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Streit um strengere Tierschutzregeln

Die Bundesregierung will das Tierschutzgesetz erneuern. Erwartungsgemäß geht die Novelle den einen nicht weit genug, andere sprechen von unnötigen Verschärfungen. Heute befasst sich der Bundesrat mit dem Gesetzesvorschlag.

Von Dieter Nürnberger | 06.07.2012
    Die Novelle des Gesetzes umfasst thematisch viele Aspekte des Tierschutzes. So soll es beispielsweise bei den Haltungsbedingungen für Zirkustiere eine Ermächtigung geben, dass bestimmte Wildtierarten künftig in der Manege verboten werden können. Im Landwirtschaftsbereich soll beispielsweise die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung ab 2017 abgeschafft werden.

    Die Novelle des Gesetzes ist umstritten. Beispielsweise sieht die Reform auch ein Verbot des Schenkelbrandes bei Pferden vor. Hier wird ja bislang ein heißes Brenneisen auf die Haut im Schenkelbereich des Fohlens gedrückt. Hier tobt der Streit vor allem zwischen Tierschützern und beispielsweise dem Deutschen Bauernverband. DBV-Generalsekretär Helmut Born spricht von einer Tradition, die man beibehalten sollte.

    "Zumal uns die Tierärzte sagen: Der Stress für das Fohlen, mit dem ja dann alternativen Chipen in den Halsmuskel hinein, ist mindestens so groß wie wenn – ich formulier es mal so – am Hinterteil ein kurzer Pieks erfolgt. Den Fohlen wir kein Tort angetan. Wir haben also sehr gute Pferderasen und auch Pferdezucht. Somit brauchen wir auch den Brand."

    Dass, was Helmut Born hier als kleinen Pieks bezeichnet, ist Tierschützern schon lange ein Dorn im Auge. Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes ist deswegen bei diesem Punkt auf Seiten der Bundesregierung. Denn Thomas Schröder hält die bisherige Schenkelbrandpraxis für unnötige Tierquälerei.

    "Die Pferde werden gechipt – das ist Vorschrift nach deutscher Verordnung und auch Auslegung der EU-Vorschriften. Es gibt überhaut keinen vernünftigen Grund, das Tier ein zweites Mal zu kennzeichnen, denn es ist ja schon geschehen. Das Brandzeichen verursacht eine Verbrennung dritten Grades, das bedeutet auch einen Nachschmerz. Das wird allein durch die Narbenbildung deutlich. Das kann man durch erhöhte Körpertemperatur messen. Wenn ein Mensch sich verbrennt, hat er auch tagelang mit Schmerz tu tun."

    Das Bundeskabinett hat das neue Tierschutzrecht Ende Mai auf den Weg gebracht. Heute wird es im Bundesrat diskutiert. Es gibt rund 60 Änderungswünsche der zuständigen Ausschüsse. Die Novelle des Gesetzes bedarf allerdings nicht der Zustimmung der Länderkammer. Sollte jedoch der Vermittlungsausschuss mit Zweidrittelmehrheit angerufen werden, dann wäre die Koalition zu Zugeständnissen wohl gezwungen. Die federführende Agrar- und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner(CSU) spricht anhand der Novelle von einer Führungsposition Deutschland beim Tierschutz. Das jedoch kann der Tierschutzbund nicht per se nachvollziehen. Thomas Schröder

    "Wir haben in der Landwirtschaft Millionen von Tieren, die verstümmelt werden. Schwänze werden abgeschnitten, Schnäbel werden kopiert, damit die Tiere in die Haltungssysteme hineinpassen. Wir haben Tiere, die aufgrund der Zuchtbedingungen eigentlich nicht lebensfähig sind, aber viel Fleisch produzieren. Allein deswegen diese Haltung nach deutschem Tierschutzgesetz toleriert. Wer wirklich Vorreiter in Europa sein will, der lässt so etwas nicht zu und tut alles dafür, dass dies auch gesetzlich verboten wird."

    Der Tierschutz wurde ja vor rund zehn Jahren auch im Grundgesetz verankert. Wichtige Schritte wie etwa das Legehenneverbot in Deutschland folgten. Und besonders an diesem Beispiel macht der Bauernverband auch auf negative wirtschaftliche Folgen aufmerksam. Helmut Born.

    "Deutschland hat dies einseitig und sehr früh getan. Nun wundern wir uns, dass im einem EU-Bericht vermeldet wird, dass Länder wie Frankreich oder Polen dies bislang nicht getan haben. Gleichzeitig haben wir zeitweise über zehn Prozent Marktanteile verloren. Wenn man Tierschutz betriebt, dann muss zumindest dafür gesorgt werden, dass innerhalb der Europäischen Union der zeitliche Gleichklang erfolgt."

    Die Novelle bringt somit in Einzelbereichen sicherlich Verbesserungen im Sinne des Tierschutzes. Doch wie so oft: Einigen geht der Entwurf nicht weit genug, andere sprechen von unnötigen Verschärfungen.