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Stationärer und Online-Handel
Konkurrenz war gestern

Jahrelang hieß es, dass Einkäufe im Internet die Angebote in den Innenstädten verdrängen würden. Der Online-Handel ist in Deutschland tatsächlich beachtlich gestiegen, aber zur Bedrohung für den stationären Handel wurde er nicht. Letzterer gibt sich inzwischen sogar recht selbstbewusst.

Von Tonia Koch | 03.04.2016
    Kunden in einem Einkaufszentrum in Berlin.
    Kunden in einem Einkaufszentrum in Berlin. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    "Wir sind wo, da wo der Kunde auf uns wartet. So einfach ist das", fasst Alain Capparos, Vorstandsvorsitzender von REWE, die Strategie des Einzelhandels zusammen. Aber wo steckt der Kunde? Zu Hause in seinen vier Wänden, die Augen auf dem Bildschirm? Oder auf dem Weg in den Laden?
    Am liebsten mag König Kunde die Innenstadt, obwohl die Konzepte, mit denen der potenzielle Käufer im Netz umworben wird, immer ausgeklügelter werden. Statistisch gesehen kaufen mehr als neun von zehn Personen zum Beispiel Mode und Bekleidung in den Geschäften rund um die Einkaufsmeilen. Das haben repräsentative Umfragen des Instituts für Handelsforschung Köln und der Beratungsgesellschaft KPMG ergeben.
    Gemessen wird die Magnetfunktion einer Stadt mit der sogenannten Zentralitätskennziffer. Saarbrücken zum Beispiel erreicht nach Angabe der IHK im letzten Jahr einen Wert von 152. Das heißt, das Oberzentrum und seine Händler konnten nicht nur die Kaufkraft der eigenen Wohnbevölkerung an sich binden. Sondern es ist auch gelungen, zahlreiche Menschen aus dem Umland für sich zu begeistern, sagt Leander Wappler, Handelsexperte der IHK, der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes. "Das ist ein Wegweiser für die handelnden Akteure vor Ort, auch für die Händler, für die Stadtentwickler, dass man vieles richtig macht."
    Der Kunde will eine Einkaufsatmosphäre, Emotionalität
    Allerdings müssten Innenstädte, die dauerhaft erfolgreich bleiben wollen, mehr vorhalten als die bloße Einkaufsmöglichkeit. "Innenstadterlebnis, das heißt, man kauft, man isst, man trinkt, da gehört das Kaufen dazu, das macht die Stadt aus."
    Saarbrücken
    Saarbrücken (Deutschlandradio)
    Selbst in Kleinstädten sei die grundsätzliche Bereitschaft vorhanden, dort Geld auszugeben. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Stadtoberen für ein attraktives Umfeld sorgen und der Handel seine Trümpfe konsequent ausspielt. Ein entscheidender Faktor dabei sei das Personal, meint der Leiter des Instituts für Handel und internationales Marketing der Universität des Saarlandes, Joachim Zentes. "Denn wer in den Handel geht, um einzukaufen, der wünscht dort das persönliche Gespräch. Der wünscht eine Einkaufsatmosphäre, der wünscht Emotionalität. Aber nicht nur im Sinne von Ladengestaltung, sondern im Sinne einer persönlichen Interaktion mit Verkäuferinnen oder dem Verkäufer, der will da keine Roboter haben. Das muss der Handel ausspielen."
    Anprobe in einem Saarbrücker Schuhladen. "Wir könnten noch eine halbe Nummer größer gehen …" Der Kunde, jung, um die 30, zu Gast bei Freunden, verbindet einen Stadtbummel mit dem Nützlichen. Natürlich sei er internetaffin und kaufe auch im Netz, aber Schuhe … "Schuhe kaufe ich nicht online, die muss ich probieren können."
    Der Händler verlässt sich ganz auf sein stationäres Konzept. Er werbe zwar im Internet, aber verkauft werde ausschließlich im Geschäft. Max Schönberg. "Das Internet ist für uns ein Hilfsmittel, um die Läden voll zu machen. Weil wir es nicht schaffen, Emotionen über digitale Ströme zu verteilen. Also, wir sind darauf angewiesen, dass der Mensch wegen der Atmosphäre zu uns kommt. Wir gehen nicht zum Menschen."
    Anfassen, ausprobieren und sofort mitnehmen
    Angst vor der mächtigen Internetkonkurrenz - wie etwa Zalando - hat der Schuhhändler nicht. "Nein, nein, nein, nein. Die Firma mit Z hat Millionen in Werbung für Schuhe und Accessoires gesteckt. Seit 2009 hat meine Branche in ganz Deutschland zugenommen ohne Ende, weil einer im Fernsehen und in Zeitungen getrommelt hat ohne Ende. Und wir haben profitiert. Jetzt haben sie aufgehört. Und auf einmal profitieren wir nicht mehr. Also eigentlich müsste ich traurig sein. Das ist ein Mitbewerber. Der einzige Unterschied, der hat keinen Laden in der Grand-Rue oder in der High-Street oder bei uns ist es die Bahnhofstraße, sondern der hat einen Laden auf der Grünen Wiese und da ist Logistik."
    Schönberg bedient die emotionalen Bedürfnisse seiner Kundschaft. Die Ware sehen, anfassen, an- und ausprobieren und die Aussicht, sie sofort mitnehmen zu können - sind neben der persönlichen Beratung die Faktoren, womit der klassische Handel gegenüber dem Onlineversand punkten kann.
    "Online-Handel klar, kann ich was sehen, aber ich kann den Gegenstand nicht anfassen, das Material nicht richtig abschätzen, weiß nicht, ob die Größe stimmt, es sei denn, ich kaufe immer das gleiche, was ich nicht tue, ja. Weil ich gerne vor Ort anschaue und anprobiere. Ich hasse es, wenn ich zurückschicken muss, ich würde es vielleicht machen, wenn das Zurückschicken nicht wäre."
    Schuhe von Zalando stehen auf dem Karton.
    Schuhe, bestellt bei Zalando Internet. Die massive Werbekampagne hat auch den stationären Handel belebt. (dpa / picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Die Bedeutung dieser weichen Faktoren steigt. Sie werden dem stationären Handel Auftrieb verleihen, darin stimmen die einschlägigen Marktforschungsinstitute in Deutschland überein. Überdies haben die Institute in ihren Analysen im vergangenen Jahr Sättigungstendenzen im Online-Handel ausgemacht. Betroffen davon seien vor allem die Segmente Bücher, Unterhaltungselektronik und Schuhe, sagt Prof. Zentes. "In den genannten Branchen ist eigentlich das für online verfügbare Potenzial schon ausgeschöpft."
    "Wer im Wettbewerb bestehen will, muss im Internet präsent sein"
    Trotzdem warnt der HDE, die Spitzenorganisation des deutschen Einzelhandels, davor, nun vorschnell einen Abgesang auf den Online-Handel anzustimmen. Kai Falk, HDE-Geschäftsführer. "Fakt ist, wer als Handelsunternehmen auch künftig im Wettbewerb bestehen will, muss im Internet präsent sein. Das heißt nicht unbedingt, einen eigenen Online-Shop betreiben, aber auf jeden Fall im Internet auffindbar sein."
    Im Moment werden zehn Prozent der Einzelhandelsumsätze online generiert. Der Lebensmittelsektor bleibt dabei außen vor. In den kommenden zehn Jahren erwarten die Experten eine weitere Verdopplung des elektronischen Handels, die Online-Umsätze werden bis auf 25 Prozent steigen. Getrieben wird diese Entwicklung jedoch nicht mehr von den Puristen unter den Onlinehändlern, sondern von im stationären Handel groß gewordenen Unternehmen, die das Online-Geschäft als zusätzlichen Vertriebskanal für sich entdeckt haben. Kai Falk: "Also, es ist schon deutlich geworden, dass das grenzenlose Wachstum der reinen Online-Händler gar nicht so grenzenlos ist. Den Online-Handel betreiben sowohl sogenannte reine Onlinehändler als auch mittlerweile mehr als 30 Prozent der Händler, die auch Ladengeschäfte haben. Das heißt, das Wachstum kommt vor allem aus dem stationären Bereich, wo Händler ihre Vertriebskanäle auf’s Beste miteinander vernetzen."
    Am besten Konzepte, die beides abdecken
    Auch Europas größter Elektronik-Fachhändler Media-Saturn fährt längst mehrgleisig. Wolfgang Kirsch, Geschäftsführer von Media/Saturn. "Es gibt keine Sättigungstendenzen, es gibt natürlich Beruhigungstendenzen. Wenn man in den letzten Jahren über einen deutlich zweistellig wachsenden Online-Markt , jetzt rede ich mal von unserer Branche Consumer Electronics, gesehen hat, dann schwächt sich dieses Wachstum deutlich ab. Das ist bei uns im Augenblick nicht zu erkennen. Das kann man darauf zurückführen, dass wir relativ spät gestartet sind mit unseren eigenen Online-Aktivitäten. Aber vor drei oder vor fünf Jahren haben genau die gleichen Marktprognosen gesagt, dass das stationäre Geschäft tot ist, das man so schnell wie möglich seine Läden schließt und alles auf online setzt. Und heute gibt es die ersten, die sagen, das Online-Geschäft ist eigentlich tot und wenn man keine stationären Geschäfte hat, wird man das nicht überleben. Aber zum anderen glaube ich, dass das größte Wachstumspotenzial in Konzepten liegt, die tatsächlich beides abdecken."
    Eine Frau bedient die Smartphone-App von Amazon.
    Eine Frau bedient die Smartphone-App von Amazon. In den USA macht der Online-Händler eigene Läden auf. (dpa/picture alliance/Sebastian Gollnow)
    Das hat inzwischen auch der Online-Branchenriese Amazon erkannt. Amazon hat im vergangenen Jahr in den USA Buchhandlungen eröffnet, die gleichzeitig als Abhol- oder Rückgabestationen für die im Internet bestellte Ware dienen. Ob dieses Konzept auch in Europa und im wichtigsten europäischen Markt, in Deutschland umgesetzt wird, dazu wollte sich die Europa-Zentrale von Amazon in Luxemburg nicht äußern. Auch Zalando kommt nicht mehr ohne Läden aus und hat deshalb Outlet-Stores in Berlin und Frankfurt eröffnet. Die neuen Shops entstehen in zentraler Lage und haben wenig zu tun mit den Lagerhäusern auf der grünen Wiese, in denen die online bestellte Ware ansonsten umgeschlagen wird. Auch Media-Markt/Saturn hält Ausschau nach kleinen city-nahen Flächen und will im laufenden Jahr allein in Deutschland 50 neue Geschäfte eröffnen. Wolfgang Kirsch. "Wir stellen auch fest, dass der Kunde nicht mehr bereit ist extrem lang zu fahren, um einen besonders schönen Mediamarkt oder Saturn zu sehen. Und deshalb müssen wird die Lücken in der Landschaft füllen."
    Den unterschiedlichen Ansprüchen der Kunden muss man gerecht werden
    Überdies habe der Kunde dazu gelernt, sagt Geschäftsführer Kirsch. "Die allermeisten Kunden springen zwischen den unterschiedlichen Kanälen Online und stationär. Und ideal ist es, wenn man die beiden Kanäle miteinander vermischt. Und die Kunden haben unterschiedliche Ansprüche, und selbst der gleiche Kunde hat unterschiedliche Ansprüche zu unterschiedlichen Zeitpunkten und denen muss man gerecht werden."
    85 Prozent der Kundschaft, die den Elektronik-Fachhandel aufsuchten, seien sogenannte Recherchekunden und bereits entschlossen, sagt der Saarbrücker Mediamarkt-Leiter Andreas Zimmer. "Also ich glaube, die wenigsten, die hier her kommen, gehen ohne Ware raus. Wenn die zu uns kommen, haben sie auch Kaufabsichten."
    Schilder mit der Aufschrift "Jetzt Mitnehmen!" und "Zur Kasse" sind in einem Media Markt in Ingolstadt (Bayern) angebracht.
    Schilder mit der Aufschrift "Jetzt Mitnehmen!" und "Zur Kasse" in einem Media Markt in Ingolstadt. (dpa/ picture-alliance/ Armin Weigel)
    Der Besuch in den Geschäftsräumen diene meist nur noch dazu, Details zu klären und die grundsätzlich bereits getroffene Kaufentscheidung umzusetzen.
    "Weil ich dann eben ganz spezielle Fragen zu bestimmten Geräten stellen kann und dann weiß ich, dass ich mein Geld auch richtig anlegen kann, in meinem Sinne."
    "Ich hab’ lieber den Händler vor Ort, wenn Reklamationen sind, dann hab‘ ich jemanden zu greifen und muss es nicht retour schicken."
    "Online ist uninteressant, ich gehöre zur Gruppe der Jäger und Sammler, ich mag was kaufen und nach Hause tragen."
    "Was wir machen, ist, Preise vergleichen und wenn es keine großen Abweichungen gibt, ziehen wir den stationären Händler vor."
    "Ich genieße das sehr, wenn man noch den persönlichen, menschlichen Kontakt hat, das Produkt vorher noch anschauen kann, befühlen kann, um dann fest zu stellen, dass der Rand dann doch zu eckig ist und wenn man gute Beratung bekommen hat, dann finde ich, sollte man doch so fair sein, das Produkt im Fachhandel zu kaufen."
    Den vernetzten Vertriebswegen gehört die Zukunft
    Der Verbraucher erwirbt ein Produkt immer seltener dort, wo er sich erstmalig darüber informiert hat. Das vom stationären Handel so gefürchtete sogenannte ‚Showrooming‘, bei dem der Käufer sich im Laden kundig macht, um danach im Netz zu kaufen, spielt dabei jedoch eine wesentlich geringere Rolle als angenommen. Einer Studie der Universität Fribourg in der Schweiz zufolge, machen das nur etwa sechs Prozent der Käufer. Die Mehrheit verhält sich anders: Sie nutzt das Internet als Informationskanal und kauft da, wo es ihr gerade in den Sinn kommt: mal im Netz, mal im Laden. Die flächendeckende Ausstattung der Bevölkerung mit mobilen Endgeräten verändere ihr Einkaufsverhalten enorm. Smartphone oder Tablets avancierten zunehmend zu beliebten Einkaufshelfern. Unterwegs würden Produktpreise und Sonderangebote verglichen. Nicht selten erwiesen sich die mobilen Helfer dabei als Unterstützer des stationären Handels, weil sie dem Konsumenten den Weg in den nächsten Laden weisen, erläutert Prof. Zentes. "Wir haben so eine Mischung von Bestellvorgängen, Informationsvorgängen, Kaufvorgängen, Liefervorgängen, Rückgabevorgängen und das findet zum Teil zu Hause, unterwegs oder im Geschäft statt. Und das ist das, was man Cross-Channel nennt. All diese Verknüpfungen muss der Handel heute leisten. Und das hat sehr stark mit dem Phänomen Mobilität zu tun: any time, any place, das heißt, man will überall Ware ansehen können, bestellen können, zurückgeben können und will das auch zu jeder beliebigen Zeit tun."
    Kunden laufen durch das Einkaufszentrums "Limbecker Platz" in Essen. Auf insgesamt 70 000 Quadratmetern Fläche sind mehr als 200 Geschäfte und Restaurants untergebracht, wie der Hamburger Betreiber ECE erklärt.
    Kunden laufen durch das Einkaufszentrums "Limbecker Platz" in Essen. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Den vernetzten Vertriebswegen gehöre die Zukunft, weil der Kunde das längst verinnerlicht habe, weiß auch Mediamarkt-Leiter Andreas Zimmer. "Da ist der berühmte Föhn mit dem grünen Griff, dem gelben Kabel, den wir im Laden selten verkaufen. Aber, wenn dann der Kunde kommt und genau diesen Artikel haben will, gehen wir mit dem Kunden an unseren Computer, gehen auf unseren Online-Shop und zeigen ihm da noch einmal 50 bis 60.000 Artikel mehr als wir im Laden haben."
    Was für die Großen gelte, das gelte selbstverständlich auch für kleinere Fachgeschäfte, argumentiert IHK-Handelsexperte Leander Wappler. Für die einzelne Modeboutique, den Wein- oder Schokoladenanbieter oder den Geschenkeshop sei es oft zu teuer, einen eigenen Internetauftritt zu erstellen und zu pflegen. Sie seien daher gut beraten, sich zusammen zuschließen, rät Wappler.
    "Weg vom Konkurrenzgedanken des unmittelbaren Nachbarn hin zu der Gemeinsamkeit. In der Gemeinschaft sind wir stark, zu einem gemeinsamen Außenmarketing, um sich in diesem Verdrängungswettbewerb stärker zu positionieren. Also der Kleine muss noch stärker die Kooperation suchen."
    Viele Online-Bemühungen stecken noch in den Kinderschuhen
    Gemeinsame Internet-Plattformen, virtuelle Marktplätze, auf denen der lokale Einzelhandel seine Produkte präsentiert, werden an verschiedenen Orten wie etwa in Wuppertal getestet. Ob diese Projekte einen langen Atem haben, um am Ende zufriedene Kunden und zufriedene Händler zu schaffen, muss sich erst noch zeigen. Für eine Bewertung ist es zu früh. Auch für ganze Branchen, wie Baumärkte, Möbel oder den Lebensmitteleinzelhandel gilt, ihre Online-Bemühungen stecken noch in den Kinderschuhen.
    Zehn übereinandergestapelte Kisten werden aus einem LKW herausgerollt. Die grauen Plastikbehältnisse sind mit Nummern versehen. "Hier haben wir dann auch dieses Etikett drauf. Und das heißt, das ist für diesen Kunden, das für den gleichen, hier einen anderen… das ist alles Ware, die nicht gekühlt werden muss, das auch. Wir haben natürlich auch Ware, die gekühlt werden muss. Da haben wir spezielle Transportbehälter."
    Anja Weirich leitet bei Globus, einem mittelständischen Lebensmittelversorger, den Aufbau der Online-Aktivitäten. "Das ist für Globus ein Lernfeld. Das heißt, wir schauen, was wir hier an neuen Erkenntnissen gewinnen können und sind auch in der Lage, auf geänderte Rahmenbedingungen schnell zu reagieren."
    Gedränge am Abholschalter gibt es keins. "Meine Mutter ist ein Pflegefall und sie hat diese Möglichkeit für sich entdeckt, selbst einzukaufen, ein bisschen rumzustöbern, quasi virtuell durch die Regale zu gehen. Das ist für uns die beste Lösung, deshalb machen wir das wöchentlich so.
    Ein Obststand in der Kleinmarkthalle in Frankfurt am Main.
    Ein Obststand in der Kleinmarkthalle in Frankfurt am Main. Online werden Lebensmittel noch selten bestellt. (picture alliance / dpa / Roland Holschneider)
    "Ich habe Erfahrung schon aus Berlin mit Online-Einkäufen und ich weiß, dass immer sehr sorgfältig zusammengestellt wird." - "Sie können gerne reinschauen in die Tüten, ob es auch frisch aussieht. Vor allem die Erdbeeren. Ja, Erdbeeren sind ganz, ganz wichtig." – "Gerade Obst und Gemüse, da sind wir sehr sensibilisiert." – "Auch die einzelnen Äpfel sind sehr schön, haben keine Druckstellen." – "Also, ich bring es auf den Punkt, wir sollen die Sachen einpacken, die wir selbst kaufen würden, ich denke, das ist das Entscheidende."
    "Online-Lebensmittelhandel rechnet sich nicht"
    Angefangen hat Globus vor fünf Jahren mit einem Drive-in nach dem Muster bekannter Burger-Ketten. Die Lebensmittel werden online bestellt und mit dem Auto abgeholt. Der Kunde muss weder aus dem Wagen aussteigen, noch Hand anlegen. Das Drive-in, das gleichzeitig als Lager und Kommissionierungsstelle dient, steht bislang nur auf der grünen Wiese, viel zu weit weg vom Kunden. Es wurde daher durch eine innerstädtische Abholstation ergänzt. Entscheidend für den Erfolg des Online-Geschäftes sei eindeutig die Lage die sogenannte Pick-up-Station. "Wie jetzt hier zum Beispiel, dass halt große Firmen in der Nähe sind oder auch Behörden, Institutionen oder was auch funktioniert, wenn sie in einer Gegend sind, wo viele Menschen wohnen."
    Auch die großen Lebensmitteleinzelhändler EDEKA und REWE, versuchen sich am Online-Handel. REWE unterhält einen eigenen Lieferservice, EDEKA setzt bei der Lieferung auf die Post-Tochter DHL und verzichtet auf die Zustellung kühlpflichtiger Ware. Dafür gebe es bislang keine praktikable und bezahlbare Lösung, teilt das Unternehmen mit. Über elektronische Umsätze macht keines der Unternehmen konkrete Angaben. Das sei auch nicht verwunderlich, sagt Prof. Zentes. "Alle bisherigen Experimente im deutschen Lebensmittelhandel sind subventioniert. Es gibt in Deutschland alle denkbaren Pilotprojekte und alle noch laufenden Projekte, die wir in Deutschland haben, sind quer subventioniert. Der Online-Lebensmittelhandel rechnet sich nicht."
    In anderen europäischen Ländern sieht das anders aus. In Frankreich oder Großbritannien sei eben auch nicht an jeder Ecke ein Lebensmittelladen, erklärt sich der Einzelhandelsverband die Zurückhaltung der deutschen Kunden. "Wir sehen deutlich, dass auch im Lebensmitteleinzelhandel flächenmäßig weiter expandiert wird. Das heißt, die Nahversorgung insbesondere in den strukturstarken Bereichen ist so attraktiv, dass die Online-Möglichkeiten im Moment noch nicht so ausgeprägt sind."
    Lebensmittel haben im Online-Bereich noch Wachstumschancen
    Auch der Preiskampf unter den deutschen Lebensmittelkonzernen trage dazu bei, dass die Online-Modelle auch in den kommenden Jahren ihren Experimentiercharakter nicht verlieren werden. Der deutsche Kunde schaue bei Lebensmitteln vor allem auf den Preis und das bliebe für Online-Konzepte nicht folgenlos, glaubt Professor Zentes. "Da der Kunde auch in Deutschland diese Sensibilität auf den Online-Bereich überträgt, sind die Lebensmittelanbieter nicht in der Lage, die Dienstleistungen noch anzubieten. Das heißt, dem Kunden die Ware nach Hause zu liefern und noch in die dritte Etage zu schleppen. Bei einem Kasten Mineralwasser erwartet der Kunde den gleichen Preis wie im Laden, das heißt, diese Kosten werden für den Handel internalisiert. Von daher kommt der Lebensmitteleinzelhandel kostenmäßig, wenn er es denn anbietet, nicht zurecht."
    Gemessen an der bescheidenen Ausgangslage werden auch Lebensmitteln im Online-Bereich Wachstumschancen zugebilligt. Aber Margen bis zu 25 Prozent wie bei anderen Produktgruppen werden sie nicht erreichen. Von Lebensmitteln einmal abgesehen, unterscheidet der Kunde nicht mehr zwischen stationär und online, die Vertriebswege müssen für ihn passen. Der Handel hat sich darauf eingestellt. Lediglich die Stadtplaner werden sich schon sehr bald mit der Frage beschäftigen müssen, wie sie mit frei werdenden Handelsflächen umgehen, die in den vorhandenen Dimensionen nicht mehr benötigt werden, weil der Verbraucher das Netz für sich entdeckt hat.