"Marschieren wir gegen den Osten? Nein! Marschieren wir gegen den Westen? Nein! Wir marschieren für die Welt, die von Waffen nichts mehr hält, denn das ist für uns am besten. Ja!"
"Die heutige Jugend wird wahrscheinlich sagen: Uaaah, was soll das? Das ist ja uralt! Aber für uns war das eben der Ostermarsch. Da hatte man schon fast eine Gänsehaut auf dem Rücken, wenn die ersten Lieder kamen und die ersten Fahnen um die Ecke bogen. Dann waren wir wieder dabei!"
Alois Stoff und Christa Clausen haben den alten Plattenspieler vom Dachboden ins Wohnzimmer getragen und auf dem Esstisch aufgebaut. Um sie herum stapeln sich alte Fotoalben, Aktenordner mit Flugblättern und Zeitungsausschnitten. Während sich die Nadel des Plattenspielers ihren Weg durch die staubige Rille sucht, wippen die Füße der beiden Rentner im Takt. Der ehemalige Landesvorsitzende der Deutschen Friedensgesellschaft in NRW fährt sich energisch durchs schlohweiße Haar und schiebt sich die Brille auf der Nase zurecht.
"Meine Familie ist der Ostermarsch, ist die Friedensbewegung. Da fühle ich mich heimisch."
Schon beim ersten Ostermarsch 1960 in Hamburg ist er mitmarschiert. Von britischen Demonstranten hatten sie sich diese Art des Protestes abgeguckt. Die waren ein Jahr zuvor das erste Mal mit mit Musik, lautem Gesang und bunten Spruchbändern von London ins 80 Kilometer entfernte Atomforschungszentrum Aldermaston marschiert. Der Erfolg war groß und Alois Stoff begeistert. Beim ersten Ostermarsch im Ruhrgebiet, den er 1961 mitorganisierte, sah das allerdings ganz anders aus:
"Das war noch eine miese Stimmung, weil sich wenig Leute daran beteiligten. Das Wetter war schlecht und wir zogen, ohne dass wir einen Lautsprecher benutzen durften. Die polizeiliche Auflage war an Wiesen vorbei und nicht an bebautem Gelände, so dass uns ja nicht die Leute wahrnehmen konnten. Das hat uns schon tief betrübt."
Ostermarsch, das sei ihr Leben, sagt der 85-Jährige, seine 65-jährige Lebensgefährtin nickt. Und es war auch ein Ostermarsch, der die beiden zusammen brachte. Dass die Bewegung zweifelsohne bis heute einen großen Platz im Leben der beiden einnimmt, ist unschwer zu erkennen: Im Keller des gemeinsamen Einfamilienhauses im Essener Stadtteil Schonnebeck stapeln sich aufgerollte Transparente, die Schubladen sind voll mit Protestbriefen an die Weltpolitik, und an den Wänden hängen gerahmte Tuschzeichnungen von Friedenstauben und zerbrochenen Gewehren.
"Das sind Abzeichen von den Ostermärschen. 1962, 1963, das war 1963 der Aldermaston-Marsch an dem ich teilgenommen habe."
Es waren seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, die Alois Stoff zur Friedensbewegung brachten. Als Freiwilliger hatte er sich mit 17 Jahren gemeldet, um für Deutschland zu kämpfen. Danach war für ihn klar: Nie wieder Krieg. Als der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer Ende der 50er-Jahre dann für eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr eintrat, war für den Schlosser klar, eine neue Form des Protests muss her.
Der Essener blättert in einem großen Fotoalbum und streicht vorsichtig über die vergilbten Bilder. Bei einem hält er inne. Darauf er mit wilder Haartolle beim Ostermarsch 1961:
"Mir wurde ein Plakat beschlagnahmt, da stand drauf: Adenauer war in seinem Leben nie Soldat, seinem Beispiel wollen wir folgen. Das ist beschlagnahmt worden. Majestätsbeleidigung!"
Wer sich damals gegen die Wiederaufrüstung aussprach, galt als Kommunist - oder wurde als Spinner belächelt. Daran erinnert sich Alois Stoff noch gut. Doch der Widerstand formierte sich schnell. Mitte der 60er-Jahre gingen schon Tausende Menschen mit auf die Straße, um gegen den Vietnamkrieg, die deutschen Notstandsgesetze oder für eine Anerkennung der DDR seitens der BRD zu demonstrieren:
"Oft ist uns gesagt worden: ,Geht doch rüber!' Und da haben wir gefragt: ,und wer demonstriert hier, wenn wir rüber gehen? Unser Platz ist hier, denn wir wohnen hier und wir demonstrieren hier für den Frieden. Und Euer Argument ist lächerlich. Das kann ich gar nicht für ernst nehmen."
Dass das Ministerium für Staatssicherheit der DDR in den 70er- und 80er-Jahren Einfluss auf die westdeutsche Friedensbewegung genommen hat, ist historisch belegt. Alois Stoff und seine Lebensgefährtin wollen davon allerdings nichts hören. Christa Clausen schüttelt mit dem Kopf und ihre bebrillten Augen schauen ernst. Den Ostermaschierern sei es immer um den Stopp des Wettrüstens gegangen, betont sie. 1983 beispielsweise, als im Westen Deutschlands 300 000 Menschen gegen den NATO-Doppelbeschluss zur Stationierung von Kurz- und Mittelstrecken-Atomwaffen demonstrierten:
"Frieden wollte ich jetzt nicht mit England, Frankreich oder Holland, der war ja durch die Regierungen schon gegeben. Wenn ich Frieden haben will, dann muss ich den auf der Seite der sogenannten Gegner suchen. Und das war ja dann laut offizieller Politik die DDR und die Sowjetunion."
Auch wenn heute nur noch ein paar hundert Teilnehmer marschieren,, sind die beiden überzeugt, dass die Friedensbewegung in den 50 Jahren einiges erreicht hat. US-Präsident Barack Obama oder auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle schreiben sich die atomare Abrüstung wie selbstverständlich auf ihre politischen Fahnen.
"Also ich bin schon stolz, so lange bei der Ostermarsch- und der Friedensbewegung zu sein.Und ich denke, wenn es meine Kräfte zulassen, werde ich auch noch weitere 50 Jahre dabei sein. Aber ich hoffe, dass es nicht mehr so lange nötig ist."
60 Ostermärsche werden am Wochenende stattfinden. Der Protest gilt in diesem Jahr dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Aktueller kann der Aufhänger für die Ostermarschierer nicht sein.
Alois Stoff und Christa Clausen sind dabei und hoffen, dass der Nachwuchs nicht wieder weg bleibt.. Junge Leute für ihr Anliegen zu begeistern, fällt sehr schwer, stellen die beiden selbstkritisch fest: Es fehlt wohl der Event-Charakter:
"Natürlich müssten wir denen heute ein bisschen mehr Aktivitäten - oder Action wie das heute heißt - bieten. Und nicht nur ein Marsch zu Ostern. Man kann die Jugend schon mobilisieren, wenn man sie für die Themen begeistern kann. Aber das geht nicht nur durch Referate und Vortrags- und Schulungsveranstaltungen. Wir müssen da irgendwie noch was finden, wo die Kreativität der Jugend gefragt wird."
Alois Stoff kramt in einer Holzkiste und legt eine alte Ostermarschplatte auf. Wenn sie die Augen schließen, werden die Erinnerungen sofort wieder wach: An die Skiffle-Gruppen, die für Stimmung sorgten und die Märsche zum Volksfest machten. Beide sind überzeugt davon: Es kann wieder werden wie es einmal war: Ein Happening.
"Wer den Frieden will, muss dafür was tun. Das ist doch klar. Darum gehen wir in der Welt herum. Das ist doch klar. Uns soll es an den Kragen. Ojaaa. Wir solln die Folgen tragen. Ojaaa. Wir wolln dazu was sagen. Ojaaa ..."
"Die heutige Jugend wird wahrscheinlich sagen: Uaaah, was soll das? Das ist ja uralt! Aber für uns war das eben der Ostermarsch. Da hatte man schon fast eine Gänsehaut auf dem Rücken, wenn die ersten Lieder kamen und die ersten Fahnen um die Ecke bogen. Dann waren wir wieder dabei!"
Alois Stoff und Christa Clausen haben den alten Plattenspieler vom Dachboden ins Wohnzimmer getragen und auf dem Esstisch aufgebaut. Um sie herum stapeln sich alte Fotoalben, Aktenordner mit Flugblättern und Zeitungsausschnitten. Während sich die Nadel des Plattenspielers ihren Weg durch die staubige Rille sucht, wippen die Füße der beiden Rentner im Takt. Der ehemalige Landesvorsitzende der Deutschen Friedensgesellschaft in NRW fährt sich energisch durchs schlohweiße Haar und schiebt sich die Brille auf der Nase zurecht.
"Meine Familie ist der Ostermarsch, ist die Friedensbewegung. Da fühle ich mich heimisch."
Schon beim ersten Ostermarsch 1960 in Hamburg ist er mitmarschiert. Von britischen Demonstranten hatten sie sich diese Art des Protestes abgeguckt. Die waren ein Jahr zuvor das erste Mal mit mit Musik, lautem Gesang und bunten Spruchbändern von London ins 80 Kilometer entfernte Atomforschungszentrum Aldermaston marschiert. Der Erfolg war groß und Alois Stoff begeistert. Beim ersten Ostermarsch im Ruhrgebiet, den er 1961 mitorganisierte, sah das allerdings ganz anders aus:
"Das war noch eine miese Stimmung, weil sich wenig Leute daran beteiligten. Das Wetter war schlecht und wir zogen, ohne dass wir einen Lautsprecher benutzen durften. Die polizeiliche Auflage war an Wiesen vorbei und nicht an bebautem Gelände, so dass uns ja nicht die Leute wahrnehmen konnten. Das hat uns schon tief betrübt."
Ostermarsch, das sei ihr Leben, sagt der 85-Jährige, seine 65-jährige Lebensgefährtin nickt. Und es war auch ein Ostermarsch, der die beiden zusammen brachte. Dass die Bewegung zweifelsohne bis heute einen großen Platz im Leben der beiden einnimmt, ist unschwer zu erkennen: Im Keller des gemeinsamen Einfamilienhauses im Essener Stadtteil Schonnebeck stapeln sich aufgerollte Transparente, die Schubladen sind voll mit Protestbriefen an die Weltpolitik, und an den Wänden hängen gerahmte Tuschzeichnungen von Friedenstauben und zerbrochenen Gewehren.
"Das sind Abzeichen von den Ostermärschen. 1962, 1963, das war 1963 der Aldermaston-Marsch an dem ich teilgenommen habe."
Es waren seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, die Alois Stoff zur Friedensbewegung brachten. Als Freiwilliger hatte er sich mit 17 Jahren gemeldet, um für Deutschland zu kämpfen. Danach war für ihn klar: Nie wieder Krieg. Als der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer Ende der 50er-Jahre dann für eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr eintrat, war für den Schlosser klar, eine neue Form des Protests muss her.
Der Essener blättert in einem großen Fotoalbum und streicht vorsichtig über die vergilbten Bilder. Bei einem hält er inne. Darauf er mit wilder Haartolle beim Ostermarsch 1961:
"Mir wurde ein Plakat beschlagnahmt, da stand drauf: Adenauer war in seinem Leben nie Soldat, seinem Beispiel wollen wir folgen. Das ist beschlagnahmt worden. Majestätsbeleidigung!"
Wer sich damals gegen die Wiederaufrüstung aussprach, galt als Kommunist - oder wurde als Spinner belächelt. Daran erinnert sich Alois Stoff noch gut. Doch der Widerstand formierte sich schnell. Mitte der 60er-Jahre gingen schon Tausende Menschen mit auf die Straße, um gegen den Vietnamkrieg, die deutschen Notstandsgesetze oder für eine Anerkennung der DDR seitens der BRD zu demonstrieren:
"Oft ist uns gesagt worden: ,Geht doch rüber!' Und da haben wir gefragt: ,und wer demonstriert hier, wenn wir rüber gehen? Unser Platz ist hier, denn wir wohnen hier und wir demonstrieren hier für den Frieden. Und Euer Argument ist lächerlich. Das kann ich gar nicht für ernst nehmen."
Dass das Ministerium für Staatssicherheit der DDR in den 70er- und 80er-Jahren Einfluss auf die westdeutsche Friedensbewegung genommen hat, ist historisch belegt. Alois Stoff und seine Lebensgefährtin wollen davon allerdings nichts hören. Christa Clausen schüttelt mit dem Kopf und ihre bebrillten Augen schauen ernst. Den Ostermaschierern sei es immer um den Stopp des Wettrüstens gegangen, betont sie. 1983 beispielsweise, als im Westen Deutschlands 300 000 Menschen gegen den NATO-Doppelbeschluss zur Stationierung von Kurz- und Mittelstrecken-Atomwaffen demonstrierten:
"Frieden wollte ich jetzt nicht mit England, Frankreich oder Holland, der war ja durch die Regierungen schon gegeben. Wenn ich Frieden haben will, dann muss ich den auf der Seite der sogenannten Gegner suchen. Und das war ja dann laut offizieller Politik die DDR und die Sowjetunion."
Auch wenn heute nur noch ein paar hundert Teilnehmer marschieren,, sind die beiden überzeugt, dass die Friedensbewegung in den 50 Jahren einiges erreicht hat. US-Präsident Barack Obama oder auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle schreiben sich die atomare Abrüstung wie selbstverständlich auf ihre politischen Fahnen.
"Also ich bin schon stolz, so lange bei der Ostermarsch- und der Friedensbewegung zu sein.Und ich denke, wenn es meine Kräfte zulassen, werde ich auch noch weitere 50 Jahre dabei sein. Aber ich hoffe, dass es nicht mehr so lange nötig ist."
60 Ostermärsche werden am Wochenende stattfinden. Der Protest gilt in diesem Jahr dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Aktueller kann der Aufhänger für die Ostermarschierer nicht sein.
Alois Stoff und Christa Clausen sind dabei und hoffen, dass der Nachwuchs nicht wieder weg bleibt.. Junge Leute für ihr Anliegen zu begeistern, fällt sehr schwer, stellen die beiden selbstkritisch fest: Es fehlt wohl der Event-Charakter:
"Natürlich müssten wir denen heute ein bisschen mehr Aktivitäten - oder Action wie das heute heißt - bieten. Und nicht nur ein Marsch zu Ostern. Man kann die Jugend schon mobilisieren, wenn man sie für die Themen begeistern kann. Aber das geht nicht nur durch Referate und Vortrags- und Schulungsveranstaltungen. Wir müssen da irgendwie noch was finden, wo die Kreativität der Jugend gefragt wird."
Alois Stoff kramt in einer Holzkiste und legt eine alte Ostermarschplatte auf. Wenn sie die Augen schließen, werden die Erinnerungen sofort wieder wach: An die Skiffle-Gruppen, die für Stimmung sorgten und die Märsche zum Volksfest machten. Beide sind überzeugt davon: Es kann wieder werden wie es einmal war: Ein Happening.
"Wer den Frieden will, muss dafür was tun. Das ist doch klar. Darum gehen wir in der Welt herum. Das ist doch klar. Uns soll es an den Kragen. Ojaaa. Wir solln die Folgen tragen. Ojaaa. Wir wolln dazu was sagen. Ojaaa ..."