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Sportförderung in Deutschland
"Gesellschaftliche Legitimation erhalten"

Ein Wechsel in der Bundesregierung dürfte auch einen Wechsel in der Sportpolitik bedeuten. Sportsoziologin Carmen Borggrefe benennt im Dlf eine Reihe zentraler Problembereiche im Spitzensport. Vom DOSB wünsche sie sich, dass die Einheit des Sportsystems erhalten bleibe.

Carmen Borggrefe im Gespräch mit Astrid Rawohl |
    Das Team aus Deutschland, GER, marschiert ein, die Beachvolleyballerin Laura Ludwig und der Turmspringer Patrick Hausding tragen die deutsche Flagge
    Deutsches Team bei Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele Tokio 2020 (picture alliance / SVEN SIMON | Anke Waelischmiller/Sven Simon)

    Der Regierungswechsel in Deutschland betrifft auch den Sport. Die künftige Ampelkoalition hat sich für den Sport ein ehrgeiziges Programm auferlegt. Wie es in Zukunft mit dem Spitzensport weitergehen soll, dazu gebe es im Koalitionsvertrag eher diffuse und allgemeine Aussagen, sagte Sportsoziologin Carmen Borggrefe von der Universität Stuttgart im Dlf.

    Man erkenne allgemeine ethische Werte in Bezug auf die Ausrichtung von Sportgroßveranstaltungen wie Olympische Spiele. Interessant wäre es aus Sicht der Sportsoziologin, eine nationale Strategie zu entwickeln. "Wie kann man es schaffen, solche Veranstaltungen nach Deutschland zu holen? Weil das, glaube ich, für den gesellschaftlichen Stellenwert, für die Präsenz des Spitzensports, ein ganz wichtiger Faktor wäre."

    Kein zusätzlicher Medaillendruck, sondern Ursachenforschung

    In welche Richtung der Spitzensport zukünftig gehen soll, hängt laut Borggrefe auch davon ab, dass man die Leistungssportförderung nicht mehr primär am Medaillenerfolg ausrichtet. "Hier muss man auch meiner Sicht gar keinen zusätzlichen Druck im System erzeugen."


    Man müsse sich vielmehr fragen, warum deutsche Athletinnen und Athleten im internationalen Vergleich nicht mehr so erfolgreich sind? Dazu hat die Deutsche Sporthochschule gemeinsam mit der Sporthilfe eine Studie veröffentlicht, in der die Athleten selbst zu Wort gekommen sind.

    Die zentralen Problembereiche im Spitzensport seien demnach:

    • soziale Umfeld-Bedingungen
    • finanzielle Lage
    • Möglichkeit dualer Karrieren
    • Trainer-Athlet-Beziehung
    • Anti-Doping-Kampf aufrechterhalten
    • Prävention sexualisierter Gewalt
    • allgemeine Wertschätzung des Spitzensports in der Gesellschaft

    "Und das ist aus meiner Sicht der zentrale Punkt, wo man intervenieren muss", so Borggrefe: "Diese gesellschaftliche Legitimation des Spitzensports zu erhalten und das System-Vertrauen zu erhalten bei den zentralen Akteuren."Zweifel an Erfolg zentraler Prozess-Steuerung
    Die zentrale Frage lautet also laut Borggrefe: "Wie kann man den Spitzensport als gesellschaftlichen Bereich erhalten, unter den Bedingungen, die wir in Deutschland haben?" Dazu müsse man die Systemprobleme des Spitzensports angehen.

    Diese Themen sind allerdings nicht neu. Man müsse in den speziell deutschen Sportstrukturen mit einem föderalen System, den DOSB unterstützt vom BMI, den Spitzen- und Landesverbänden, den Landessportbänden, Olympiastützpunkten bis hin zu den Vereinen bestmögliche Forderstrukturen bekommen.

    "Wenn ich jetzt auf die aktuelle Struktur gucke, dass der DOSB versucht, über Konzeptentwicklung dort zentral im Zusammenspiel mit den Spitzenverbänden solche Prozesse zu steuern, stelle ich mir die Frage: Geht das zentral? Geht das von Frankfurt aus und geht es von den Zentralen der jeweiligen Spitzenverbände aus - dort, wo die Athleten sind, dort, wo dezentrale Strukturen sind, das optimal zu verknüpfen und zu erreichen?"

    Man könne allgemeine Strukturen nicht auf alle Sportarten anwenden. "Denken Sie an Sportarten mit hoher Standort-Spezifität im Wintersport. Da haben Sie andere Anforderungen als in der Leichtathletik oder ein Mannschaftssport an, wo es wieder ganz anders ist."

    Wunsch an neue DOSB-Führung: Einheit des Sportsystems erhalten

    Von dem bald neu aufgestellten Führungsteam des DOSB wünscht sich Borggrefe, dass die Einheit des Sportsystems weiter erhalten wird:

    "Dass man versucht, die Dinge, die aus meiner in meiner Wahrnehmung im DOSB auch auseinandergedriftet sind, allgemeine Aspekte der Sportentwicklung in Spritzensport zusammendenkt, um dort eine Entwicklung anzuregen, die die Menschen mitnimmt und die keine Trennung macht zwischen Breitensport und Spitzensport, sondern die föderalen Strukturen und das, was den Sport in Deutschland auszeichnet, diese enorme Inklusionsfähigkeit weitererhält, ohne dort eine Spaltung herbeizuführen."