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Steinbrücks Problem mit den Frauen

Peer Steinbrück macht sich zwar für die Quote stark, doch vor allem bei jungen Frauen ist Angela Merkel beliebter als ihr Herausforderer. In der Öffentlichkeit versucht der sonst so kühle Hanseat deshalb verstärkt, eine weichere Seite von sich zu zeigen.

Von Susanne Schrammar | 13.12.2012
    Als er unter minutenlangem Applaus der Genossen in den Saal einzieht, ist sie nicht unter dem Tross, der Peer Steinbrück mit Blitzlichtgewitter und Getöse durch die Menge aufs Podium folgt. Gertrud Steinbrück, seit fast 40 Jahren die Frau an seiner Seite, wartet bereits mit anderen geladenen Gästen in der ersten Reihe und sieht ihren Mann an sich vorbeiziehen. Die Frau mit dem schwarzen Hosenanzug und den knallroten Lackpumps mit passendem Lippenstift geht in der Menge fast unter. Und das an einem Tag, der politisch zu den bislang wichtigsten im Leben von Peer Steinbrück gehört, an dem die SPD ihn zum Kanzlerkandidaten kürt.

    "Wie ein aufgeplusterter Konfirmationstag. Also, so ein Tag, der nur einmal im Leben vorkommt und dann finde ich es auch ganz normal, dass die Familie dabei ist."

    Doch ganz so normal, wie die 63-Jährige es hier schildert, ist der Auftritt bei der Partei-Krönungsmesse ihres Mannes nicht. Die Gymnasiallehrerin für Biologie und Politik hat sich bewusst entschieden, dem Rampenlicht auszuweichen. Dass sie an diesem Tag gemeinsam mit ihren zwei erwachsenen Töchtern und dem Sohn nach Hannover gekommen ist, gilt als Ausnahme. Auch wenn sie sehr freundlich reagiert, als Medienvertreter sie ansprechen, bleibt sie distanziert. Was im amerikanischen Wahlkampf gang und gäbe ist – die öffentlich inszenierte Eheshow, das intensive Mitmischen der Kandidaten-Ladys – ist der Frau mit der randlosen Brille ein Gräuel.

    "Das ist ein Wahlamt. Und gewählt wird eine Person als Bundeskanzler – also, die Partei wird gewählt, ob er Kanzler wird, ist ja eine andere Geschichte – und ich finde nicht, dass man da eine zweite Person automatisch mitwählt. Es muss auch die Möglichkeit geben, dass einer gar keinen Anhang hat. Das muss gleichberechtigt sein und deswegen finde ich es völlig normal, dass man sich als Ehefrau zurückhält. Und nicht so tut, als hätte man auch ein halbes Wahlamt."

    sagt Gertrud Steinbrück bestimmt und fährt sich kurz durch den brünetten Pagenkopf, den sie ganz unprätentiös mit einer Plastikklammer hochgesteckt hat. Es folgt ein knappes Nicken - ihr unmissverständliches Zeichen dafür, dass das kurze Interview damit beendet ist. Dass sie Respekt hege für die öffentliche Zurückhaltung Joachim Sauers, dem Ehemann Angela Merkels, hat die Gattin des SPD-Kanzlerkandidaten kürzlich der Zeitung "Die Welt" verraten. Der macht sich auf dem gesellschaftlichen Parkett extrem rar und hatte sich nicht mal zur feierlichen Vereidigung Merkels zur Bundeskanzlerin blicken lassen.

    "Ich kann und will Euch versprechen: Ich will mit Eurer Hilfe und den Stimmen der Wählerinnen und Wähler Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden."

    Ob Peer Steinbrück auch ohne öffentliche Unterstützung seiner Frau Bundeskanzler werden kann, wird sich zeigen. Doch eines braucht der Merkel-Herausforderer gewiss: die Hilfe der weiblichen Wählerschaft. Und da zeigen Umfragen, dass der SPD-Kanzlerkandidat vor allem bei jüngeren Frauen bislang nur schwer punkten kann. Zwar wird ihm Kompetenz beschieden, doch bei der Frage, wer sympathischer ist, fällt Peer Steinbrück im Vergleich mit Angela Merkel klar zurück, die Kanzlerin schneidet bei Frauen besser ab. Woran liegt das? Der Versuch einer Analyse von SPD-Politikerinnen beim Sonderparteitag in Hannover.

    "Weil die Themen, die er belegt, einfach nicht die Frauenthemen sind. Also, es ist inhaltlich schwer als Frau einen Zugang zu ihm zu finden."

    "Na, er hat eine sehr kantige Art, aber das ist natürlich auch sehr sympathisch. Ich finde ihn toll!"

    "Dieses etwas angedichtete Macho-Image, denke ich, hat was damit zu tun, dass er manchmal flapsige Sprüche macht, die dann auch missverstanden werden. Aber wenn man Peer Steinbrück erlebt, dann halte ich diese Vorurteile für sehr unbegründet."

    "Dieses Frauen- und Familienbild, das diese CDU/CSU hat, das stammt eben aus dem Maggi-Kochstudio der 50er-Jahre ab, aber da sind wir nicht mehr alle gemeinsam."

    In seiner bislang wichtigsten Rede ist Steinbrück hörbar bemüht, gegenzusteuern: Bei der Kür zum Kanzlerkandidaten in Hannover zeigt sich der phasenweise recht kühl und arrogant wirkende Hanseat zwischendurch immer wieder von seiner weicheren Seite: erzählt Anekdoten von seiner Mutter, räumt launig ein, zur Frauenquote bekehrt worden zu sein und verspricht, mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vor allem mehr für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu tun: Sollte die SPD die Bundestagswahl gewinnen, kündigt Steinbrück an, werde es in seinem Kanzleramt eine Staatsministerin für Gleichstellung und Frauen geben. Dafür gibt’s Applaus von den Genossinnen. Doch noch lieber als eine Staatsministerin wollen die SPD-Frauen die volle Gleichberechtigung in einem möglichen Kabinett Steinbrück. Das Team müsse zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt sein, fordert auch Doris Schröder-Köpf aus Niedersachsen und attestiert dem Kanzlerkandidaten einen Entwicklungsfortschritt.

    "Also, ich glaube, er hat heute deutlich wie selten und auch deutlicher als Frau Merkel das jemals getan hat und es wahrscheinlich jemals tun wird, sich für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ausgesprochen und das zeigt schon sehr deutlich seinen Willen. Da muss ich auch sagen, da ist er auch getragen von den Frauen in der SPD, getragen und ein bisschen geschubst."

    Ob Ehefrau Gertrud und vielleicht auch die beiden Töchter mitschubsen werden? So manche Genossin setzt vielleicht darauf, dass Peer Steinbrücks Frauen zuhause ihn von der weiblichen Position überzeugen.