressen kämpfen, aber implizit tut man das doch irgendwie.“
Dadurch bekämen nicht alle Interessen die gleiche Aufmerksamkeit, erklärt Daumann. Gerecht wäre, von jeder Sportart eine Vertretung in der Politik sitzen zu haben – oder eben gar keine.

Sportkontakte werden für politische Arbeit genutzt

Auch die ehemalige Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD) war während ihrer Amtszeit Vizepräsidentin im Deutschen Leichtathletik-Verband. Schnell war sie von den Medien als die Top-Lobbyistin für den Sport ausgemacht, aber "Mein Fanclub im früheren Deutschen Sportbund und später im Deutschen Olympischen Sportbund war, sagen wir mal, eher sehr begrenzt, weil ich denen eben auf die Finger geschaut habe", erinnert sich Freitag. Dennoch hat auch sie ihre Leichtathletik-Kontakte für die politische Arbeit genutzt und Persönlichkeiten aus der Leichtathletik wie Sebastian Coe, heute Präsident des Weltleichtathletikverbands, in die Sitzung eingeladen.
„Es ist nicht falsch, wenn auch Sachverstand bei den Abgeordneten schon da ist. Aber entscheidend ist eben immer, dass man sich nicht mit einer Sache, die einen aus der anderen Tätigkeit betrifft, gemeinmacht. Das muss man in den Griff bekommen. Aber das liegt an jeder Person selber.“

Interessenkonflikte werden kaum diskutiert

Ein Sportausschuss ohne Personen mit Sport-Knowhow würde das Gremium wohl auch nicht weiterbringen. So richtig diskutiert werden die möglichen Interessenkonflikte der Ausschussmitglieder mit Doppelrollen aber nicht, erzählt Philip Krämer von den Grünen. Er ist stellvertretender Vorsitzender im aktuellen Sportausschuss. „Im Sportausschuss haben wir die Debatten selten geführt, oftmals habe ich so den Eindruck, dass man dann doch sehr eng beieinander ist und dass eben da eine kritische Distanz mitunter fehlen kann.“
Auf die inhaltlichen Diskussionen habe das aber keinen Einfluss, so Krämer.

Interessenkonflikte sind Ansichtssache

Auch er hat eine Doppelrolle: Krämer ist Mitglied im parlamentarischen Beirat von Teamsport Deutschland, dem Interessenverband der fünf größten Mannschaftssportverbände. Der Zusammenschluss vertritt die Interessen des Mannschaftssports im Sport, in der Wirtschaft und auch gegenüber der Politik.
„Da würde ich jetzt erst mal keinen Interessenkonflikt sehen", sagt Krämer im Deutschlandfunk-Interview. Er habe durch seine Beiratsfunktion keine Mitwirkungs- und auch keine Mitentscheidungskraft in den Spitzenligen und sieht den Zusammenschluss eher: „Als Runde, in der man insbesondere den Austausch zwischen Sport und Politik fördert.“
Wie transparent man mit Interessenkonflikten oder auch seiner Vergangenheit umgeht, ist von der Integrität der Person abhängig: Der aktuelle Sportausschuss-Vorsitzende Frank Ullrich ist ein ehemaliger Biathlet und DDR-Trainer mit fragwürdiger Doping-Vergangenheit. Um Vorwürfe und offene Fragen aufzuklären, wollte Ullrich ein unabhängiges Gutachten in Auftrag geben – nach über einem Jahr steht das immer noch aus.

Öffentliche Sitzungen machen den Sportausschuss wieder transparenter

„Ich eröffne die 42. Sitzung des Sportausschusses. Die Sitzung ist öffentlich. Ich heiße auch die Gäste, die uns auf den Besuchertribünen hier verfolgen und auch per Webbex zur Verfügung stehen, ganz herzlich willkommen.“
Zumindest die Sitzungen des Sportausschusses im Deutschen Bundestag tagen seit 2022 wieder öffentlich. Sie werden jetzt auch aufgezeichnet und im Internet zur Verfügung gestellt. Davor waren seit 2011 nur selten Sitzungen öffentlich. Vor allem die Union mit ihrem damaligen Sportsprecher Klaus Riegert hatte die Schließung damals durchgesetzt, weil sie mit der kritischen Berichterstattung der Medien unzufrieden war.

Bürger und Medien als Kontrolleure Ausschussmitglieder

Für Sportökonom Frank Daumann sind aber die Presse und auch die interessierten Bürger die Kontrolleure des Sportausschusses: 
„Die Presse muss halt hier vielleicht bestimmte Defizite aufzeigen oder hinterfragen, warum werden die Entscheidungen in diese Richtung getroffen und so weiter. Dass die Presse halt vor dem Hintergrund auch den Finger in die Wunde legt oder halt mal aufzeigt, wo könnte ein Problem vorhanden sein.“