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Stefan Heym: "Flammender Frieden"
Darf man Ideale preisgeben, um den Feind zu besiegen?

Stefan Heym hat als junger Mann einen Kriegsroman über den Winter 1942 in Nordafrika geschrieben, in dem zwei amerikanische Idealisten gegen Faschisten kämpfen. Erst jetzt erscheint er in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Flammender Frieden".

Von Jörg Magenau | 02.11.2021
Stefan Heym: "Flammender Frieden"
Beinahe acht Jahrzehnte hat die deutsche Übersetzung von Stefan Heyms zweiten Roman "Of Smiling Peace" auf sich warten lassen. ( Rolf Zöllner / C. Bertelsmann Verlag)
"Um 04.31 Uhr morgens eröffneten die Franzosen das Feuer aus ihren Stellungen hinterm Strand und entlang der Straße, die parallel zur algerischen Küste verlief. Im selben Moment knirschte das Landungsboot mit Sergeant Shadow McManus und einigen seiner Männer auf Sand. Die Bugrampe klappte nach unten und wurde zur kurzen Gangway, die in die flache Brandung führte. Für Shadow, der hinter der Rampe gekniet hatte, war es, als zöge ihm jemand die warme Decke vom Bett."

Es beginnt mitten im Geschehen, mitten im Gefecht. Winter 1942, Landung der US-Army in Algerien, wo sie von der deutschen Wehrmacht und den mit den Nazis kooperierenden Truppen des Vichy-Regimes empfangen wird. Vergeblich hatten die Amerikaner zuvor auf diplomatischen Wegen versucht, die Franzosen vom Kampf abzuhalten, doch die hatten ihre eigenen kolonialen Interessen. Der Widerstand blieb jedoch verhalten, und so erreichte Sergeant McManus den Strand unverletzt.

Zupackender, kolportagehafter Stil

Stefan Heym war selbst Soldat der US-Army, als er seinen zweiten Roman "Of Smiling Peace" in englischer Sprache schrieb. Seit 1933 lebte der junge Sozialist im Exil, seit 1935 in den USA. Dass er als Journalist sein Geld verdiente, ist seinem zupackenden, kolportagehaften Stil anzumerken. Das antifaschistische Engagement spricht aus jeder Zeile. Als der Roman 1944 erschien, war Heym bereits ein amerikanischer Erfolgsautor, der mit seinem literarischen Debüt "Hostages" über ein Geiseldrama im von den Deutschen besetzten Prag zwei Jahre zuvor einen veritablen Bestseller gelandet hatte.
"Hostages" übersetzte Heym später unter dem Titel "Der Fall Glasenapp" selbst ins Deutsche. "Of Smiling Peace" aber ließ er liegen, wohl selbst nicht ganz überzeugt vom Resultat dessen, was er während dem Hin und Her des Militärdienstes mit all der Unsicherheit, der Unruhe, dem Zeitmangel, dem täglichen Lärm und mit vielen Unterbrechungen zu Papier gebracht hatte. So kam es, dass das Buch erst jetzt, mit 77jähriger Verspätung, in der soliden Übersetzung von Bernhard Robben unter dem Titel "Flammender Frieden" auf Deutsch vorliegt.

Ein Intrigenspiel mit eigenen Machtansprüchen

In seiner Autobiographie "Nachruf" erinnerte sich Heym an die schwierigen Bedingungen der Entstehung und verriet auch, worum es ihm beim Schreiben ging.

"Es geht darum, ob die Amerikaner, die angetreten sind, Freiheit und Demokratie zu bringen, sich mit jedem Schurken und Faschisten verbinden sollen, der sich ihnen anbietet, oder ob sie nicht eher, um der Sache willen, den schwierigeren Weg gehen, vielleicht sogar eigene Truppen dafür opfern müssen."
Das ist der Konflikt, in den Stefan Heym seine beiden amerikanischen Protagonisten, Colonel Wintringham als Stabschef und Lieutenant Bert Wolff als obersten Vernehmer, geraten lässt. Vor allem Wolff ist eine interessante Figur. Er hat in Spanien für die Internationalen Brigaden gekämpft und die Niederlage der Republikaner nicht verwunden. Sein Feind war damals derselbe wie jetzt in Algerien: der schneidige deutsche Major Ludwig von Liszt, der mit seinen Agenten und Verbündeten den Amerikanern immer einen Schritt voraus zu sein scheint.
Die entscheidende Frage ist jedoch, wem es gelingt, den dubiosen Franzosen Monaitre auf seine Seite zu bringen. Er befehligt die letzte funktionierende Einheit der französischen Nordafrikatruppen. In seinem Intrigenspiel folgt Monaitre jedoch vor allem eigenen Machtansprüchen, indem er vorsorglich mit beiden Seiten paktiert und so die Gunst der Stunde abwartet. Heym hat diesen wie einen autonomen Kriegsfürsten operierenden Schurken dem französischen Admiral Francois Darlan nachempfunden. Zu diesen vier Männern kommen noch der unstete Geheimagent Jerez und die schöne Marguerite Fresneau, die als Geliebte des Nazis Liszt auch von Wolff, Monaitre und Jerez begehrt wird.

Die Ereignisse bleiben kulissenhaft

Heym scheut sich nicht, die gängigen Elemente des Spionagethrillers zu benutzen. Dass seine Figuren in der Gegenüberstellung von hehren Idealisten und schurkischen Faschisten ein wenig klischeehaft geraten, stört ihn nicht. Der Spannung, die er mit handwerklichem Geschick erzeugt, tut das keinen Abbruch. Die Atmosphäre erinnert ein wenig an "Casablanca", die zahlreichen Verfolgungsjagden und Schießereien an einen frühen James Bond. Und so wie Geheimagent 007 bewahren auch die guten Amerikaner ihre Ideale und damit auch ihr historisches Selbstbewusstsein. Am Ende, nach allen Intrigen, nach vielen Enttäuschungen, Niederlagen und noch mehr Toten lässt Heym seinen Colonel Wintringham denken:

"Männer kämpften und starben für kleine, belanglose Dinge, sogar für Lügen – aber sie kämpften und starben besser, wenn sie verstanden, und wenn sie auf der gerechten Seite waren, der Seite der Zukunft. Man musste voreingenommen sein."
Das ist dann aber auch schon der Gipfel der schlichten Einsichten in "Flammender Frieden", einem Roman, den auch Heym selbst eher als Vorübung für den nächsten, seinen sehr viel erfolgreicheren dritten Roman "Crusaders" gesehen hat. Die Analyse des Faschismus und der Bedingungen des Krieges, die er dort versuchte, fehlt in "Flammender Frieden" völlig. Die Ereignisse in Algerien bleiben kulissenhaft, die militärische Lage unübersichtlich. Sie bieten lediglich den historischen Rahmen für eine flotten Kriegs- und Agentenstory, die im Grunde überall spielen könnte, wo die Guten gegen die Bösen kämpfen und am Ende die gewinnen, die entschiedener an sich selbst zu glauben vermögen.
Stefan Heym: "Flammender Frieden", Roman
Aus dem Englischen von Bernhard Robben
C. Bertelsmann, München 2021
478 Seiten, 24 Euro