Bettina Klein: Wenn sich ein Politiker wie Friedrich Merz gegen die derzeit praktizierte Politik seiner Partei wendet und dies mit Konsequenzen verbindet, ist dies das eine. Wenn ein stellvertretender Fraktionschef resignative Tendenzen bei der Regierungsarbeit in der Großen Koalition auch bei sich zu entdecken scheint und in dem Verhalten seines Kollegen keinen Einzelfall sieht, bekommt das Thema möglicherweise eine weitere Dimension.
Regierungsmüdigkeit in der Unionsfraktion? Darüber wollen wir sprechen mit Michael Spreng, einst Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber, vertraut mit dem Innenleben der Union. Ich grüße Sie, Herr Spreng!
Michael Spreng: Guten Morgen, Frau Klein!
Klein: Ist das für Sie symptomatisch, was im Augenblick in der Union passiert, oder sind das Einzelfälle aus Ihrer Sicht?
Spreng: Ich gehe davon aus, dass das Einzelfälle sind. Im Fall Merz ist es ja schon eine lange Entwicklung, die zu diesem Schritt geführt hat, die sowohl politische als auch persönliche Gründe hat. Es ist ja auch eine langjährige Rivalität mit Angela Merkel. Und im Fall Bosbach: Herr Bosbach stand ja der Großen Koalition von Anfang an skeptisch gegenüber und hat es ja auch abgelehnt, Kanzleramtschef zu werden, weil ihm diese Große Koalition und die Kompromisse, die man da machen muss, von Anfang an nicht behagt haben. Diese Stimmung ist mit Sicherheit in der Fraktion auch weiter verbreitet, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es weitere Abgeordnete gibt, die daraus Konsequenzen ziehen.
Klein: Für viele war es dennoch sehr erstaunlich, wie offen Wolfgang Bosbach gestern Morgen hier im Deutschlandfunk über seine Zweifel und seine Gefühle gesprochen hat, jemand den man sich bisher als begeisterten Politiker vorgestellt hat:
"Ich habe mir auch selber meine Gedanken gemacht. Ich war schon etwas erschrocken, mit Friedrich Merz einen guten Kollegen und Freund dann in der Fraktion zu verlieren. Dann habe ich gedacht für mich, 'noch bist du nicht so weit", und dann war ich erschrocken über das Wort 'noch'."
Klein: Erschrocken über das Wort "noch". - Herr Spreng, man fragt sich natürlich doch, was für ein Bild gibt eine Fraktion ab, in der auch ein stellvertretender Vorsitzender so öffentlich und so klar doch zumindest sagt, gut geht es uns mit dem, was wir hier machen, nicht.
Spreng: Ja gut. Zurzeit ist natürlich der Unmut besonders groß. Das ist noch eine Nachwirkung der Gesundheitsreform, die ja fast das Gegenteil von dem ist, was die CDU einst auf ihrem Leipziger Parteitag beschlossen hat. Das ist natürlich ein Grund im Augenblick für großen Unmut und hat mit Sicherheit bei Friedrich Merz jetzt auch den letzten Ausschlag gegeben. Denn er hat ja noch einen Versuch gemacht, mit juristischen Gründen diese Gesundheitsreform abzuwenden, und war damit auch in der Fraktion gescheitert. Diese Nachwirkungen machen sich im Augenblick besonders bemerkbar.
Klein: Welche Verantwortung für diese Entwicklungen und für das Bild trägt die Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel?
Spreng: Natürlich trägt sie die Verantwortung dafür, denn sie gibt nun mal den politischen Kurs vor und exekutiert ihn in der Großen Koalition. Aber auch Frau Merkel unterliegt den Zwängen einer Großen Koalition. Dies führt dazu, dass es keine lupenreine CDU-Politik gibt, dass in entscheidenden Punkten die CDU sogar dem widerspricht, was sie noch vor einiger Zeit beschlossen hat. Aber es ist auch eine Folge einer Wandlung von Frau Merkel selbst, denn sie hat ja festgestellt, dass ihr eher wirtschaftsliberaler Kurs im Bundestagswahlkampf zu schlechten Ergebnissen geführt hat. Die 35,2 Prozent waren ja eher eine Wahlniederlage gegenüber der Bundestagswahl davor. Sie hat selbst auch die Konsequenz daraus gezogen, dass die Union wieder sozialer werden muss und auch ihren sozialen Flügel wiederentdecken muss, und das ist ja auch auf dem letzten CDU-Parteitag passiert mit dem Beschluss, beispielsweise die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes II wieder zu verlängern.
Klein: Müsste sie dennoch dafür sorgen, dass auch solche Köpfe wie Friedrich Merz zum Beispiel in der Volkspartei Union eine politische Perspektive für sich sehen, oder ist das überhaupt nicht möglich, während man gleichzeitig in einer Großen Koalition arbeitet?
Spreng: Merz und Merkel ist natürlich ein Spezialverhältnis. Sie haben eines gemeinsam, das Denkmal Helmut Kohl gestürzt. Aber im Laufe der Entwicklung sind sie zu Rivalen geworden, der eine als Fraktionsvorsitzende, die andere als Parteivorsitzende. Beide hatten Ambitionen, Kanzlerkandidat und Kanzler zu werden, und man kann solche Positionen nicht mit einem anderen, sondern dann nur gegeneinander erringen, wenn er dieselbe Ambition hat. Daraus hat sich diese langjährige Rivalität entwickelt. Aber Frau Merkel hat noch im letzten Bundestagswahlkampf Friedrich Merz angeboten, in ihr Kompetenzteam, in ihre Ministermannschaft einzutreten. Das hat Merz abgelehnt, weil Frau Merkel ihm nicht garantieren konnte, dass er nach der Wahl Finanzminister wird. Denn diese Position wurde damals ja noch blockiert durch den Superminister-Anspruch von Edmund Stoiber.
Klein: Nur persönliche Rivalität, oder ist es vielleicht doch so, dass es früher etwas anders war in der Union, in anderen Volksparteien wie der SPD vielleicht auch, dass dort mehr Raum war auch für profiliertere Persönlichkeiten ganz unterschiedlichen Spektrums?
Spreng: Wenn, ist das schon sehr lange her, würde ich sagen. Denken Sie aber an Herbert Wehner. Die profilierten Persönlichkeiten waren eher an der Spitze, und alle anderen wurden auch massiv diszipliniert. Das ist zum Beispiel bei der SPD eine lange Tradition, aber auch in der CDU, wenn sie in der Regierung ist. Also ich glaube, profilierte Persönlichkeiten gab es immer wieder. Es gibt auch welche, die in der Politik gescheitert sind, wie zum Beispiel auch Gerd Bucerius bei der CDU, der feststellen musste, dass er politisch nicht weiter kam. Es hat immer wieder herausragende Persönlichkeiten gegeben, die aber mit den Zwängen der Politik am Ende nicht zurechtgekommen sind.
Klein: Unter dem Strich, Herr Spreng, der Wirtschaftsflügel der Union beklagt jetzt eine Schwächung durch den Verlust einer Figur wie Friedrich Merz. Ist das berechtigt?
Spreng: Mit Sicherheit ist dieser Flügel geschwächt, denn Friedrich Merz war ein blendender Rhetoriker. Er war eine Führungsfigur des wirtschaftsliberalen Flügels. Und es ist ja zu bemerken, siehe CDU-Parteitag, der den Vorstellungen von Herrn Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen gefolgt ist, dass eindeutig die CDU das Soziale wiederentdeckt hat, aber das muss ja kein Fehler sein, denn um mehrheitsfähig zu sein müssen alle Flügel der CDU in der Politik repräsentiert sein und nicht nur der Wirtschaftsflügel.
Klein: Michael Spreng war das. Danke für das Gespräch.
Spreng: Dankeschön.
Regierungsmüdigkeit in der Unionsfraktion? Darüber wollen wir sprechen mit Michael Spreng, einst Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber, vertraut mit dem Innenleben der Union. Ich grüße Sie, Herr Spreng!
Michael Spreng: Guten Morgen, Frau Klein!
Klein: Ist das für Sie symptomatisch, was im Augenblick in der Union passiert, oder sind das Einzelfälle aus Ihrer Sicht?
Spreng: Ich gehe davon aus, dass das Einzelfälle sind. Im Fall Merz ist es ja schon eine lange Entwicklung, die zu diesem Schritt geführt hat, die sowohl politische als auch persönliche Gründe hat. Es ist ja auch eine langjährige Rivalität mit Angela Merkel. Und im Fall Bosbach: Herr Bosbach stand ja der Großen Koalition von Anfang an skeptisch gegenüber und hat es ja auch abgelehnt, Kanzleramtschef zu werden, weil ihm diese Große Koalition und die Kompromisse, die man da machen muss, von Anfang an nicht behagt haben. Diese Stimmung ist mit Sicherheit in der Fraktion auch weiter verbreitet, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es weitere Abgeordnete gibt, die daraus Konsequenzen ziehen.
Klein: Für viele war es dennoch sehr erstaunlich, wie offen Wolfgang Bosbach gestern Morgen hier im Deutschlandfunk über seine Zweifel und seine Gefühle gesprochen hat, jemand den man sich bisher als begeisterten Politiker vorgestellt hat:
"Ich habe mir auch selber meine Gedanken gemacht. Ich war schon etwas erschrocken, mit Friedrich Merz einen guten Kollegen und Freund dann in der Fraktion zu verlieren. Dann habe ich gedacht für mich, 'noch bist du nicht so weit", und dann war ich erschrocken über das Wort 'noch'."
Klein: Erschrocken über das Wort "noch". - Herr Spreng, man fragt sich natürlich doch, was für ein Bild gibt eine Fraktion ab, in der auch ein stellvertretender Vorsitzender so öffentlich und so klar doch zumindest sagt, gut geht es uns mit dem, was wir hier machen, nicht.
Spreng: Ja gut. Zurzeit ist natürlich der Unmut besonders groß. Das ist noch eine Nachwirkung der Gesundheitsreform, die ja fast das Gegenteil von dem ist, was die CDU einst auf ihrem Leipziger Parteitag beschlossen hat. Das ist natürlich ein Grund im Augenblick für großen Unmut und hat mit Sicherheit bei Friedrich Merz jetzt auch den letzten Ausschlag gegeben. Denn er hat ja noch einen Versuch gemacht, mit juristischen Gründen diese Gesundheitsreform abzuwenden, und war damit auch in der Fraktion gescheitert. Diese Nachwirkungen machen sich im Augenblick besonders bemerkbar.
Klein: Welche Verantwortung für diese Entwicklungen und für das Bild trägt die Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel?
Spreng: Natürlich trägt sie die Verantwortung dafür, denn sie gibt nun mal den politischen Kurs vor und exekutiert ihn in der Großen Koalition. Aber auch Frau Merkel unterliegt den Zwängen einer Großen Koalition. Dies führt dazu, dass es keine lupenreine CDU-Politik gibt, dass in entscheidenden Punkten die CDU sogar dem widerspricht, was sie noch vor einiger Zeit beschlossen hat. Aber es ist auch eine Folge einer Wandlung von Frau Merkel selbst, denn sie hat ja festgestellt, dass ihr eher wirtschaftsliberaler Kurs im Bundestagswahlkampf zu schlechten Ergebnissen geführt hat. Die 35,2 Prozent waren ja eher eine Wahlniederlage gegenüber der Bundestagswahl davor. Sie hat selbst auch die Konsequenz daraus gezogen, dass die Union wieder sozialer werden muss und auch ihren sozialen Flügel wiederentdecken muss, und das ist ja auch auf dem letzten CDU-Parteitag passiert mit dem Beschluss, beispielsweise die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes II wieder zu verlängern.
Klein: Müsste sie dennoch dafür sorgen, dass auch solche Köpfe wie Friedrich Merz zum Beispiel in der Volkspartei Union eine politische Perspektive für sich sehen, oder ist das überhaupt nicht möglich, während man gleichzeitig in einer Großen Koalition arbeitet?
Spreng: Merz und Merkel ist natürlich ein Spezialverhältnis. Sie haben eines gemeinsam, das Denkmal Helmut Kohl gestürzt. Aber im Laufe der Entwicklung sind sie zu Rivalen geworden, der eine als Fraktionsvorsitzende, die andere als Parteivorsitzende. Beide hatten Ambitionen, Kanzlerkandidat und Kanzler zu werden, und man kann solche Positionen nicht mit einem anderen, sondern dann nur gegeneinander erringen, wenn er dieselbe Ambition hat. Daraus hat sich diese langjährige Rivalität entwickelt. Aber Frau Merkel hat noch im letzten Bundestagswahlkampf Friedrich Merz angeboten, in ihr Kompetenzteam, in ihre Ministermannschaft einzutreten. Das hat Merz abgelehnt, weil Frau Merkel ihm nicht garantieren konnte, dass er nach der Wahl Finanzminister wird. Denn diese Position wurde damals ja noch blockiert durch den Superminister-Anspruch von Edmund Stoiber.
Klein: Nur persönliche Rivalität, oder ist es vielleicht doch so, dass es früher etwas anders war in der Union, in anderen Volksparteien wie der SPD vielleicht auch, dass dort mehr Raum war auch für profiliertere Persönlichkeiten ganz unterschiedlichen Spektrums?
Spreng: Wenn, ist das schon sehr lange her, würde ich sagen. Denken Sie aber an Herbert Wehner. Die profilierten Persönlichkeiten waren eher an der Spitze, und alle anderen wurden auch massiv diszipliniert. Das ist zum Beispiel bei der SPD eine lange Tradition, aber auch in der CDU, wenn sie in der Regierung ist. Also ich glaube, profilierte Persönlichkeiten gab es immer wieder. Es gibt auch welche, die in der Politik gescheitert sind, wie zum Beispiel auch Gerd Bucerius bei der CDU, der feststellen musste, dass er politisch nicht weiter kam. Es hat immer wieder herausragende Persönlichkeiten gegeben, die aber mit den Zwängen der Politik am Ende nicht zurechtgekommen sind.
Klein: Unter dem Strich, Herr Spreng, der Wirtschaftsflügel der Union beklagt jetzt eine Schwächung durch den Verlust einer Figur wie Friedrich Merz. Ist das berechtigt?
Spreng: Mit Sicherheit ist dieser Flügel geschwächt, denn Friedrich Merz war ein blendender Rhetoriker. Er war eine Führungsfigur des wirtschaftsliberalen Flügels. Und es ist ja zu bemerken, siehe CDU-Parteitag, der den Vorstellungen von Herrn Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen gefolgt ist, dass eindeutig die CDU das Soziale wiederentdeckt hat, aber das muss ja kein Fehler sein, denn um mehrheitsfähig zu sein müssen alle Flügel der CDU in der Politik repräsentiert sein und nicht nur der Wirtschaftsflügel.
Klein: Michael Spreng war das. Danke für das Gespräch.
Spreng: Dankeschön.