Zwei Reliefs eines nie errichteten Wagner-Denkmals sind wieder in Leipzig eingetroffen. Der Bildhauer Emil Hipp hat sie nach über 80 Jahren für den Richard-Wagner-Hain geschaffen. Nun haben Kulturinstitutionen die lange verschwundenen Werke angekauft – sie sollen ein zwiespältiges Kapitel Musikgeschichte dokumentieren.
"Mit dem Wunsch und Willen des großen Meisters zu entsprechen lege ich - zum ewigen Zeugnis und zur immerwährenden Mahnung - den Grundstein zum deutschen Nationaldenkmal Richard Wagners."
Adolf Hitler am 6. März 1934 in Leipzig, der Geburtsstadt von Richard Wagner. Der selbsternannte Führer und Reichskanzler hatte sich das geplante größte Wagner-Monument aller Zeiten zur Chefsache gemacht. Die Anlage am Leipziger Elsterflutbecken sollte etwa die Größe eines Fußballfeldes umfassen. Zwei Jahre zuvor, 1932, also noch unter demokratischen Vorzeichen, hatte die Stadt den Bildhauer Emil Hipp mit der Ausführung des Denkmals beauftragt. Bis 1944 hatte er sämtliche Teile fertig, doch aus nachvollziehbaren Gründen wurde das Denkmal nicht mehr verwirklicht.
Adolf Hitler am 6. März 1934 in Leipzig, der Geburtsstadt von Richard Wagner. Der selbsternannte Führer und Reichskanzler hatte sich das geplante größte Wagner-Monument aller Zeiten zur Chefsache gemacht. Die Anlage am Leipziger Elsterflutbecken sollte etwa die Größe eines Fußballfeldes umfassen. Zwei Jahre zuvor, 1932, also noch unter demokratischen Vorzeichen, hatte die Stadt den Bildhauer Emil Hipp mit der Ausführung des Denkmals beauftragt. Bis 1944 hatte er sämtliche Teile fertig, doch aus nachvollziehbaren Gründen wurde das Denkmal nicht mehr verwirklicht.
Nun haben die Stadt und der Ortsverband Leipzig des Richard-Wagner-Verbandes zwei Teile des Monuments angekauft. Das Stadtgeschichtliche Museum und der Ortsverband Leipzig des Richard-Wagner-Verbandes haben sich die Last des Ankaufs finanziell geteilt.
Durch Hitlers Grundsteinlegung Unschuld verloren
Zwei Meter mal ein Meter groß ist das eine der beiden Reliefs, es wiegt rund eine halbe Tonne. Zu sehen ist, in stilisierter Form, eine Szene aus Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg". Der Schuster Hans Sachs bei der Arbeit, mit ernstem, konzentriertem Gesicht.
"Er hat da einen Hammer in der Hand, sitzt auf einem Schemel, und was ich sehr schön finde: Der Stein ist hell, also das ist ein Kalkstein, der ist so ein bisschen porös, aber sieht im Grunde aus, als wäre nicht viel Zeit vergangen."
"Durch Hitlers Grundsteinlegung hatte das einfach im Grunde seine Unschuld verloren, sagt Kuratorin Kerstin Sieblist über das geplante Denkmal. "Und deshalb kam dann auch keiner auf die Idee, das 1945 hierherzuholen, das war wirklich vom Tisch!"
"Durch Hitlers Grundsteinlegung hatte das einfach im Grunde seine Unschuld verloren, sagt Kuratorin Kerstin Sieblist über das geplante Denkmal. "Und deshalb kam dann auch keiner auf die Idee, das 1945 hierherzuholen, das war wirklich vom Tisch!"
"Es war ja vollständig bezahlt von der Stadt Leipzig", sagt der Musikwissenschaftler und Vorsitzende des Leipziger Richard-Wagner-Verbands Helmut Loos. Die einzelnen Teile standen nach Kriegsende auf dem Gelände eines Steinmetzbetriebs im bayerischen Kiefersfelden.
"Daraufhin hat die Firma dieses Denkmal in Einzelstücken in alle Winde verstreut verkauft."
"Daraufhin hat die Firma dieses Denkmal in Einzelstücken in alle Winde verstreut verkauft."
Reliefs als Dokumente einer zwiespältigen Geschichte
Der Privatmann aus Rosenheim hatte nicht nur das Hans-Sachs-Relief erworben, sondern auch noch ein erheblich größeres - mit einem Gewicht von 2,8 Tonnen. Das stand bis vor kurzem noch in seinem Garten. Es war ihm ein Anliegen, beide Stücke nach Leipzig zu verkaufen, erzählt Helmut Loos.
"Ich bekam also einfach das Angebot. Hab dann gesagt, wir müssen diese besondere Geschichte der Wagner-Rezeption in Leipzig irgendwie dokumentieren."
Über die Kaufsumme, die das Stadtgeschichtliche Museum und der Wagner-Verband Leipzig für die Reliefs gezahlt haben, wurde Stillschweigen vereinbart. Für Anselm Hartinger, den Direktor des Museums, ist der Ankauf des Hans-Sachs-Reliefs von größter Wichtigkeit, dokumentiert er doch ein zwiespältiges Kapitel Musikgeschichte.
"1936 wird das Mendelssohn-Denkmal abgerissen, das ist sozusagen einer der großen Erinnerungspunkte im 20. Jahrhundert. Diese beiden Dinge sind für uns so spannend, weil man da eben eine große Bruchlinie eben sehen kann, einen Kampf um die Deutungshoheit der Musikstadt Leipzig!"
"Ich bekam also einfach das Angebot. Hab dann gesagt, wir müssen diese besondere Geschichte der Wagner-Rezeption in Leipzig irgendwie dokumentieren."
Über die Kaufsumme, die das Stadtgeschichtliche Museum und der Wagner-Verband Leipzig für die Reliefs gezahlt haben, wurde Stillschweigen vereinbart. Für Anselm Hartinger, den Direktor des Museums, ist der Ankauf des Hans-Sachs-Reliefs von größter Wichtigkeit, dokumentiert er doch ein zwiespältiges Kapitel Musikgeschichte.
"1936 wird das Mendelssohn-Denkmal abgerissen, das ist sozusagen einer der großen Erinnerungspunkte im 20. Jahrhundert. Diese beiden Dinge sind für uns so spannend, weil man da eben eine große Bruchlinie eben sehen kann, einen Kampf um die Deutungshoheit der Musikstadt Leipzig!"
Nazikunst oder nicht?
Dieser Kampf manifestiert sich auch in der Person des Bildhauers. Sind die steinernen Reliefs, die Szenen aus Wagners Opernschaffen zeigen, nun "Nazikunst" oder nicht?
"Emil Hipp gilt in dem Sinne nicht als Nazikünstler", sagt Kuratorin Kerstin Sieblist.
"Aber er hat natürlich eben auch Aufträge in der Zeit bekommen. So ist es wohl, dass er für Hitlers Arbeitszimmer wohl auch Sachen gefertigt hat. Und das tut seinem Werk und seinem Ruf nicht gut."
"Das ist der typische Klassizismus, den wir in dieser Zeit haben", beschreibt Leipzigs Wagner-Verbandschef Helmut Loos den Stil von Emil Hipp. "Der sich an antiken Vorbildern orientiert, und die jetzt eben in diese deutsche Mythologie übersetzt."
"Emil Hipp gilt in dem Sinne nicht als Nazikünstler", sagt Kuratorin Kerstin Sieblist.
"Aber er hat natürlich eben auch Aufträge in der Zeit bekommen. So ist es wohl, dass er für Hitlers Arbeitszimmer wohl auch Sachen gefertigt hat. Und das tut seinem Werk und seinem Ruf nicht gut."
"Das ist der typische Klassizismus, den wir in dieser Zeit haben", beschreibt Leipzigs Wagner-Verbandschef Helmut Loos den Stil von Emil Hipp. "Der sich an antiken Vorbildern orientiert, und die jetzt eben in diese deutsche Mythologie übersetzt."
Der Feuerzauber aus Wagners "Walküre"
Besonders augenfällig wird das im zweiten, größeren Relief, das der Leipziger Wagner-Verband gekauft hat. Das wurde am Wochenende auf dem Gelände des Kulturguts in Ermlitz, 15 Kilometer von der Messestadt entfernt aufgestellt. Es zeigt, so Helmut Loos, eine Szene aus Wagners "Walküre":
"Das ist also der Siegfried mit weit ausgebreiteten Armen. Er hat in der rechten Hand noch das Horn, dass er ja gerne schmettert. Sie sehen, dass er den Feuerring durchschreitet. Und hier in halb liegender, halb sitzender Position sehen Sie Brünnhilde, die also jetzt gerade aufwacht und die er also überwältigt."
Dass dieses größere der beiden Reliefs auf dem Gelände des Kulturguts in Ermlitz vorerst Asyl gefunden hat, ist historisch begründet. Erbauer des Hauses war der Leipziger Ratsherr August Apel. Mit dessen Sohn Theodor war der junge Richard Wagner befreundet und hat ihn mehrfach in Ermlitz besucht. Das Siegfried-Relief soll aber langfristig gesehen - so wünschen es die Mitglieder des Leipziger Wagner-Verbandes - dort aufgestellt werden, wo es einmal vorgesehen war, nämlich auf dem Gelände des nicht verwirklichten Denkmals in Leipzig,
Dass dieses größere der beiden Reliefs auf dem Gelände des Kulturguts in Ermlitz vorerst Asyl gefunden hat, ist historisch begründet. Erbauer des Hauses war der Leipziger Ratsherr August Apel. Mit dessen Sohn Theodor war der junge Richard Wagner befreundet und hat ihn mehrfach in Ermlitz besucht. Das Siegfried-Relief soll aber langfristig gesehen - so wünschen es die Mitglieder des Leipziger Wagner-Verbandes - dort aufgestellt werden, wo es einmal vorgesehen war, nämlich auf dem Gelände des nicht verwirklichten Denkmals in Leipzig,
Wagner – Wunde der Leipziger Musikgeschichte
Wie das Monument hätte aussehen sollen beschreibt Kuratorin Kerstin Sieblist vom Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig anhand der noch vorhandenen Pläne.
"Eine Art Parkgelände mit einer Mauer drum herum. Und an den Mauern waren 19 Reliefs mit Themen aus Wagner-Opern vorgesehen. Und in der Mitte des Platzes sollte es dann tatsächlich einen großen Block geben mit nochmal einer anderen Thematik, da geht es um Mystik – also auch so ein bisschen allegorisch. Dann sollte es weiterhin noch einen kleinen Brunnen geben, einen Rheintöchterbrunnen. Ja, man sollte dort in diese Wagner-Mystik, sag ich jetzt mal, eintauchen."
Die Stadt Leipzig tut sich bis heute schwer mit dem Erbe Richard Wagners. Ein Grund ist, neben dem offensichtlichen Antisemitismus des Komponisten, eben auch die zwiespältige Rezeptionsgeschichte seines Oeuvres. Die wird nun – durch die beiden Steinreliefs - augenfällig, meint der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Anselm Hartinger.
"Wagner ist ja so eine offene Wunde auch in der Leipziger Musikgeschichte! Und die werden wir nicht heilen können, aber wir können sie freilegen!"
In zwei Jahren wird es im Stadtgeschichtlichen Museum eine Ausstellung geben zum Thema Musikstadt Leipzig in der NS-Zeit. Dabei werden die Reliefs in ihrem historischen Kontext ausführlich beleuchtet.
"Eine Art Parkgelände mit einer Mauer drum herum. Und an den Mauern waren 19 Reliefs mit Themen aus Wagner-Opern vorgesehen. Und in der Mitte des Platzes sollte es dann tatsächlich einen großen Block geben mit nochmal einer anderen Thematik, da geht es um Mystik – also auch so ein bisschen allegorisch. Dann sollte es weiterhin noch einen kleinen Brunnen geben, einen Rheintöchterbrunnen. Ja, man sollte dort in diese Wagner-Mystik, sag ich jetzt mal, eintauchen."
Die Stadt Leipzig tut sich bis heute schwer mit dem Erbe Richard Wagners. Ein Grund ist, neben dem offensichtlichen Antisemitismus des Komponisten, eben auch die zwiespältige Rezeptionsgeschichte seines Oeuvres. Die wird nun – durch die beiden Steinreliefs - augenfällig, meint der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Anselm Hartinger.
"Wagner ist ja so eine offene Wunde auch in der Leipziger Musikgeschichte! Und die werden wir nicht heilen können, aber wir können sie freilegen!"
In zwei Jahren wird es im Stadtgeschichtlichen Museum eine Ausstellung geben zum Thema Musikstadt Leipzig in der NS-Zeit. Dabei werden die Reliefs in ihrem historischen Kontext ausführlich beleuchtet.