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Stilisierter Endzeitthriller

Es herrscht Untergangsstimmung auf der Erde. Ein Vater streift mit seinem Sohn durch diese Landschaften voller Angst und Misstrauen, auf der Suche nach dem rettenden Meer. Mit dem Film "The Road" kommt wieder eine Endzeitstory in die Kinos.

Von Josef Schnelle |
    Eine nicht näher charakterisierte Katastrophe hat die Erde getroffen und in eine Art atomaren Winter versetzt. Es ist bitterkalt. Autowracks türmen sich an zerstörten Brücken und Straßen zu bizarren Zeugnissen einer untergegangenen Zivilisation. Ein Mann und ein Kind ziehen durch diese Welt ohne Hoffnung, in der marodierende Banden auf der Suche nach Nahrung, alle Maßstäbe des moralischen Handelns längst hinter sich gelassen haben. Manchmal gilt ihre Gier sogar schierem Menschenfleisch. Jeder Mensch ist des anderen Feind nur der Vater hält durch und versucht mit seinem kleinen Sohn nach Süden zu kommen, wo das nahe Meer Rettung zu versprechen scheint.

    Mit dieser Geschichte erzielte Cormac McCarthy den Pulitzerpreis 2007 für fiktionales Erzählen. Post-Doomsday-Geschichten vom Leben nach dem Tag der Verdammnis sind ein eingeführtes Genre des Science-Fiction-Films, das sich immer großer Beliebtheit erfreut hat. Außerdem hatte die Adaption der Coen-Brüder von McCarthys Roman "No Country for Old Men" 2008 vier Oscars abgeräumt, darunter den für den "Besten Film". So war es wohl eine Frage der Zeit, bis der neue Roman von McCarthy zur Verfilmung anstand. Die Wahl fiel auf den australischen Regisseur John Hillcoat, der sich bis dahin seine Meriten eher mit Musik-Videos verdient hatte. Es ist eine gute Entscheidung gewesen, vor allem weil sich Hillcoat weitgehend den digitalen Effekten verweigert hat, lieber nach ohnehin zerstörten Stadtlandschaften suchte und sich auf die Kunst des Bühnenbaus verließ. Außerdem stützt er sich hauptsächlich auf das Vater-Sohn-Melodrama vom Überleben der Menschlichkeit, das im Stoff steckt.

    Im Dreck eines Penner-Daseins und in diesen Landschaften der Angst, durch die sich Vater und Sohn in schmutzigen dicken Skijacken kämpfen ist "The Road" fast ein Kammerspiel. Es handelt von den großen Gefühlen, die uns am Ende der Zeit überwältigen werden und von den kleinen Hoffnungen, die nicht umzubringen sind. Natürlich schwingen in diesem Film die ganzen Ängste vor den letzten und endgültigen Schritten der Umweltzerstörung ebenso mit wie die Overkill-Kapazitäten des Wettrüstens, die in den 50er-Jahren noch die Endzeitfilme bestimmten mit. Auch an die Szenarien von Videospielen mit dem Kampf gegen die letzten vampirartigen Monster mag man sich erinnert fühlen. Als Australier grenzt sich Hillcoat natürlich vor allem von den "Mad Max"-Action-Filmen seines Landsmannes George Millers ab, die Mel Gibson zum Star machten, der die Endzeitwelt eher als Spielanordnung mit neu gemischten Karten bewältigte. "The Road" schildert demgegenüber eine traurige und entsprechend humorlose Welt. Kein Spiel sondern bitterer Ernst. Nur wenn der Vater dann überraschenderweise doch einen Keller voller Lebensmittel findet, hat dieser Film ausnahmsweise mal einen kleinen hoffnungsfrohen Akzent.

    Der Weltuntergang hat schon immer eine romantische Anziehung für Melancholiker gehabt, was zum Beispiel die Frankensteinautorin Mary Shelley mit ihrer wenig bekannten Endzeitstory "The Last Man" 1826 bewies. Überhaupt ist "The Road" trotz aller moderner Kleidung eine Geschichte aus dem 19. Jahrhundert. Ein sterbender Vater und sein Sohn, dem er wider alle Vernunft eine letzte Zukunftsperspektive eröffnen möchte. Das ist nur als moralische Erzählung, nicht aber als großer - und sei es negativer - Zukunftsentwurf denkbar. So kann man sich ordentlich fürchten und philosophisch läutern - aber die Gänsehaut stirbt doch zuletzt. Vater und Sohn begegnen Robert Duvall, der als blinder Seher auch keine Hoffnung mehr hat und eine knifflige erkenntnistheoretische Frage aufbringt, die eigentlich nur der abwesende Gott in dieser gottlosen Welt lösen könnte.