"Es hat ein Telefongespräch geben zwischen Brüderle, Herrn Pofalla und Herrn Röttgen dazu, weil es den Wunsch aus der Koalitionsfraktion gab, die 28 Jahre zu berechnen. Und diesem Wunsch kommen wir nach. Die Fraktionen möchten das haben, bekommen sie auch."
Was der Sprecher des Umweltministeriums, da vergangen Freitag verkündete, war eine Ohrfeige für seinen Chef: Denn Bundesumweltminister Norbert Röttgen, CDU, hatte sich festgelegt: Deutsche Atomkraftwerke dürfen nicht länger als 40 Jahre am Netz bleiben, ihre Laufzeit könne daher maximal um acht Jahre verlängert werden. Nun beschlossen seine Parteifreunde in der Fraktion: Für das Energiekonzept der Bundesregierung soll auch geprüft werden, ob die Laufzeit nicht um 28 Jahre werden kann. Zwar ist eine Laufzeitverlängerung damit noch längst nicht beschlossen - schon gar nicht um 28 Jahre. Doch die Atomfreunde in der Union nutzen die günstige Gelegenheit, um Röttgen eins auszuwischen, sagt Ralph Bollmann, Parlamentskorrespondent der "taz". Jetzt zeige sich ein Grundsatzkonflikt innerhalb der Union:
"Da kommen mehrere Motive zusammen. Das eine sind die Wirtschafts- und Energiepolitiker der Union, die teilweise traditionell sehr eng verbandelt sind mit den Interessen der Atomwirtschaft. Da ist zum Beispiel der Abgeordnete Pfeiffer, der bei der Vorgängerfirma von EnBW gearbeitet hat; da ist Michael Fuchs aus Rheinland-Pfalz. Also das ist sozusagen Atomlobby."
Atomlobbyist, das weist Joachim Pfeiffer zurück. Sicher ist er aber einer der feurigsten Kämpfer für die Atomkraft in Deutschland. Pfeiffer ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion und einer der Initiatoren des umstrittenen Prüfauftrags. Denn, so Pfeiffer mit Blick auf den CDU-Umweltminister: "Wer nicht hören will, muss fühlen". Immer wieder hätten seine Leute von Umweltminister Röttgen verlangt, auch 28 Jahre Laufzeitverlängerung in Betracht zu ziehen – jetzt, so CDU-Mann Pfeiffer wörtlich, sei "das Maß voll" gewesen, weil Röttgen darauf beharre, die Laufzeit nur um acht Jahre zu verlängern:
"Da liegt er klar falsch natürlich, das von vornherein zu sagen. International üblich sind heute mindestens 60 Jahre für Kernkraftwerke, was Laufzeiten angeht. Also ist es ja wohl eine Selbstverständlichkeit, dass wir dieses Szenario, was international üblich ist, also plus 28 Jahre in einem solchen Energiekonzept auch rechnen."
Unterstützt haben Pfeiffer auch die Ministerpräsidenten der südlichen Bundesländer Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, wo Atomkraft immer schon eine beliebte Art der Energieerzeugung war. Diesen wirtschaftsnahen Vertretern passt nicht, dass Röttgen auf Abstand geht zur Atomkraft - nicht weil dem Minister die Technik suspekt oder die ungeklärte Entsorgung unheimlich wäre. Sondern: Röttgen lässt in Interviews durchblicken, dass er Atomkraft für ein Verliererthema hält, mit dem keine Wahlen zu gewinnen sind. Dass die Unionsfraktion ihrem Minister deshalb mal zurecht gewiesen habe, will der CDU-Abgeordnete Pfeiffer nicht sagen:
"Also für mich ist das keine Frage von Personen oder Zurechtweisen. Wer hat da jetzt gewonnen oder nicht gewonnen. Es geht hier um eine zentrale sachpolitische Frage dieser Regierung. Das haben wir zehn Jahre vertreten. Wir haben diesen Ausstieg immer für falsch gehalten und wir haben immer gesagt, wenn wir die Möglichkeit haben, das zu ändern, dann werden wir das ändern."
AKWs länger laufen lassen, das will ja auch Norbert Röttgen, nur eben nicht so lange. Zu diesen inhaltlichen Differenzen mischen sich persönliche Animositäten, glaubt Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen:
"Es geht natürlich auch um Macht. Ich glaube, dass da ein Ehrgeizling ein stückweit gedeckelt werden soll."
Vielen Konservativen in der Unionsfraktion passt Röttgens recht eigenständiger Kurs nicht. Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, dürfte nicht vergessen haben, dass es Röttgen war, der nach der Bundestagswahl seinen Stuhl haben wollte, sagt Ralph Bollmann von der "taz".
"Und über allem schwebt die Frage der Koalitionsoptionen. Und da steht Röttgen in dem nicht unbegründeten Verdacht, er strebe eine schwarz-grüne Koalition als Wunschkoalition an und nicht eben nur als Notlösung. Letzteres würden wahrscheinlich alle in der Union unterschreiben, auch Konservative. Aber dass als erstrebenswertes Ziel zu sehen, geht vielen zu weit. Und aus dieser Gemengelage ist eben dieser Vorstoß der Fraktion entstanden, ein Szenario mit 28 Jahren Laufzeitverlängerung, also eine Gesamtlaufzeit von 60 Jahren durchzurechnen."
Die Gelegenheit war einfach günstig: Die Gegner des Umweltministers konnten ihm eins auswischen, ohne selber viel zu riskieren. Denn die 28 Jahre Laufzeitverlängerung werden erst mal nur durchgerechnet, mehr nicht. Niemand muss im Wahlkreis eine unpopuläre Maßnahme erklären. Uns so scheint auf den ersten Blick Norbert Röttgen recht alleine da zu stehen. Doch durch den Aufstand der Atomfreunde in der Unionsfraktion ist Kernkraft zum Wahlkampfthema in Nordrhein-Westfalen geworden. Pikant: Einiges spreche dafür, dass einer Laufzeitverlängerung auch der Bundesrat zustimmen müsse, sagt Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen:
"Und sollte es zu einem Ergebnis in NRW kommen, wo Schwarz-Gelb nicht mehr die Mehrheit hat, wenn also die Grünen dabei wären, egal in welcher Konstellation, dann wäre völlig klar, dass es ein Ja zur Laufzeitverlängerung nicht geben wird aus NRW."
Und dann könnte ein Norbert Röttgen, der sich als Atomskeptiker zumindest präsentiert hat, wieder Oberwasser gewinnen, sagt "taz"-Korrespondent Ralph Bollmann:
"Und von daher glaube ich, dass langfristig gedacht Röttgen da nicht in einer schlechten Position ist."
Denn es könnte sich bestätigen, dass Atomkraft ein Verliererthema ist. Das scheint auch Atombefürworter Pfeiffer zu spüren, wenn er sagt:
"Politik heißt auch nicht immer anderen nach dem Mund reden oder allen Modetorheiten nachspringen, sondern mal seine sachlich begründeten Anliegen zu verfolgen und umzusetzen."
Trotz Etappensieg – eine Laufzeitverlängerung zumal von 28 Jahren nicht nur prüfen zu lassen, sondern auch durchzusetzen, werde der Union sehr schwer fallen, sagt Tobias Münchmeyer, stellvertretender Leiter des Greenpeace-Büros in Berlin.
"Das Jahr 2011 wird erneut ein Superwahljahr, da stehen ganz, ganz wichtige Entscheidungen getroffen. Auch, dass es im Herbst sehr großen Protest gegen Atomkraft geben wird, steht jetzt schon fest. Und da möchte ich mal sehen, wie die Union das durchdrücken will - eine Entscheidung, die gegen den Willen der großen Mehrheit in Deutschland ist."
Was der Sprecher des Umweltministeriums, da vergangen Freitag verkündete, war eine Ohrfeige für seinen Chef: Denn Bundesumweltminister Norbert Röttgen, CDU, hatte sich festgelegt: Deutsche Atomkraftwerke dürfen nicht länger als 40 Jahre am Netz bleiben, ihre Laufzeit könne daher maximal um acht Jahre verlängert werden. Nun beschlossen seine Parteifreunde in der Fraktion: Für das Energiekonzept der Bundesregierung soll auch geprüft werden, ob die Laufzeit nicht um 28 Jahre werden kann. Zwar ist eine Laufzeitverlängerung damit noch längst nicht beschlossen - schon gar nicht um 28 Jahre. Doch die Atomfreunde in der Union nutzen die günstige Gelegenheit, um Röttgen eins auszuwischen, sagt Ralph Bollmann, Parlamentskorrespondent der "taz". Jetzt zeige sich ein Grundsatzkonflikt innerhalb der Union:
"Da kommen mehrere Motive zusammen. Das eine sind die Wirtschafts- und Energiepolitiker der Union, die teilweise traditionell sehr eng verbandelt sind mit den Interessen der Atomwirtschaft. Da ist zum Beispiel der Abgeordnete Pfeiffer, der bei der Vorgängerfirma von EnBW gearbeitet hat; da ist Michael Fuchs aus Rheinland-Pfalz. Also das ist sozusagen Atomlobby."
Atomlobbyist, das weist Joachim Pfeiffer zurück. Sicher ist er aber einer der feurigsten Kämpfer für die Atomkraft in Deutschland. Pfeiffer ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion und einer der Initiatoren des umstrittenen Prüfauftrags. Denn, so Pfeiffer mit Blick auf den CDU-Umweltminister: "Wer nicht hören will, muss fühlen". Immer wieder hätten seine Leute von Umweltminister Röttgen verlangt, auch 28 Jahre Laufzeitverlängerung in Betracht zu ziehen – jetzt, so CDU-Mann Pfeiffer wörtlich, sei "das Maß voll" gewesen, weil Röttgen darauf beharre, die Laufzeit nur um acht Jahre zu verlängern:
"Da liegt er klar falsch natürlich, das von vornherein zu sagen. International üblich sind heute mindestens 60 Jahre für Kernkraftwerke, was Laufzeiten angeht. Also ist es ja wohl eine Selbstverständlichkeit, dass wir dieses Szenario, was international üblich ist, also plus 28 Jahre in einem solchen Energiekonzept auch rechnen."
Unterstützt haben Pfeiffer auch die Ministerpräsidenten der südlichen Bundesländer Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, wo Atomkraft immer schon eine beliebte Art der Energieerzeugung war. Diesen wirtschaftsnahen Vertretern passt nicht, dass Röttgen auf Abstand geht zur Atomkraft - nicht weil dem Minister die Technik suspekt oder die ungeklärte Entsorgung unheimlich wäre. Sondern: Röttgen lässt in Interviews durchblicken, dass er Atomkraft für ein Verliererthema hält, mit dem keine Wahlen zu gewinnen sind. Dass die Unionsfraktion ihrem Minister deshalb mal zurecht gewiesen habe, will der CDU-Abgeordnete Pfeiffer nicht sagen:
"Also für mich ist das keine Frage von Personen oder Zurechtweisen. Wer hat da jetzt gewonnen oder nicht gewonnen. Es geht hier um eine zentrale sachpolitische Frage dieser Regierung. Das haben wir zehn Jahre vertreten. Wir haben diesen Ausstieg immer für falsch gehalten und wir haben immer gesagt, wenn wir die Möglichkeit haben, das zu ändern, dann werden wir das ändern."
AKWs länger laufen lassen, das will ja auch Norbert Röttgen, nur eben nicht so lange. Zu diesen inhaltlichen Differenzen mischen sich persönliche Animositäten, glaubt Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen:
"Es geht natürlich auch um Macht. Ich glaube, dass da ein Ehrgeizling ein stückweit gedeckelt werden soll."
Vielen Konservativen in der Unionsfraktion passt Röttgens recht eigenständiger Kurs nicht. Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, dürfte nicht vergessen haben, dass es Röttgen war, der nach der Bundestagswahl seinen Stuhl haben wollte, sagt Ralph Bollmann von der "taz".
"Und über allem schwebt die Frage der Koalitionsoptionen. Und da steht Röttgen in dem nicht unbegründeten Verdacht, er strebe eine schwarz-grüne Koalition als Wunschkoalition an und nicht eben nur als Notlösung. Letzteres würden wahrscheinlich alle in der Union unterschreiben, auch Konservative. Aber dass als erstrebenswertes Ziel zu sehen, geht vielen zu weit. Und aus dieser Gemengelage ist eben dieser Vorstoß der Fraktion entstanden, ein Szenario mit 28 Jahren Laufzeitverlängerung, also eine Gesamtlaufzeit von 60 Jahren durchzurechnen."
Die Gelegenheit war einfach günstig: Die Gegner des Umweltministers konnten ihm eins auswischen, ohne selber viel zu riskieren. Denn die 28 Jahre Laufzeitverlängerung werden erst mal nur durchgerechnet, mehr nicht. Niemand muss im Wahlkreis eine unpopuläre Maßnahme erklären. Uns so scheint auf den ersten Blick Norbert Röttgen recht alleine da zu stehen. Doch durch den Aufstand der Atomfreunde in der Unionsfraktion ist Kernkraft zum Wahlkampfthema in Nordrhein-Westfalen geworden. Pikant: Einiges spreche dafür, dass einer Laufzeitverlängerung auch der Bundesrat zustimmen müsse, sagt Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen:
"Und sollte es zu einem Ergebnis in NRW kommen, wo Schwarz-Gelb nicht mehr die Mehrheit hat, wenn also die Grünen dabei wären, egal in welcher Konstellation, dann wäre völlig klar, dass es ein Ja zur Laufzeitverlängerung nicht geben wird aus NRW."
Und dann könnte ein Norbert Röttgen, der sich als Atomskeptiker zumindest präsentiert hat, wieder Oberwasser gewinnen, sagt "taz"-Korrespondent Ralph Bollmann:
"Und von daher glaube ich, dass langfristig gedacht Röttgen da nicht in einer schlechten Position ist."
Denn es könnte sich bestätigen, dass Atomkraft ein Verliererthema ist. Das scheint auch Atombefürworter Pfeiffer zu spüren, wenn er sagt:
"Politik heißt auch nicht immer anderen nach dem Mund reden oder allen Modetorheiten nachspringen, sondern mal seine sachlich begründeten Anliegen zu verfolgen und umzusetzen."
Trotz Etappensieg – eine Laufzeitverlängerung zumal von 28 Jahren nicht nur prüfen zu lassen, sondern auch durchzusetzen, werde der Union sehr schwer fallen, sagt Tobias Münchmeyer, stellvertretender Leiter des Greenpeace-Büros in Berlin.
"Das Jahr 2011 wird erneut ein Superwahljahr, da stehen ganz, ganz wichtige Entscheidungen getroffen. Auch, dass es im Herbst sehr großen Protest gegen Atomkraft geben wird, steht jetzt schon fest. Und da möchte ich mal sehen, wie die Union das durchdrücken will - eine Entscheidung, die gegen den Willen der großen Mehrheit in Deutschland ist."