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Stimmtraining in der Lehrerausbildung
Autorität gewinnen mit dem richtigen Ton

Wer vor einer Klasse steht und unterrichtet, hat einen "stimmintensiven" Beruf, in dem noch dazu viele Konflikte zu regeln sind. Damit sie mit ihrer Stimme erfolgreich arbeiten können, absolvieren Lehramtsstudierende an der Universität Leipzig ein Stimmtraining.

Von Anne-Marie Kriegel | 08.05.2017
    Die Lehrerin Dr. Silvia Schischwani unterichtet in einer 8. Klasse.
    Eine Lehrerin vor ihrer Klasse: Täglich muss sie mehrere Stunden mit "Kraftstimme" sprechen. (picture alliance / dpa / Ingo Wagner)
    In der Universität Leipzig geht es zur perfekten Stimme erst einmal die Treppe hinab in den Keller. Hier, in einem Raum ohne Fenster, mit trittschallgedämmtem Boden und schallisolierten Wänden üben angehende Lehrkräfte, ihre strengen Kommandos stimmsicher auszurufen.
    Doktor Siegrun Lemke ist Sprechwissenschaftlerin. Sie weiß um die großen stimmlichen Herausforderungen der Lehrkräfte.
    "Zum einen ist es die zeitliche Beanspruchung. Das heißt lebenslang zum Teil mehrere Stunden täglich mit Kraftstimme sprechen müssen. Da gibt es Klassenfahrten, da gibt es Hofpausen, da gibt es Aufsicht. Also da muss ein Lehrer schon auch ordentlich laut sprechen können, oder eben auch mal gegen Störlärm ansprechen können. Da ist die psychische Belastung. Der Lehrerberuf birgt ein hohes Konfliktpotenzial."
    Das mit dem Konfliktpotenzial hat auch Sophie Elisabeth Römer schon erfahren. Die 18-Jährige mit den roten Haaren und dem konzentrierten Blick legt ihre Hand auf den Bauch, um die Atmung zu kontrollieren. Sie will mit dem Training ihrer Stimme an Autorität gewinnen.
    Klare Gedanken - klare Stimme
    "Ich arbeite besonders daran eine Stimme zu produzieren, die Leute dazu bringt das zu tun, was ich gerade möchte. Das ist nämlich ganz oft der Fall, dass man sich durchsetzen möchte, aber man schafft es einfach nicht. Ich hab schon insofern etwas gelernt, dass es schon ziemlich viel bringt, das zu meinen was man sagt, währenddessen darüber nachzudenken, dass man das gerade unbedingt möchte. Und das verändert schon ganz viel automatisch."
    Neben Sophie Elisabeth Römer sitzt Paula Schneider. Die 19-Jährige studiert Lehramt für das Gymnasium und will später Deutsch und Latein unterrichten. Ein bisschen schüchtern guckt sie von ihren Aufzeichnungen hoch.
    "Ja also wir haben ja in der ersten Stunde unsere Aufnahme gemacht und mir wurde halt gesagt, dass ich daran arbeiten soll, dass ich meinen Mund weiter aufmache, damit eben auch mehr rauskommt."
    Sprechen ist Kopfsache, sagt Siegrun Lemke und schmunzelt. Das ist gerade für Lehrkräfte eine Herausforderung. Sie können nicht jede ihrer Launen durchblicken lassen. Ab und zu muss auch ein Lehrer oder eine Lehrerin mal lachen, wenn es eigentlich nicht passt. Aber das sollte man der Stimme auf keinen Fall anhören, erklärt die Sprechwissenschaftlerin. Und das sei nicht immer so einfach:
    "Stimme und Stimmung hat nicht umsonst den gleichen Wortstamm. Unsere Stimmung, unsere Befindlichkeit beeinflusst natürlich auch unseren Stimmklang. Wenn es ihnen gut geht und wenn Sie einen erfolgreichen Tag hinter sich haben, kommen Sie nach Hause und ihre Freunde, ihre Familie hören an der Art wie sie sprechen, wie es Ihnen geht."
    "Sprich langsam, sprich nicht so laut und lass die Stimme unten!"
    Trotzdem hängt es nicht nur von der Laune ab. Gerade für Lehrkräfte kann es beim Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern zu Konflikten kommen. Die einen wollen nicht zuhören, die anderen fühlen sich ungerecht behandelt. Siegrun Lemke hat da einen Tipp, den nicht nur Lehrerinnen und Lehrer beherzigen können:
    "Wenn es mal problematisch wird in der Kommunikation, sagen Sie sich immer: Sprich langsam, sprich nicht so laut und lass die Stimme unten. Viele sprechen dann höher und wirken dadurch sehr aggressiv - und es ist ungesund."
    Außer den Lehrkräften fallen der Dozentin auf Anhieb eine Handvoll sogenannte stimmintensive Berufe ein. Vom Call-Center-Agenten über die Touristenführerin bis hin zum Schauspieler am Theater. Aber auch diejenigen, die nur alle Jubeljahre mal einen Vortrag halten müssen, können auf bestimmte Dinge achten:
    "Gut ist, wenn ich einen sprechintensiven Beruf habe, wenn ich mich morgens einspreche. Das heißt, dass ich meine Stimme anwärme, sodass ich keinen stimmlichen Kaltstart habe in meinem beruflichen Alltag. Ich sollte immer auch bewusst sprechen. Ich sollte mich mal vor den Spiegel stellen und mir zuschauen, wenn ich spreche, dann kann ich zum Beispiel äußere Verspannungen schon mal gut sehen. Oder auch Dinge an der Körperhaltung, die ungünstig sind für das Sprechen."
    Zu Beginn des Seminars recken und strecken sich die Studierenden deswegen. Zupfen an ihren Wangen, lassen die Zunge von links nach rechts flattern. Und dann sind die Stimmlippen der Kursteilnehmer warm gesummt und gebrummt, und es kann auch mal der ein oder andere Befehlston angewandt werden.