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Streit um Franz Marcs „Füchse“
Restitution mit Makel?

Wenn es um Rückgabe von NS-Raubkunst geht, dann spielt bei nicht eindeutig geklärter Herkunft eines Bildes auch die moralische Verantwortung eine entscheidende Rolle. In Düsseldorf steht nun die Frage im Raum, ob bei Franz Marcs "Füchsen" Moral und Fakten gegeneinander ausgespielt werden.

Von Stefan Koldehoff | 26.03.2021
In einer umstrittenen Entscheidung hat die "Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz" der Stadt Düsseldorf mehrheitlich empfohlen, das Gemälde "Füchse" des Expressionisten Franz Marc (1880-1916) an die Erben des jüdischen Bankiers Kurt Grawi zurückzugeben. Das Hauptwerk des Malers von 1913 hängt seit 1962 im damaligen Kunstmuseum Düsseldorf, das inzwischen Kunstpalast heißt. Expert*innen schätzen den aktuellen Marktwert auf 15-25 Millionen Euro. Im Laufe der Beratungen hatte es zwischen der Stadt Düsseldorf als aktueller Eigentümerin des Bildes und der Beratenden Kommission nach Informationen des Deutschlandfunks erhebliche Auseinandersetzungen und den Antrag der Stadt gegeben, ein Kommissionsmitglied wegen Befangenheit von den weiteren Beratungen auszuschließen.

Angemessener Kaufpreis oder nicht?

Kurt Grawi wurde ab spätestens 1933 von den Nationalsozialisten verfolgt und im KZ Sachsenhausen inhaftiert. 1939 gelang ihm gemeinsam mit seiner Frau Else die Flucht aus Deutschland zur Familie seiner Frau nach Santiago de Chile. Das Gemälde von Franz Marc konnte er an einen Freund nach New York schicken. Ein Kaufangebot des Museums of Modern Art lehnte er ab, um das Gemälde 1940 an den in die USA emigrierten Kunsthändler Karl Nierendorf zu verkaufen. Nach mehreren Zwischenstationen erwarb 1961 der Unternehmer Helmut Horten das Bild aus dem Schweizer Kunsthandel; 1962 stiftete er es dem damaligen Düsseldorfer Kunstmuseum, das heute Kunstpalast heißt.
Weil Grawi das Gemälde unter NS-Druck verkaufen musste, fordern es seine Erben seit mehreren Jahren von der Stadt Düsseldorf zurück. Die Stadt Düsseldorf hält dagegen den Kaufpreis für angemessen und glaubt, dass Grawi das Geld im Exil auch zur freien Verfügung erhielt. Alle drei Fragen sind entscheidende Prüfkriterien in strittigen Raubkunstfällen. Im Herbst 2017 schlug die Stadt Düsseldorf deshalb die Anrufung der Beratenden Kommission vor; ein Jahr später stimmte die Erbengemeinschaft nach Kurt Grawi dem zu.
Hans-Jürgen Papier mit Mikrofon in der Hand.
Rückgabe von NS-Raubkunst - Endlich ernsthaft diskutieren
Die Limbach-Kommission zur Rückgabe von NS-Raubkunst muss effektiver werden. Ihr Leiter Hans-Jürgen Papier will das durch ein Gesetz erreichen. Die FDP forderte im Kulturausschuss des Bundestags eine komplette Neuorganisation. Stefan Koldehoff findet die Diskussion darüber richtig und wichtig.

In der entscheidenden Anhörung am 10. Februar hatte ein Kommissionsmitglied, die Politikerin Marieluise Beck, ihre Meinung zum Fall schon mitgeteilt, als noch gar nicht alle Fakten vorgetragen waren. Während die Anwälte der Grawi-Erben ihre Erkenntnisse noch vortrugen und die Stadt Düsseldorf noch gar keine Gelegenheit hatte, ihre Position zu begründen, schrieb Beck laut Unterlagen, die dem Deutschlandfunk vorliegen, in den Chat der Videokonferenz für alle Teilnehmenden sichtbar: "Ein brillantes Plädoyer. Eigentlich sollte man gar nicht mehr diskutieren müssen. Dass Horten auch noch den Nazis nahestand, macht es zusätzlich pikant. Und das ist noch ein Euphemismus."

Kommission legt keinen Wert mehr auf Einstimmigkeit

Der Düsseldorfer Kulturdezernent Hans-Georg Lohe beantragte daraufhin, Beck wegen Befangenheit von der weiteren Beratung auszuschließen: "Die Landeshauptstadt Düsseldorf lehnt nach allem eine Mitwirkung des Kommissionsmitgliedes Beck an der Entscheidungsfindung ab." Die NS-Verstrickung des Kaufhaus-Milliardärs Horten habe zudem nichts mit dem Verkauf des Bildes im Jahr 1940 zu tun. Der Antrag wurde von der Kommission abgelehnt. Der Kommentar ‚Eigentlich sollte man nicht mehr diskutieren müssen‘ lasse nicht erkennen, dass sich Beck bei ihrer Entscheidungsfindung weiteren Argumenten verschließen würde. Die Entscheidung, eine Restitution zu empfehlen, fiel mit 6 zu 3 Stimmen. Schon seit einiger Zeit legt die Kommission keinen Wert mehr auf Einstimmigkeit. Ein Platz in der Kommission war zum Zeitpunkt der Kampfstimmung seit Monaten unbesetzt.