Dienstag, 19. März 2024

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Städtetag zum Diesel-Gipfel
"Viel mehr Mittel erforderlich"

Wenn wirklich nachhaltiger Verkehr in Städten gewollt sei, müsse die Bundesregierung in der Finanzierungsverantwortung für den öffentlichen Personennahverkehr bleiben, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, im Dlf. Es müsse deutlich aufgerüstet werden, um Leute zum Umsteigen anzuregen.

Helmut Dedy im Gespräch mit Jasper Barenberg | 27.11.2017
    Autos fahren unter einer Brücke hindurch, an der ein Warnschild mit der Aufschrift "Feinstaub-Alarm Umweltzone Stuttgart - bitte Busse und Bahnen nutzen" hängt.
    Feinstaub-Alarm in Stuttgart. Er sei skeptisch, ob Abgas-Software-updates ausreichten, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, im Dlf. (imago/stock&people/Arnulf Hettrich)
    Jasper Barenberg: "Nachhaltige Mobilität für die Stadt." So heißt eine Antwort der Bundesregierung auf die drohenden Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge in vielen Städten. Mit viel Geld will die Regierung Projekte für bessere Luft fördern. Einen Fonds von einer Milliarde Euro hat sie dafür in Aussicht gestellt. Nach einem ersten Treffen im September findet morgen in Berlin der zweite Diesel-Gipfel statt. Im Vorfeld aber gibt es Zweifel an den finanziellen Zusagen. Außerdem mahnen Städte und Gemeinden bei den konkreten Schritten etwas mehr Tempo an. Am Telefon ist Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Schönen guten Morgen.
    Helmut Dedy: Guten Morgen.
    "Wir müssen verabreden, wann kann was passieren"
    Barenberg: Herr Dedy, eine Milliarde Euro und die Zusicherung der Bundesregierung, dass auf dem Treffen morgen der Startschuss für konkretes Handeln fällt. Das klingt doch zunächst einmal so, als sei beim Kampf gegen die Schadstoffe in der Luft alles auf einem sehr guten Weg. Ist das nicht so?
    Dedy: Es ist erst mal grundsätzlich auf einem guten Weg. Die eine Milliarde ist gut. Wir hoffen, dass sie kommt. Da steht ja immer noch die Frage im Raum, was leistet denn die Autoindustrie dazu. Und dann muss es darum gehen, dass wir morgen tatsächlich den Startschuss für Maßnahmen setzen. Das heißt, wir müssen morgen verabreden, wann kann was passieren, und da haben wir noch ein paar Fragezeichen. Die werden sich vielleicht morgen klären lassen.
    "Mir fehlt einmal eine Förderrichtlinie"
    Barenberg: Was fehlt Ihnen denn da noch?
    Dedy: Mir fehlt einmal eine Förderrichtlinie. Wir wissen bisher nicht, wie wir an das Geld kommen. Und mir fehlt bisher auch noch eine klare Aussage dazu, was denn jetzt gefördert werden kann. Diese beiden Fragen werden morgen wohl im Mittelpunkt stehen.
    "Wir haben der Bundesregierung Vorschläge vorgelegt"
    Barenberg: Das heißt, da haben die in Berlin nicht gut gearbeitet in den letzten Wochen seit dem letzten Treffen?
    Dedy: Na ja. Die haben über zweieinhalb Monate schon ganz vernünftig gearbeitet. Aber das ist ja eine komplizierte Veranstaltung. Sie haben eingangs gesagt, es geht um nachhaltigen Verkehr in der Stadt. Das sind ja ganz verschiedene Fassetten: Im Mittelpunkt sicherlich Busse und Bahnen, aber es geht auch um Verkehrslenkung, um E-Mobilität, und es geht auch um den Radverkehr. Ganz verschiedene Maßnahmen, die die Städte treffen können. Die wollen wir auch treffen. Wir haben der Bundesregierung entsprechende Vorschläge vorgelegt. Und da geht es jetzt darum, wie kommt das in eine Förderrichtlinie – das ist ein bisschen Bürokratie – und wann dürfen wir starten. Mir wäre eigentlich am liebsten, wenn es morgen heißt, hier ist der Entwurf und ab morgen geht es los.
    "Wettrennen gegen Messstationen und Gerichte"
    Barenberg: Da ist ein bisschen zu viel Bürokratie, hört man ja auch schon, Bürokratie, aber keine konkreten Schritte.
    Dedy: Ein bisschen Bürokratie brauchen Sie ja immer. Sonst kriegen Sie das Geld nicht an den Mann und nicht an die Frau. Mir fehlt noch immer ein bisschen die Klarheit, wann kann es beginnen. Die Bundesregierung hat angekündigt, das soll jetzt zügig gehen. Ich denke, das muss in den nächsten Tagen passieren. Denn wir sind ja in einem Wettrennen. Wir sind in einem Wettrennen gegen Messstationen und wir sind in einem Wettrennen gegen Gerichte. Die Bundesregierung hat bei dem letzten Gipfel im September gesagt, die Grenzwerte gelten, und wenn die Grenzwerte gelten, dann müssen wir sie einhalten. Bisher wissen wir zum Beispiel noch überhaupt nicht, ob die Software-Updates, zu denen sich die Automobilindustrie verpflichtet hat, denn irgendetwas gebracht haben. Wir brauchen morgen Informationen, wie ist der Stand, wir brauchen Informationen zu den Software-Updates und wir brauchen dann die Vereinbarung dazu, jetzt kann es losgehen und ihr Städte könnt das tun und ihr könnt das unbürokratisch tun. Am liebsten wäre mir so ein Abrufprogramm, wo man sagt, das und das haben wir vor, hier, Verkehrsministerium, sorge dafür, dass das Geld kommt.
    Mobilitätsstationen, Stellplätze für Carsharing, Fahrräder
    Barenberg: Sie sagen, das und das haben wir vor. Was sind denn Maßnahmen, die Städte beispielsweise vor allem in Gang setzen wollen?
    Dedy: Die Maßnahmen betreffen grob drei oder vier Bereiche. Bei Bussen und Bahnen tut sich viel. Da geht es um den Aufbau von Mobilitätsstationen. Man schafft Plätze, wo man Stellplätze hat für car-sharing, für Fahrräder, Haltestellen für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr. Es gibt Städte, die bauen an Batteriebussen, an Elektrobussen, wollen neue Linien erschließen. Es gibt aber auch die Idee – München zum Beispiel hat das vor –, im Bereich leichte Nutzfahrzeuge was zu machen, Kehrmaschinen, Abfallfahrzeuge. Diese ganze Bandbreite, die bietet sich im Moment, und da geht es darum, dass wir das praktikabel hinbekommen können.
    "Verursacher ist die Automobilindustrie"
    Barenberg: Warum ist das nicht aus eigener Kraft zu stemmen für die Städte? Warum sind Sie auf das Geld vom Bund angewiesen?
    Dedy: Wir sind in der Situation, dass wir ja nicht der Verursacher dieser Veranstaltung sind, sondern der Verursacher der Situation, das ist die Automobilindustrie und das ist die hohe Anzahl von Diesel-Fahrzeugen. Wir haben jetzt zum Beispiel kommunale Fahrzeuge, die wir ganz normal abschreiben. Die fahren zehn Jahre, 15 Jahre, je nachdem. Wenn wir die vorzeitig ersetzen wollen, dann brauchen wir dazu finanzielle Hilfen von außen.
    Das Zweite - das ist mir auch ganz wichtig: Wenn wir wirklich nachhaltigen Verkehr wollen in den Städten, dann wird das auch nicht mit einem Eine-Milliarde-Programm gehen, sondern dann wird das nur gehen, wenn die Bundesregierung auch weiterhin in der Finanzierungsverantwortung vor allem für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr bleibt und wenn da auch deutlich aufgerüstet wird. Da sind viel mehr Mittel erforderlich, als wir sie derzeit zur Verfügung haben. Nur dann schaffen wir es, Busse, Bahnen, öffentlichen Personenverkehr so attraktiv zu machen, dass die Leute auch zum Umsteigen angeregt werden.
    "Wenn Frau Merkel sagen würde, die eine Milliarde, die ist fest"
    Barenberg: Nun ist ja, haben Sie eben selber gesagt, noch nicht einmal sicher, ob die Automobilindustrie ihren angedeuteten Beitrag überhaupt leisten wird. Welche Verpflichtungen oder Zusagen erwarten Sie da von der Bundesregierung bei dem Treffen morgen?
    Dedy: Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung morgen sagen wird, wir stehen für die eine Milliarde gerade, unabhängig davon, ob die Automobilindustrie zahlt oder nicht zahlt. Den Streit, den sollen die mal intern miteinander austragen. Das ist nicht unsere Verantwortung. Mir wäre wichtig, wenn morgen Frau Merkel sagen würde, die eine Milliarde, die ist fest, die bekommt ihr und die bekommt ihr ab Mittwoch oder Donnerstag für die Maßnahmen, über die wir eben gesprochen haben.
    "Automobilindustrie macht sich ein bisschen einen schlanken Fuß"
    Barenberg: Und Ihnen ist dann auch egal, ob das Geld von der Automobilindustrie kommt oder aus dem Steuertopf?
    Dedy: Na ja, mir ist das politisch überhaupt nicht egal, weil ich finde, dass die Automobilindustrie sich im Moment ein bisschen einen schlanken Fuß macht. Von denen hören Sie ja auch nicht sehr viel. Mir ist schon wichtig, dass das von denen kommt. Nur ich sage, es ist nicht die Sache der Städte, die Finanzierungsverhandlungen zwischen dem Bund und der Automobilindustrie zu führen. Das ist nicht unser Ding. Mir persönlich ist ganz klar lieber, dass die, die es verursacht haben, da auch ihren Verursachungsbeitrag leisten, auch finanziell.
    "Skeptisch, ob Software-Updates ausreichend sind"
    Barenberg: Und da steht die Automobilindustrie ja im Moment noch mit dem Vorschlag da, dass es ein Update dieser Abgas-Software geben soll, aber viele Kritiker ja sagen, am Ende müssen die Motoren selbst umgebaut werden. Sehen Sie das auch, wenn jetzt nicht schnell etwas passiert?
    Dedy: Wir haben immer gesagt, wir können nicht einschätzen, ob Software-Updates ausreichend sind. Wir sind skeptisch. Wenn sie nicht ausreichend sind, brauchen wir die Hardware-Nachrüstung, und das war der Punkt, den ich eben angesprochen hatte. Wir kennen die Ergebnisse nicht. Die Bundesregierung hat bisher noch nicht dazu Stellung genommen, ob die Software-Updates tatsächlich die Wirkung haben, die man sich davon verspricht, und davon wird abhängen, ob wir entsprechende Hardware-Nachrüstungen ebenfalls brauchen.
    "Wenn diese vier Punkte kommen, wäre ich sehr zufrieden"
    Barenberg: Was muss denn morgen mindestens passieren, damit Sie von einem Erfolg sprechen würden?
    Dedy: Morgen gibt es die Zusage eine Milliarde für die Maßnahmen. Morgen gibt es die Zusage, wir machen das Konstrukt so einfach wie möglich. Und morgen gibt es die Zusage, das Geld fließt jetzt kurzfristig, und die Bundesregierung weiß, dass sie perspektivisch auch noch in der Verantwortung bleiben wird. Wenn diese vier Punkte kommen, dann wäre ich morgen sehr zufrieden.
    Barenberg: … sagt Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Dedy: Ich danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.