Freitag, 19. April 2024

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Streit um Türkei-Einschätzung
"Steinmeiers Geheimdiplomatie ist verantwortungslos"

Die Linksfraktion im Bundestag wehrt sich gegen Vorwürfe, sie habe die vertrauliche Türkei-Einschätzung der Bundesregierung an die Öffentlichkeit gegeben. Fraktionssprecherin Sevim Dagdelen sagte im Deutschlandfunk, auch andere Abgeordnete hätten Zugang zu den Informationen gehabt. Es gebe auch keine Strategie der Linken, die Türkei zu diskreditieren. Das sei "absolut lächerlich".

Sevim Dagdelen im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 19.08.2016
    Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Bundestagsfraktion Die Linke, in der ARD-Talksendung "Anne Will".
    Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Bundestagsfraktion Die Linke. (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Es wäre nicht das erste Mal, dass von der Regierung oder der Verwaltung Informationen zu Kleinen Anfragen einer Oppositionspartei an die Öffentlichkeit gegeben würden, sagte Dagdelen. Damit solle der Opposition die Möglichkeit zur ersten Reaktion genommen werden.
    Dagdelen kritisierte die Haltung des Auswärtigen Amtes. Diese Informationen der deutschen Öffentlichkeit und dem Bundestag vorenthalten zu wollen, sei skandalös. Die "Geheimdiplomatie" des Außenministers in Sachen Erdogan sei verantwortungslos, sagte Dagdelen. Schließlich sei auch die deutsche Bevölkerung betroffen, wenn ein Nato-Partner und EU-Beitrittskandidat den Terror fördere.
    Die Politikerin wehrte sich auch gegen Vorwürfe, die Linken in Deutschland und auch sie selbst würden den Terror unterstützen, indem sie sich für die Interessen der verbotenen PKK einsetzten. Entspreche Äußerungen hatte der AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu im Deutschlandfunk geäußert. Dagdelen sprach von einem Bündel faustdicker Lügen des Abgeordneten. Es gebe eine klare Strategie der Türkei, alle Kritiker und Oppositionellen in die Ecke des Terrorismus zu drängen. Jetzt würden offenbar auch Bundestagsabgebordete in diese Ecke gestellt, das sei typisch für das Erdogan-Regime.

    Das Interview in voller Länge:
    Am Telefon ist jetzt die Frau, die den Stein ins Rollen gebracht hat, und zwar Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen in der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Frau Dagdelen!
    Sevim Dagdelen: Ja, schönen guten Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Manch einer wittert ja hinter der Sache eine Strategie der Bundesregierung oder zumindest des Innenministeriums, das eine Wiederannäherung der Türkei verhindern wolle. Mustafa Yeneroglu, der sieht das nicht, aber er sieht eine Strategie der Linken in Deutschland, die Türkei zu diskreditieren. Verfolgen Sie eine solche Strategie?
    Dagdelen: Das ist absolut lächerlich meiner Meinung nach, weil es diejenigen sind, die bereits seit diesem Frühjahr den deutschen Botschafter fast schon wöchentlich einbestellen, diejenigen sind, die keine deutsch-türkischen Beziehungen sozusagen auf Augenhöhe wollen, sondern ein Unterwerfungsverhältnis, und leider hat sich die Bundeskanzlerin in ungeheuerlicher Weise mit dem schäbigen Flüchtlingsdeal hier auch unterworfen und erpressbar gemacht.
    "Das ist ein infamer Vorwurf"
    Heckmann: Weshalb haben Sie denn das Papier in die Öffentlichkeit gegeben oder geben lassen, das ja zum Teil zumindest als vertraulich eingestuft ist, denn dass das von Ihnen oder Ihren Fraktionskollegen gekommen sein muss, das scheint ja klar zu sein?
    Dagdelen: Das ist ein infamer Vorwurf.
    Heckmann: Das ist eine Frage.
    Dagdelen: Ohne … nein, Sie haben gesagt, weshalb haben Sie es an die Öffentlichkeit gegeben. Das setzt voraus, dass es an die Öffentlichkeit gegeben wurde, und das ist ein infamer Vorwurf.
    Heckmann: Davon gehen viele aus.
    Dagdelen: Solange Sie davon ausgehen, heißt es noch lange nicht, dass es auch der Wahrheit entspricht. Also ich selbst bin aus dem Ausland gekommen und musste selber mit Staunen feststellen, dass die Antwort der Bundesregierung, die ich so kurzfristig bekommen habe, also jetzt nach meiner Ankunft sozusagen, dass das in der Öffentlichkeit ist, und wie das an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist mir schleierhaft. Wir aus der Linksfraktion haben es, ich denke mal, mit Sicherheit nicht herausgegeben. Ich kann natürlich nicht für jeden Mitarbeiter, der das sozusagen auch gesehen hat, aber bevor die Fragestellerinnen und Fragesteller einer Kleinen Anfrage, das die federführende Abgeordnete mit weiteren Abgeordneten, das überhaupt in die Hand bekommen, sind es mehrere Menschen, die in der Verwaltung im Regierungsapparat diese Antworten bekommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass von der Regierung oder von der Verwaltung selbst eine Information in der Antwort auf eine Kleine Anfrage einer Oppositionspartei das durchgestochen wurde an die Öffentlichkeit, damit sozusagen die Oppositionspartei nicht den ersten Wurf oder die erste Reaktion sozusagen haben kann. Ich möchte auch sagen, ich finde die Haltung aber des Auswärtigen Amtes und des Außenministers Steinmeier dazu skandalös, zu rechtfertigen, dass diese Information der deutschen Öffentlichkeit und dem Bundestag vorenthalten werden sollten. Ich finde, Steinmeiers Geheimdiplomatie in Sachen Erdogan ist wirklich verantwortungslos.
    Heckmann: Also Sie können sich vorstellen, dass das sogar von Seiten der Bundesregierung lanciert worden ist in den Medien, wenn ich Sie da richtig verstanden habe?
    Dagdelen: Es können auch andere Abgeordnete es gewesen sein, die die Antwort vorgelegt haben, beispielsweise der gesamte auswärtige Ausschuss. Alle Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses hatten die Antworten auf die Kleine Anfrage ebenso bekommen, gerade auch vor dem aktuellen Hintergrund. Beispielsweise hatte ich meinen Kolleginnen und Kollegen diese Antwort nicht vorenthalten wollen, weil ich auch gedacht habe, das Auswärtige Amt scheint, wenn es hier sozusagen involviert ist, ist es doch wirklich bedenklich für uns Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses, dass wir beispielsweise bei Fragen an das Auswärtige Amt, an den Außenminister Steinmeier solche Antworten bisher im Ausschuss eben nicht bekommen haben, und ich finde das wirklich skandalös, dass diese Erkenntnisse uns Mitgliedern eines Verfassungsorgans, die sich so intensiv mindestens seit einem Jahr mit der Türkei beschäftigen und beschäftigen müssen als Außenpolitiker, dass solcherlei Erkenntnisse uns vorenthalten werden. Ganz nebenbei bemerkt, halte ich es auch für skandalös gegenüber der Öffentlichkeit insgesamt, weil die ganze Bevölkerung ist natürlich genauso betroffen, wie die Sicherheit der Menschen in Deutschland ist hier mitbetroffen. Wenn der NATO-Partner und EU-Beitrittskandidat den islamistischen Terror fördert, ist das eine Gefahr nicht nur für die Region, sondern für uns alle, deshalb finde ich das verantwortungslos.
    "Ein ganzes Bündel faustdicker Lügen"
    Heckmann: Okay, Frau Dagdelen, der Punkt ist angekommen. Herr Yeneroglu, der AKP-Politiker, der gestern bei uns im Deutschlandfunk ein Interview gegeben hat, der hat nicht nur gesagt, dahinter vermute er eine Strategie der Linken in Deutschland, dass dieses Papier öffentlich geworden ist, sondern der hat auch ganz klar gesagt, Sie, und auch Sie persönlich genannt, Sie unterstützten den Terror in Form der PKK. Sie setzen sich für die Interessen der Terrororganisation PKK ein, sagt Herr Yeneroglu. Ziehen Sie sich diesen Schuh an, und wenn ja, weshalb machen Sie das?
    Dagdelen: Also ich muss schon sagen, das sind ein ganzes Bündel faustdicker Lügen in dieser kurzen Zeit, die als Antwort dem Kollegen Yeneroglu zur Verfügung standen. Man muss wissen, das ganze Erdogan-Regime basiert auf Lügen und auf Manipulation, und dieser Abgeordnetenherr ist der zuständige Abgeordnete im Ausland, vor allen Dingen für die Propaganda und Manipulation. Er ist der Lautsprecher des türkischen Staatspräsidenten, und die Strategie dahinter ist, alle Kritiker, alle Oppositionellen sollen in die Ecke des Terrorismus gedrängt werden, sowohl in der Türkei als auch im Ausland, und jetzt sollen sogar ebenfalls Bundestagsabgeordnete in die Ecke gestellt werden, und das ist typisch für dieses Erdogan-Regime, alle Kritiker und Oppositionelle sozusagen zu verunglimpfen. Ich weise das selbstverständlich scharf zurück. Nicht im Bundestag sitzen die Terrorunterstützer, sondern in Ankara. Der Terror in der Türkei ist hausgemacht. Jahrzehntelang hat man die Gülen-Bewegung unterstützt, hat mit ihr kooperiert, man hat islamistische Gruppierungen, bewaffnete islamistische Gruppierungen in Syrien unterstützt, sie direkt unmittelbar bewaffnet. Das hat ARD und "Monitor" letztes Jahr im Sommer enthüllt, und der Friedensprozess, der wurde beendet durch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan, und deshalb ist dieser Konflikt jetzt angeheizt. Selbst der amerikanische Vizepräsident Joe Biden hat immer wieder Erdogan gemahnt, dass Erdogan viel zu viele IS-Kämpfer beispielsweise über die Grenze lässt. Jeder Geheimdienst …
    Heckmann: Ja, auch dazu hat er sich geäußert. Genau, aber ich möchte noch mal zurückkommen, Frau Dagdelen – sorry, dass ich da einschreite noch mal –, trotzdem zur PKK noch mal zurück. Die ist ja auch in Deutschland als Terrororganisation gelistet. Ist die PKK auch aus Ihrer Sicht eine Terrororganisation, und grenzen Sie sich ausreichend ab?
    Dagdelen: Na ja, ich finde Gewalt darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, deshalb lehnen wir als Linke ja, anders als andere Bundestagsparteien, Bundeswehreinsätze und Kriege als Mittel der Politik ab, auch anders als Erdogan, der zum Beispiel auf den Islamischen Staat gesetzt hat, halte ich allerdings die Selbstverteidigung der PKK beispielsweise im Irak oder in Syrien gegen den IS, die Schergen des Islamischen Staates, für legitim. Sie haben vielen Zivilisten, gerade die verfolgten Jesiden zum Beispiel, das Leben gerettet im Shinghal-Gebirge. Erdogan spricht ihnen dieses Recht ab, weil er trotz öffentlicher Bekundung auf der Seite des IS steht. Ich würde aber nie so weit gehen beispielsweise wie der Vorsitzende der Unionsfraktion Volker Kauder, Waffenlieferungen an die PKK zu fordern. Ich bin auch gegen Waffenexporte, insofern, ich halte Gewalt und Krieg als Mittel der Politik falsch, aber man muss hier natürlich unterscheiden, es geht hier auch um die Selbstverteidigung der PKK im Irak und in Syrien.
    Heckmann: Dass Herr Kauder Waffenlieferungen an die PKK gefordert hätte, das wäre mir neu.
    Dagdelen: Kann man in der Presse nachlesen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Trotzdem noch mal klipp und klar die Frage, ist die PKK aus Ihrer Sicht eine Terrororganisation?
    Dagdelen: Wie ich sagte, also wir halten Gewalt als kein Mittel, kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Wir verurteilen auch Anschläge und terroristische Angriffe und Aktionen.
    Heckmann: Das heißt, sie ist keine Terrororganisation?
    Dagdelen: Man muss natürlich hier diskutieren, ob das eine politische oder eine … also was heißt Terrororganisation. Ist es eine Organisation, eine Terrororganisation erst dann, wenn es beispielsweise auf der internationalen Terrorliste auftaucht, der EU-Terrorliste oder ist sie auch schon vorher. Das ist eine Gratwanderung.
    Heckmann: Sie steht ja auf diesen Listen. Sie steht ja auf all diesen Listen.
    "Ich bin für eine friedliche Lösung in der Kurdenfrage"
    Dagdelen: Ja, aber lange Zeit stand der Islamische Staat, bis Ende letzten Jahres, glaube ich, oder 2014, war es nicht auf der Terrorliste. Andere Gruppen, die vom Bundesgerichtshof als Terrororganisation eingestuft werden, wie die Ahrar al-Scham, eine bewaffnete islamistische Gruppierung in Syrien, wird als eine Terrororganisation eingestuft. Die Regierung macht es aber nicht aus Rücksichtnahme gegenüber der türkischen Regierung, weil die türkische Regierung unmittelbar selbst Waffen liefert an diese Gruppierungen. Ich finde Folgendes eher hier interessant: Mich wundert es, dass beispielsweise hier diese Propaganda, diese Denkfigur der türkischen Regierung, hier breit diskutiert wird, statt den Inhalt, dass hier Ankara wirklich unmittelbar Terrorismus, islamistischen bewaffneten Terrorismus in der Türkei unterstützt, hochzüchtet und dadurch die Türkei als Heimstadt des islamistischen Terror im Nahen Mittleren Osten etabliert hat, und der Vorwurf, dass wir alle jetzt, Cem Özdemir, mein Kollege und alle anderen, die kritisch sind mit der Erdogan-Regierung, alle in die Terrorismusecke zu denunzieren und zu verunglimpfen, das weise ich wirklich scharf zurück. Ich bin für eine friedliche Lösung in der Kurdenfrage, und alle, die sich für Friedenslösungen engagiert haben und engagieren, werden in die Terrorismusecke gestellt, aber ich möchte noch mal eine Frage stellen: Nach der Definition des Lautsprechers von Erdogan, Herrn Yeneroglu, müsste er eigentlich seinen eigenen Staatspräsidenten als Terroristen abstellen, weil der Staatspräsident Erdogan es war, der mit diesen PKK-Friedensverhandlungen, Geheimgespräche beispielsweise in Oslo mit seinem Geheimdienstchef dann auch machen ließ, insofern …
    Heckmann: Also gut, das wird er anders sehen. Ich möchte aber noch einen Punkt noch mal aufgreifen, den Sie gerade schon angesprochen hatten, nämlich die Unterstützung oder vermeintlichen Unterstützung der türkischen Regierung für den Islamischen Staat, den sogenannten. Herr Yeneroglu, der hat gestern bei uns im Deutschlandfunk gesagt, ja, es hat natürlich Unterstützung gegeben der syrischen Rebellen, und darunter seien auch Gruppierungen gewesen, die sich später zu dem IS bekannten und wandelten, und zu dem Vorwurf, die IS-Kämpfer, die hätten ungehindert die Grenze zur Türkei überwunden, hätten sich dort in der Türkei im Krankenhaus behandeln lassen, um dann wieder in den Dschihad zu ziehen, da sagt er, auch aus Deutschland, auch aus Frankreich kehrten Kämpfer zurück in den Dschihad. Messen wir also hier mit zweierlei Maß?
    Dagdelen: Nein, natürlich nicht! Wir tun alles, damit die Mörderbanden des IS oder der Al-Nusra-Front, also dem syrischen Ableger von Al-Qaida, den übrigens der ehemalige Ministerpräsident in der Türkei Davutoglu vor zwei Jahren in aller Öffentlichkeit als die Freunde, als die Freunde der türkischen Regierung bezeichnet hat, diese Freunde sind es beispielsweise, mit denen die NATO und die internationale Staatengemeinschaft seit über 15 Jahren einen Krieg führen in Afghanistan, also die Al-Qaida, und das sollen jetzt sozusagen die Freunde der türkischen Regierung sein, und es ist auch nur, dass die Türkei hier ein Doppelspiel … auf der einen Seite bekämpft man angeblich den IS – also ein Doppelspiel betreibt –, auf der anderen Seite hält man nachweislich die Nachschubwege für den Islamischen Staat und die Grenze Syrien offen. Es gibt bis heute eine offene Grenze von rund 90 Kilometern. Auf der syrischen Seite ist der IS, und die kommen rein und raus wie sie wollen. Französische Geheimdienste haben erst vor Kurzem veröffentlicht, dass jede Woche, jede Woche 100 Kämpfer über die Grenze gehen von der Türkei nach Syrien und zurück. Ich meine, wir tun doch in Deutschland und in Europa alles, damit Jugendliche sich eben nicht verblenden lassen und radikalisieren und zu Dschihad nach Syrien ziehen, sondern wir machen hier Entradikalisierungsprogramme, wir versuchen, hier Prävention zu machen. Das macht die Türkei nicht. Ganz im Gegenteil, sie unterstützt sie ideologisch, weil das ihre Terrorbrüder sind, und höchstwahrscheinlich ist es ja nicht nur so, dass es die Öffnung der Grenze gibt, es gibt ja von der "New York Times", vom "Guardian", von der "Financial Times" Belege vom letzten Jahr, dass es einen Ölschmuggel gibt über die türkische Grenze, dass die türkischen Unternehmen davon auch nicht zu knapp profitieren würden.
    Heckmann: Das bestreitet die türkische Regierung alles. Frau Dagdelen, wir müssen langsam zum Schluss kommen. Trotzdem möchte ich noch eine Frage stellen: Der türkische Europaminister, Herr Celik, der hat jetzt gestern gefordert die sofortige Ausweisung von Imamen in Deutschland, die der Gülen-Bewegung nahestehen und ihre Überstellung in die Türkei. Was erwarten Sie in diesem Punkt von der Bundesregierung?
    Dagdelen: Also ich erwarte, dass die Bundesregierung hier eine Haltung einnimmt und auch ihr Unterwerfungsverhältnis gegenüber der Türkei und deshalb auch diese moralisch, meiner Meinung nach, völlig unverantwortliche Politik aufgibt, keinerlei Konsequenzen zu ziehen aus der Erkenntnis, dass das zum Hort des islamistischen Terrors geworden ist und ihre Kumpanei mit dem Terrorpaten Erdogan beenden. Das heißt natürlich auch, dass man keinerlei Auslieferungsersuchen nachgeht, die auf Zuruf stattfinden, wenn es keine Verbindungen gibt, keine haltbaren Beweise vor Gericht sozusagen, gerichtsfeste Beweise gibt, dass Menschen, die in Deutschland hier tätig sind, als was auch immer, hier …
    Heckmann: Und die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die müssen, wenn Sie das so sehen, Erdogan als Terrorpaten, die müssen dann auf Eis gelegt werden, beendet werden, so wie es die CSU auch fordert?
    Dagdelen: Ja, selbstverständlich ist es nachgerade absurd, EU-Beitrittsverhandlungen mit einem Staat zu führen, das im Moment eine Gleichschaltung hier vollführt gegenüber der Opposition und alle Kritiker, Journalisten in Haft setzt und ganze Zeitungen schließt, die nichts mit dem Putsch zu tun haben. Das wissen Sie genauso als aufmerksamer Journalist und Leser von Nachrichten, und insofern ist das völlig das Gegenteil von dem, was Voraussetzung ist für die Fortsetzung von weiteren Gesprächen. Die Voraussetzung ist, Fortschritte zu haben in Sachen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. In der Türkei ist es das Gegenteil. Wenn es eine komplette Umwälzung in Richtung Demokratisierung der Türkei gibt, bin ich selbstverständlich dafür, dass die Türkei auch die Perspektive hat, in die EU beizutreten, nur allein mir fehlt der Glaube daran im Moment.
    Heckmann: Sagt Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag. Frau Dagdelen, ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.