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Streit um Unkrautvernichtungsmittel
Wissenschaftler schreiben Brandbrief gegen Glyphosat

Anfang November hatte die europäische Lebenmittelbehörde EFSA den Weg für die anstehende Neuzulassung des umstrittenen Pestizids Glyphosat durch die Europäische Union geebnet. In einem offenen Brief an die EU werfen nun 96 Wissenschaftlern aus aller Welt der EFSA gravierende Fehler vor und fordern eine neue Bewertung.

Von Daniela Siebert |
    Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg).
    Die Wissenschaftler sind empört darüber, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat als wahrscheinlich nicht krebserregend für Menschen eingestuft hat. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    96 Wissenschaftler aus 25 Ländern haben den offenen Brief an EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis unterzeichnet. Es sind erfahrene Epidemiologen, Toxikologen, Statistiker und Biologen darunter, die die Empörung darüber eint, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA das Pestizid Glyphosat als wahrscheinlich nicht krebserregend für Menschen eingestuft hat.
    Dagegen war Monate zuvor die Krebsforschungsorganisation der Weltgesundheitsorganisation, die IARC, zu dem Schluss gekommen, Glyphosat sei wahrscheinlich krebserregend. Die Kernaussage des achtseitigen offenen Briefes lautet: Die EU-Kommission solle die fehlerhafte Glyphosatbewertung der EFSA ignorieren und stattdessen eine transparente offene und glaubwürdige Sichtung der wissenschaftlichen Literatur einleiten.
    Mit ihrer jüngsten Entscheidung hat die EFSA den Weg geebnet für die anstehende Neuzulassung von Glyphosat in der Europäischen Union. Doch die 96 Wissenschaftler werfen der EFSA und auch dem beteiligten deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung BfR gravierende wissenschaftliche Fehler vor, die zu dieser positiven Bewertung von Glyphosat geführt hätten.
    EFSA-Bewertung ignoriert "die verfügbare Wissenschaft"
    So habe das BfR beispielsweise Fallstudien zur Belastung von Menschen ohne Rechtfertigung aussortiert, die durchaus wichtige Informationen für die Bewertung geliefert hätten. Und es habe strengere Kriterien in Ansatz gebracht als eigentlich nötig, das sei irreführend und widerspreche EU-Richtlinien.
    Inakzeptabel sei auch der Umgang des BfR mit Daten aus Tierstudien. Währende die Internationale Krebsforschungsagentur IARC insbesondere nach Versuchen an Mäusen und Ratten eindeutige Indizien sah, habe das BfR diese Hinweise entgegen wissenschaftlichen Standards beiseite gewischt.
    Bei der Frage, ob Glyphosat genotoxisch, also erbgutschädigend sei, bezöge sich das BfR vor allem auf unveröffentlichte Studien der Industrie, die die IARC nicht einbeziehen konnte, bemängeln die Wissenschaftler weiter. Das mache es für externe Fachleute unmöglich, diese Einschätzung adäquat nachzuvollziehen oder zu kontern. Und auf Chromosomenschäden bei Menschen, die Glyphosat ausgesetzt waren, sei das BfR im Gegensatz zur IARC gar nicht erst eingegangen. Weder die EFSA noch das BfR reflektierten, so wörtlich "die verfügbare Wissenschaft".
    Unterzeichnet ist der Brief von 96 Wissenschaftlern aus den verschiedensten Bereichen und Ländern. Vom emeritierten Professor für Öffentliche Gesundheit in Australien, über einen Professor für Arbeitsmedizin, der an der Berliner Charité zu Gast ist, bis hin zu einem italienischen Professor für Epidemiologie und einer US-amerikanischen Toxikologin. Auch Fachleute aus Kanada, Schweden, Argentinien, Südafrika und Japan finden sich auf der beeindruckenden Liste.