Dienstag, 30. April 2024

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Ströbele: "Die Waffen muss man nicht zu Hause haben"

Wie sinnvoll ist ein Verbot von "Paintball"-Spielen, wie es der Großen Koalition vorschwebt? Wohin mit den Waffen der Schützenvereine? Jedenfalls nicht im Schrank zu Hause, sagt Hans-Christian Ströbele, Grünen-Fraktionsvize im Bundestag - und weiß, dass er dafür in der Schusslinie steht.

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Gerd Breker | 08.05.2009
    Gerd Breker: Die Toten des Amoklaufs von Winnenden, sie mahnen die Politik zum handeln. Eine Verschärfung des Waffenrechts hat die Große Koalition ins Auge gefasst und man will die Dinge, auf die sich Union und SPD einigen konnten, noch vor Ende dieser Legislaturperiode in Gesetzesform gießen. Die Regierungsparteien wollen unter anderem Paintball-Spiele, bei denen mit Farbkugeln geschossen wird, verbieten, die Aufbewahrung von Waffen soll strenger geregelt werden und diese Aufbewahrung soll unangemeldet überprüft werden können. Sorgt die geplante Verschärfung für mehr Sicherheit, oder will man etwas tun, weil etwas getan werden muss? Dies die derzeitige Debatte.


    Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem stellvertretenden Fraktionschef der Bündnis-Grünen, mit Hans-Christian Ströbele. Er ist zugleich auch Mitglied im Rechtsausschuss des Bundestages. Guten Tag, Herr Ströbele.

    Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Tag.

    Breker: Ist das für Sie, die geplante Verschärfung des Waffenrechts, ein Fortschritt in der Sache, oder mehr ein Placebo-Effekt, sprich man tut etwas, um was zu tun?

    Ströbele: Es sieht ein bisschen so aus. Die Bundesregierung hat offenbar inzwischen begriffen, dass da weiterhin eine große Problematik ist. Das wurde noch vor einigen Jahren bestritten. Bei der letzten Verschärfung des Waffengesetzes, da hatten wir schon Vorschläge gemacht. Die Vorschläge jetzt bleiben unzulänglich. Niemand muss doch zu Hause 15 Waffen, darunter auch großkalibrige, mit Unmengen von Munition lagern dürfen, es sei denn er braucht nun das eine oder andere aus beruflichen Gründen.

    Breker: Was sollte man tun mit diesen Waffen? Die Kontrollen, die geplant sind, die kollidieren ja mit der Unverletzlichkeit der Wohnung.

    Ströbele: Die Kontrollen sollen ja sowieso nicht so stattfinden, dass jemand nun in ihre Wohnung kommt, überraschend, und sie können das gar nicht verhindern, dass der da reingeht, also wie bei einer Wohnungsdurchsuchung, sondern da klingelt jemand an ihrer Tür und dann sagt man, der eigentliche Schlüsselinhaber ist gar nicht da, kommen sie morgen noch mal wieder oder heute Nachmittag, und dann sind natürlich alle Waffen im Schrank, selbst wenn sie sonst im Schlafzimmer sind oder sonst wo. Nein, das ist völlig unzulänglich und das bringt nichts, diese Art von Kontrollen.
    Nun wollen auch wir nicht, dass die Staatsmacht in die Wohnung einreitet, um da zu sehen, ob da Waffen rumliegen, und deshalb ist der richtige Weg, die Waffen zentral dort aufzubewahren, wo sie auch benutzt werden dürfen, nämlich in den Schützenhäusern oder an den Schützen-Schießständen. Das gibt es ja auch heute schon, und wenn das überhaupt nicht möglich ist, dann könnte man sich überlegen als Ausweichlösung, dass man Waffen, aber nicht schießfähig zu Hause hat. Das heißt, dass dort Schlösser und Bolzen ausgebaut sind und die dann zentral lagern, damit man damit keinen Unsinn machen kann. Das ist ja kein Misstrauen gegenüber den Mitgliedern der Schützenvereine, sondern das ist die Erfahrung, wenn die Waffen zu Hause sind, dass eben auch viele andere, die gar nicht in Schützenvereinen sind, Zugang zu dieser Waffe haben könnten.

    Breker: Nun hat ja Niedersachsens Innenminister Schünemann darauf hingewiesen, würde man die Waffen in den Schützenvereinen lagern, dann wäre es dort für Illegale, für Kriminelle ein ideales Ziel, um sich Waffen zu beschaffen, indem die oftmals weit abgelegenen Schützenvereine überfallen werden.

    Ströbele: Dieses Argument stimmt schon deshalb nicht, weil es ja auch heute schon so ist, dass es in vielen Schützenhäusern, zum Beispiel auch in dem in Winnenden, schon zentrale Waffen-Panzerschränke beziehungsweise sichere Aufbewahrungsorte gibt. Das heißt, die sind da heute schon, nur eben nicht alle, sondern viele Millionen befinden sich noch in den Privathaushalten. Und ob da nun dann 100, 200 oder 500 Waffen natürlich gut verbunkert, sicher und fest und auch bewacht aufbewahrt werden, oder ob die in Millionen Haushalten verstreut sind, da ist das eine Sicherheitsrisiko doch wesentlich geringer als das andere.

    Breker: Herr Ströbele, was glauben Sie, woran liegt es, dass die Große Koalition sich aus Ihrer Sicht auf vernünftige Regeln nicht einigen kann?

    Ströbele: Da gibt es eine unendlich starke Lobby der Schützenvereine, und das sind ja sehr viele, und das ist vor allen Dingen in den Bundesländern, in denen es viele Schützenvereine und viele Schützen gibt, die Rücksicht auf die Schützen, die nicht einsehen, dass sie die Waffen nicht mit nach Hause nehmen dürfen. Auch ich bekomme, wenn ich jetzt so ein Interview gebe, unendlich viele Briefe und Mails, wo sich dann Schützen, Mitglieder von Schützenvereinen aufregen und mich heftig kritisieren, weil ich diese Auffassung vertrete.

    Breker: Nun ist es ja so, Herr Ströbele, das muss man ja zugestehen, dass Schützenvereine gerade im ländlichen Raum durchaus auch eine soziale Funktion haben für die dörfliche Gemeinschaft. Aber glauben Sie, dass alle so unvernünftig sind, dass sie nicht selber mitarbeiten würden an konstruktiven Lösungen?

    Ströbele: Nein. Es gibt natürlich auch sehr, sehr viele – auch von denen bekomme ich Briefe -, die sagen, ja, lasst uns über eine vernünftige Lösung nachdenken, also beispielsweise die Lösung, wenn man schon die Waffen nicht im Schützenverein dort direkt lagern will, dass man sie dann zu Hause eben als nicht schießfähige, nicht schießfertige Waffen hat. Es gibt ja auch welche die behaupten, man muss zu Hause Übungen damit veranstalten, zwar nicht schießen, aber möglicherweise Haltungsübungen und Ähnliches. Das kann man dann auch so weiter zu Hause tun. Niemand hat was gegen die Schützenvereine. Die sollen existieren, die haben eine wichtige Funktion, eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Nur die Waffen muss man nicht zu Hause haben. Man darf ja auch nicht vergessen: Wenn die Schützen in die Schützenvereine fahren und dann wieder nach Hause fahren, oder zu anderen Schützenvereinen unterwegs sind, dann haben sie ja dann auch die Waffen irgendwie bei sich: im Auto, oder wie sie sie sonst transportieren. Auch das ist ja immer ein Weg, wo eine Waffe in falsche Hände kommen kann.

    Breker: Nun haben wir bislang hier über die sogenannten legalen Waffen gesprochen, die registriert sind. Es gibt ja auch jede Menge illegale Waffen in diesem Land und ein Vorschlag ist, da eine Amnestie zu versuchen für alle, die illegale Waffen besitzen. Wäre das aus Ihrer Sicht eine Lösungsmöglichkeit?

    Ströbele: Davon darf man sich nicht zu viel versprechen, aber grundsätzlich ist jeder Versuch und jede Chance, eine Waffe, 100 oder 1000 oder 10.000 Waffen weniger in der Bevölkerung zu haben, natürlich der Mühen der Bevölkerung und des Staates wert. Dagegen habe ich nichts, das kann man auch tun, das ist auch sinnvoll. Nur muss man nicht erwarten, dass dann wesentlich weniger Waffen unterwegs sind.

    Breker: Da würde auch keine Abwrackprämie für großkalibrige Waffen helfen?

    Ströbele: Nein, ganz im Gegenteil. Wenn sie dafür Geld zahlen, dann besteht die Gefahr, wie das ja auch in anderen Ländern, auch in Krisengebieten zum Beispiel praktiziert wird, dass dort Waffen gegen einen Dollar-Betrag abgegeben werden und mit diesem Geld kann man sich dann besser funktionierende, modernere, neuere Waffen kaufen. Geld geben halte ich für den falschen Weg.

    Breker: Noch mal kurz zusammengefasst, Herr Ströbele. Wenn die Große Koalition mit ihren Vorschlägen zur Verschärfung des Waffenrechts kommt, dann werden Sie sagen, gut, die Richtung stimmt, aber es reicht nicht?

    Ströbele: Ganz genau! Der Versuch bleibt wieder unzulänglich, mit Rücksicht auf die Lobby der Schützenvereine.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Hans-Christian Ströbele. Er ist Fraktionsvize der Bündnis-Grünen im Bundestag. Herr Ströbele, danke für dieses Gespräch.