Schule und Bewegung
Welche Rolle Sportvereine bei der Ganztagsbetreuung spielen können

Knapp die Hälfte aller Schüler und Schülerinnen in Deutschland nehmen am Ganztagsunterricht teil, die Zahlen werden in den kommenden Jahren steigen. Dass an diesen langen Schultagen die Bewegung nicht zu kurz kommt, dafür können Sportvereine sorgen.

Von Sabine Lerche |
Grundschulkinder beim Fußballspielen in der Halle, im Vordergrund ein Ball
Die Fußball-AG wird vom TSC Eintracht Dortmund durchgeführt und ist eine von knapp 50 AG-Angeboten, die der TSC an verschiedenen Schulen nachmittags anbietet. (Deutschlandradio/Sabine Lerche)
In der Halle der Ostenberg Grundschule in Dortmund jagen fünf Mädchen einem Fußball hinterher. Sie nehmen an der Mädchenfußball AG im Ganztagsangebot teil. Die AG wird vom TSC Eintracht Dortmund durchgeführt und ist eine von knapp 50 AG-Angeboten, die der TSC an verschiedenen Schulen in Dortmund als Kooperationspartner nachmittags anbietet.
Vor allem die Sport-Mix AG und das allgemeine Bewegungsangebot sind beliebt. Es gibt aber auch ein paar sportartspezifische Angebote: Tanzen, Handball, Hockey oder eben Mädchenfußball. Matti leitet die AG. In ein paar Tagen wird er 20, er macht gerade beim TSC sein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport. Die AG ist kein klassisches Fußballtraining wie im Verein:
„Ja, manchmal mache ich noch so ein paar Übungen, aber oft diesen Elfmeterkönig, damit sie den Schuss verbessern, weil: Das macht auch am meisten Spaß. Die Mädchen kommen ja hier auch eigentlich nur, um Spaß zu haben. Und wenn sie dann richtig Lust auf Fußball bekommen, hier bei Spielen oder so, dann können sie sich auch in einem Verein anmelden.“
„Wenn wir so Schwerpunkte haben wie jetzt hier beim Mädchenfußball, dann gucken wir, dass wir das alles spielerisch rüberbringen“, ergänzt Sandra Anders, beim TSC zuständig für die Angebote an Schulen und Kitas. „Klar gibt es manchmal auch - wenn es gewünscht ist - auch mal so eine kleine, richtige Fußballeinheit. Aber sonst ist es oft spielerisch angelehnt.“
Da ist es dann auch mal nicht so schlimm, wenn plötzlich zwei Mädchen im Tor stehen oder der Abstoß wie ein Einwurf aussieht. Es wird viel gespielt - mit und ohne Ball. Hauptsache, es macht Spaß. Und die Mädchen haben Gelegenheit, sich auszutoben.

Bei mehr Ganztagsunterricht braucht es auch mehr Bewegungsangebote

„Sport allgemein ist wichtig und ich glaube, es ist immer das Schulfach, was am ehesten auch ausfallen kann in Schulen. Und deshalb ist es so wichtig - vor allem im Hinblick auf 2026, wenn der Ganztag verpflichtend wird -, jetzt schon sozusagen den Fuß in der Tür zu haben. Um den Kindern trotzdem motorische Fähigkeiten, den Sport einfach nahezubringen. Und wir als Sportverein möchten natürlich da auch fördern, aber auch bewegungsfreundliche Angebote gestalten.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Wer zum Schuljahr 2026/2027 eingeschult wird, hat einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Schule. Schon jetzt besucht ungefähr die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland Ganztagsangebote. Und wenn ein Schultag von 8 bis 16 Uhr dauert, sollte es auch ausreichend Bewegungsangebote geben. Aber: Wer führt die durch?

Sport im Ganztag kann nicht nur ehrenamtlich laufen

Schulen könnten das alleine nicht stemmen, sagt Mark Pfeiffer, Sportwissenschaftler an der Universität Mainz. Aber auch für Sportvereine ist es schwierig:
„Es ist einmal das Personal, nämlich das Ehrenamt. Wer hat denn um 14 Uhr schon Zeit dafür? Das heißt, hier geht es auch mit einer Professionalisierung der Sportvereine einher. Das heißt, hier müssten Übungsleiter und Übungsleiterinnen bezahlt werden oder zumindest die finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Das ist sicherlich ein Problem.“
Der TSC in Dortmund nutzt für seine Angebote viele verschiedene Personalressourcen. Dazu gehören FSJler wie Matti und Minijobber, auch manche Übungsleiter, die schon nachmittags Zeit haben und vor allem zehn Studierende. Um eine AG des TSC zu leiten, reicht eine Übungsleiter C-Lizenz. Der Verein bietet auch Fortbildungen und Infomaterial an, um sich auf die AG-Stunden vorzubereiten.

Für lebenslange Freude an Bewegung Sportvielfalt nötig

Mark Pfeiffer sieht aber noch ein zweites Problem: Vereine würden in Nachmittags-AGs oft nur die Sportarten-Klassiker anbieten. Die Angebote müssten aber vielfältig sein, damit Kinder individuell eine Sportart finden, die ihnen so viel Spaß macht, dass sie Freude an einer lebenslangen Bewegung entwickeln.
Als Großsportverein mit 9.000 Mitgliedern und fast 40 verschiedenen Sparten kann der TSC in Dortmund viel anbieten. Genutzt werden dafür die schuleigenen Hallen oder Pausenhöfe. Die optimale Lösung, findet Sportwissenschaftler Pfeiffer: „Die Formel, dass die Schule sozusagen die Infrastruktur zur Verfügung stellt und die Sportvereine dann die Expertise, das ist sicherlich eine Lösung für die Zukunft.“
„Wir sind gut aufgestellt, das ist vielleicht unser Vorteil“, sagt auch Sandra Anders vom TSC.

Ganztag: Herausforderung, aber auch Chance für Sportvereine

Sandra Anders weiter: „Aber ich glaube, dass jeder Verein eigentlich - vielleicht nicht in dem Ausmaß, aber vielleicht auch vereinzelt - Sport in die Schulen und Kitas bringen kann. Und ich glaube, dass auch kleine Vereine einfach mutig sein sollten oder offen zumindest sein sollten, um diesen Schritt halt auch zu wagen.“
Die Sportvereine sollten die Ganztagsangebote für sich nutzen, appelliert auch Sportwissenschaftler Pfeiffer: „Ich sehe das als Chance, dass alle Kinder durch die Schulpflicht in der Schule sind und man dort auch alle Kinder abholen kann. Das kann der Sportverein nicht. Der Sportverein ist sehr stark darauf angewiesen, dass die Eltern die Initiative ergreifen und die Kinder in den Sportverein bringen. Das ist der große Vorteil, wenn sich Vereine mit der Schule in Form von Kooperationen zusammentun.“
Der TSC Eintracht Dortmund erhebt keine Zahlen, wie viele Kinder aus den AGs am Ende tatsächlich eine Vereinsmitgliedschaft haben. Das sei nur ein netter Nebeneffekt, sagt Sandra Anders. Ihr ist vor allem wichtig, dass mehr Sport im Ganztagsunterricht angeboten wird. Die Verantwortung dafür sieht sie auch bei den Sportvereinen: 
„Dass wir tatsächlich die Kinder in Bewegung kriegen, nicht nur mit unseren Sportprogrammen, also nicht nur mit unserem Abteilungssport und nicht mit unseren Kinderkursen, sondern, dass wir uns dahingehend einsetzen als Verein, dass wir auch außerhalb unserer Vereinsfunktion ein bewegungsfreundliches Angebot für Kinder schaffen.“