Dienstag, 30. April 2024

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Streit um Iran-Atomabkommen
"Trump hat seine Rhetorik etwas gemäßigt"

Nach Ansicht von Friedrich Merz, Vorsitzender der Organisation Atlantik-Brücke, hat der Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Weißen Haus Bewegung in den Streit um das Atomabkommen mit dem Iran gebracht. Die Chance, das Abkommen nachzuverhandeln, sollte genutzt werden, sagte Merz im Dlf.

Friedrich Merz im Gespräch mit Sarah Zerback | 25.04.2018
    Emmanuel Macron und Donald Trump mit ihren Frauen Melania Trump und Brigitte Macron
    Ein Geschenk aus Frankreich: Macron und Trump pflanzen im Beisein der First Ladys einen Baum im Garten des Weißen Hauses (imago / Zuma Press)
    Sarah Zerback: Donald Trump lässt nicht jeden ins Weiße Haus, zumindest nicht, wenn es um einen Staatsbesuch geht. Mit der Premiere hat er sich so lange Zeit gelassen, wie keiner seiner Vorgänger, und für Emmanuel Macron dann gleich so, dass es protokollarisch gar nicht mehr zu toppen ist. Macron ist für Trump wohl das, was Merkel für Obama war: die erste Adresse in Europa. Der ist allerdings nicht für schöne Fernsehbilder nach Washington gekommen, sondern als eine Art Abgesandter Europas, um auszuloten, wie das Atomabkommen mit dem Iran zum Beispiel noch zu retten ist und ein Handelskrieg noch zu verhindern. Für seinen ersten Besuch im Weißen Haus hat Emmanuel Macron den Roten Teppich ausgerollt bekommen – mit allen Ehren. Aber ob auch substanziell was aus dem Treffen herausgekommen ist, das ist eine andere Frage, und die können wir jetzt besprechen mit Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der Atlantik-Brücke. Guten Morgen, Herr Merz.
    Friedrich Merz: Guten Morgen, Frau Zerback.
    Zerback: Ist der französische Präsident der Trump-Flüsterer?
    Merz: Das geht mir etwas zu sehr ins Emotionale. Wichtig ist, was in der Substanz bei solchen Staatsbesuchen herauskommt, und wenn da sich zwei Präsidenten gut verstehen, dann ist das die Voraussetzung dafür, dass in der Substanz etwas herauskommen kann, und dafür scheint der Besuch gut geeignet gewesen zu sein.
    Zerback: Das ist ja auch die Frage. Die freundschaftliche Ebene, die Gesten, die standen ja doch sehr im Vordergrund bei diesem Treffen. Wie schätzen Sie das denn ein? Wie wichtig ist Trump das bei seiner Außenpolitik, genau auf diese persönliche Ebene zu setzen?
    Merz: Das scheint dem Präsident überproportional wichtig zu sein. Aber Ihr Kollege aus Washington hat eben zurecht darauf hingewiesen: Eine ähnlich gute und auch gestenreiche persönliche Beziehung hat es zwischen Obama und Angela Merkel gegeben. Und derjenige, der aus Europa in Washington diesen Zugang hat, spricht nicht nur für sein eigenes Land, sondern auch für die gesamte Europäische Union. Diese Rolle scheint jetzt Emmanuel Macron zu übernehmen, und das ist gut für Europa.
    "Wir werden uns noch etwas gedulden müssen"
    Zerback: Er hat ja in den vergangenen Monaten immer wieder lobende Worte für Donald Trump gefunden und hat sich da hoch diplomatisch gezeigt, wenn man das so ausdrücken möchte. Trägt denn das jetzt auch messbare Früchte, oder ist außer schönen Bildern nichts gewesen?
    Merz: Ob dies messbare Früchte trägt, wird man in den nächsten Tagen und Wochen sehen. Man wird wahrscheinlich am Ende dieser Woche beide Besuche zusammenaddieren müssen und nach der Substanz noch einmal fragen müssen, wenn Angela Merkel am Freitag dann zu ihrem Arbeitsbesuch in Washington gewesen ist, der übrigens von der Werthaltigkeit aus meiner Sicht nicht weniger bedeutend ist als der Besuch von Macron in diesen Tagen vorher. Und entscheidend wird sein, ob dann am 1. Mai tatsächlich diese Zölle in Kraft treten gegenüber der Europäischen Union und ob am 12. Mai das Iran-Abkommen von Amerika einseitig gekündigt wird oder nicht. Wir werden uns noch etwas gedulden müssen, um zu sehen, ob es in der Substanz da wirklich Fortschritte gegeben hat.
    Zerback: Jetzt haben Sie den Besuch der Kanzlerin am Freitag schon angesprochen. Wie stehen denn diese beiden Besuche miteinander in Beziehung? Hat Macron quasi Trump als "Good Cop" aufgewärmt, bevor dann am Freitag der "Bad Cop" Merkel kommt?
    Merz: So würde ich es nicht sehen. Das mag vielleicht von dem einen oder anderen Kolumnisten so überzeichnet werden. Ja, Trump verteilt seine Sympathien etwas einseitig. Aber noch einmal: Darauf kommt es im Ergebnis und in der Substanz nicht an. Wichtig ist, dass die Europäer geschlossen auftreten, dass sie eine einheitliche politische Meinung in Washington vortragen und dass sie sich auch vor und nach solchen Besuchen eng miteinander abstimmen, und das funktioniert ganz offensichtlich zwischen Macron und Angela Merkel auf dieser Seite des Atlantiks und das ist das Entscheidende. Ob das nun mit einer Militärparade verbunden wird oder mit einem schönen Abendessen, das ist, offen gestanden, aus meiner Sicht zweitrangig.
    "Eine gute Arbeitsteilung auf der europäischen Seite"
    Zerback: Macron ist, wie Sie sagen, tatsächlich in der Gunst des amerikanischen Präsidenten ganz weit oben, als Nummer eins in Europa. Hat er damit recht? Schrumpft Deutschlands Einfluss in der Welt?
    Merz: Das würde ich an diesem Thema jetzt so nicht festmachen. Ich finde es schon mal grundsätzlich gut, dass es überhaupt wieder zwischen einem französischen Präsidenten und einem amerikanischen Präsidenten ein so gutes persönliches Verhältnis gibt. Das war in den letzten Jahren und Jahrzehnten häufig ganz anders und das hat weder den beteiligten Ländern gut getan, noch den transatlantischen Beziehungen. Insofern sollten wir uns auch aus deutscher Sicht darüber freuen, dass dieser Staatsbesuch offensichtlich so gut gelaufen ist, jedenfalls bisher. Macron ist ja noch da und wird heute auch vor dem Kongress sprechen. Da wird man sehen müssen, was dabei herauskommt. Das ist ja auch nicht so ganz ohne Bedeutung. Auch die Einladung, vor dem Kongress zu sprechen, ist für sich genommen ein gutes Zeichen. Angela Merkel hat das schon gemacht; so was macht man ja auch nicht jedes Jahr. Insofern ist das eine gute Arbeitsteilung auf der europäischen Seite. Und was gut ist für Frankreich und was gut ist auch für einzelne Länder in Europa, ist gut für die gesamte Europäische Union. Das tut den transatlantischen Beziehungen insgesamt gut.
    Zerback: Nun ist Macron ja dort, Sie haben das schon angesprochen, um ein paar Kohlen aus dem Feuer zu holen, allen voran das Atomabkommen mit dem Iran, um das zu retten. Glauben Sie, das ist ihm gelungen? Da schien sich ja selbst Donald Trump in seinem Statement nicht so ganz sicher.
    Merz: Und dass er da nicht so ganz klar und eindeutig war, ist aus meiner Sicht zunächst schon einmal ein gutes Zeichen. Offensichtlich hat es in dieser Frage in den Gesprächen zwischen Macron und Trump Bewegung gegeben. Trump hat seine Rhetorik nach den Gesprächen etwas gemäßigt. Das hat man deutlich erkennen können. Vorher und nachher hat es Unterschiede gegeben in seiner Bewertung dieses Abkommens. Und vielleicht gelingt es den Europäern in gemeinsamer Anstrengung, dieses Abkommen zu retten. Sie haben ja auch mit verhandelt. Es ist ja nicht so, als ob wir da von der Seitenlinie aus ein Abkommen kommentieren, das von den Amerikanern einseitig ausverhandelt worden ist, sondern Europa hat ja mit am Tisch gesessen: Großbritannien, Deutschland, Frankreich. Insofern ist es ein gutes Zeichen, dass hier offensichtlich ein bisschen Bewegung in das Thema hineinkommt. Und wie gesagt: Das Ergebnis wird man am 12. Mai sehen.
    Zerback: Nun wollen ja alle anderen außer den USA, die damals unterzeichnet haben, gerade an diesem Abkommen nicht rütteln. Ist es denn jetzt besser, das Abkommen nachzubessern, als es platzen zu lassen?
    Merz: Es ist gut, dass es überhaupt ein solches Abkommen gibt, und wenn es eine Chance gibt, es nachzuverhandeln – und in der Tat: dieses Abkommen ist nicht perfekt -, dann sollte man diese Chance nutzen. Aber wichtig ist, dass es in Kraft tritt und dass es ein Abkommen gibt. Ein Abkommen mit dem Iran ist besser als kein Abkommen und insofern sind die Gespräche von Macron offensichtlich sehr konstruktiv verlaufen, und das muss uns auch aus deutscher Sicht konstruktiv an diesem Dialog weiter teilnehmen lassen.
    Bedeutung für die Stabilität im gesamten Nahen und Mittleren Osten
    Zerback: Vorgeschlagen hat Macron ja ein Zusatzprogramm, ein Zusatzabkommen zu dem, was bereits besteht. An dem soll auch im Hintergrund schon kräftig gefeilt werden. Da geht es im Kern darum, dass das iranische Programm für Interkontinentalraketen eingedämmt wird und auch der Einfluss des Iran in der Region. Lässt sich Trump wohl darauf ein?
    Merz: Das müssen Sie Trump fragen.
    Zerback: Gut! Dann mache ich das.
    Merz: Das sind Fragen, die ich jetzt aus der Entfernung heraus so gar nicht beantworten kann. Aber dass das Thema Iran bei diesen Verhandlungen sowohl mit Macron als auch jetzt am Freitag mit Angela Merkel eine Rolle spielt, zeigt, welche Bedeutung dieses Land für die Stabilität im gesamten Nahen und Mittleren Osten hat. Der Iran ist eine Schlüsselgröße auf der Suche nach einer stabilen Friedensordnung im Mittleren Osten und der Iran muss dazu beitragen, dass es eine Lösung dieser Konflikte gibt. Insofern ist es völlig zurecht ganz oben auf der Tagesordnung. Noch mal: Man wird es sehen. Da werden die nächsten zwei bis drei Wochen zeigen, ob es wirklich substanzielle Fortschritte gibt.
    Zerback: In ziemlich genau drei Wochen läuft ja die Frist ab. Dann muss Donald Trump sich entscheiden, ob die USA die Sanktionen weiter aussetzen. Macht er da einen Rückzieher, wird ihm das ja höchst wahrscheinlich vor allem innenpolitisch im Land als Schwäche ausgelegt. Kommt er da überhaupt gesichtswahrend raus?
    Merz: Ganz offen, Frau Zerback: Das sehe ich nicht so Schwarz-Weiß. Es gehört zu Trumps politischem Stil, sehr, sehr große fulminante Ankündigungen zu machen und am nächsten Tag das Gegenteil zu tun. Das ist ein Teil seines Stils, das ist ein Teil seines Charakters. Er hat auch in der Vergangenheit keine Probleme damit gehabt, das Gegenteil von dem zu tun, was er vorher sehr groß angekündigt hat.
    Zerback: Jetzt hat er aber ein neues Sicherheitsteam, Herr Merz, und da sind viele Hardliner drin.
    Merz: Ja! Es sind auch vorher schon einige Hardliner in seiner Umgebung gewesen. Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass ein Mann zum Beispiel wie John Bolton, den ich aus früheren Begegnungen kenne, sicherlich nicht dazu beiträgt, dass die Rhetorik sich mäßigt, möglicherweise auch die Substanz da etwas verschärft wird. Aber trotzdem: Wir müssen nun auch ein Scheitern nicht herbeireden. Wichtig ist, dass miteinander gesprochen wird, dass die Europäer und die Amerikaner reden miteinander, dass sie sich gegenseitig auch ihre Meinung klar und deutlich sagen, und das findet statt und das finde ich im Augenblick genau die richtige Strategie in der Vorgehensweise mit Amerika.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.