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Stromversorgung
"Das sind gewaltige Herausforderungen"

Weltweit haben 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Strom, über die Hälfte davon lebt in Subsahara-Afrika. Das sagte der Generalsekretär des Weltenergierates, Christoph Frei, im DLF. Das zu ändern sei schwierig: "Mit unseren Szenarien sehen wir nicht, dass Subsahara-Afrika das Problem lösen kann bis 2050."

Christoph Frei im Gespräch mit Günter Hetzke | 23.01.2015
    Ein mit Solarzellen betriebenes Internetcafé im kenianischen Embakasi: Viele Regionen sind nicht ans reguläre Stromnetz angeschlossen.
    Ein mit Solarzellen betriebenes Internetcafé im kenianischen Embakasi: Viele Regionen sind nicht ans reguläre Stromnetz angeschlossen. (TONY KARUMBA / AFP)
    Günter Hetzke: Die Entwicklung des Öl- und Strompreises, Energiewende, Versorgungssicherheit und Leitungsausbau, das sind die Themen, die derzeit die Diskussion im Energiebereich in Deutschland bestimmen. Viele Menschen weltweit beneiden uns um diese Probleme, denn sie haben überhaupt keinen Anschluss an ein Stromnetz. Was sind die Gründe und wie lässt sich das Problem lösen? Darüber habe ich auf einer Energietagung, die in dieser Woche in Berlin stattfand, mit dem Generalsekretär des Weltenergierates, Christoph Frei, gesprochen und wollte zunächst von ihm wissen, welche Gebiete, welche Regionen von diesem Problem besonders betroffen sind.
    Keine Lösung in Sicht
    Christoph Frei: Das sind ja 1,2 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu Strom haben, und über die Hälfte ist in Subsahara-Afrika. Südasien, Indien, Sri Lanka, ist eine weitere Region und dann an dritter Stelle Teile Lateinamerikas. Der Unterschied zwischen den Regionen ist: In Subsahara-Afrika sind das wirklich oft Leute, die weit weg von einem Netzwerk sind, wo hingegen beispielsweise in Lateinamerika sind es eher präurbane, an Städte angrenzende Slums, die keinen Strom haben. Das sind unterschiedliche Herausforderungen. Die größten Herausforderungen sind in Subsahara-Afrika. Mit unseren Szenarien sehen wir nicht, dass Subsahara-Afrika das Problem lösen kann bis 2050. In den anderen Regionen ist die Lösung viel näher.
    Hetzke: Aber woran liegt das, dass gerade in diesen von Ihnen genannten Regionen Strom ein Luxusgut ist? Was sind denn da die Gründe?
    Frei: Um auf das größte Problem einzugehen in Subsahara-Afrika: Wenn man sich vorstellt, dass da Tausende von kleinen Dörfern sich zehn oder 100 Kilometer weit vom nächsten Netz befinden und die kleinen Dörfer wirklich klein sind, manchmal ein paar hundert Leute, da lohnt sich einfach eine Infrastruktur-Investition sind. Stellen Sie sich vor, wie schwierig es ist, da Leute zu trainieren bezüglich Technologie, wie schwierig es ist, die Finanzierung hinzubringen, das konzeptuelle Denken hinzubringen, die Technologie hinzubringen. Das sind alles gewaltige Herausforderungen, weil Logistik nicht einfach ist, weil Ausbildung nicht einfach ist, und da muss man Lösungen finden, die diesem Markt gerecht werden. Die Leute zahlen teure Fackeln, teure Kerzen, teure Dinge. Eine viel günstigere Lösung ist es mit dem Solar, mit den dezentralen Lösungen, die man heute kennt. Aber man muss Lösungen finden, die das an den Markt bringen.
    China hat eine Priorität gesetzt
    Hetzke: Stichwort Lösungen. Der Weltenergierat hat ja selber darauf hingewiesen: In China ist es ja der Regierung gelungen, innerhalb kürzester Zeit weite Teile der Bevölkerung mit Strom zu versorgen. Was haben die denn gemacht? Was können wir denn davon abgucken?
    Frei: China hat natürlich ganz klar eine Priorität gesetzt. Die haben gesagt, wir haben eine Dekade, wo wir die Energiearmut haben einer Milliarde Leute, die keinen Zugang hatten oder nur einen beschränkten Zugang hatten zu Strom, dass das wirklich weggeht. Die wollten Entwicklung auf alle Kosten. Und ich glaube, China hat da sehr große Fördermaßnahmen zentral aufgesetzt und mit großem Erfolg, und da muss man zuerst mal ein Riesen Kompliment machen. Ich glaube, man muss heute jedoch sagen, dass China natürlich sagt, nach einer Dekade von Fokus auf Energiearmut und Energiesicherheit, wie das China nennt - sie nennen das nicht Energiearmut, sondern Energiesicherheit -, gehen wir jetzt in eine Dekade auf Umwelt über, und ich glaube, da muss man vielleicht sagen, was man an anderen Orten noch davon lernen will, dass vielleicht das Umschwenken, wenn die Kohle mal da ist - Umschwenken kostet auch was -, dass man an anderen Orten vielleicht sich die Frage stellt, wie kann man diese zwei Agenden von Beginn weg verknüpfen. Das ist nicht trivial, aber gerade an diesen dezentralen Orten, wenn man von Subsahara-Afrika spricht, gibt es dezentrale Lösungen, die wirklich heute marktfähig sind, die heute Teil der Lösung sein können und die man vorantreiben muss.
    Hetzke: Wenn wir auf den Energieträger gucken, da gibt es jetzt ja verschiedene Formen: Es gibt Gas, Es gibt Kohle, aber auch die erneuerbaren Energien. Welche dieser Formen ist denn am besten geeignet, um diese armen Regionen, diese vernachlässigten Regionen mit Strom, mit Energie zu versorgen?
    Industrieländer mit sehr niedrigen Energiepreisen
    Frei: Vielleicht, um einfach von unten weg zu beginnen: Ich glaube, zuerst beginnt es damit, wie kann man die teure Kerze ersetzen, die teure Fackel. Das ist das erste Problem. Eine Solarlampe hilft da schon etwas weiter. Aber damit kommt ziemlich schnell der Kühlschrank und der Fernseher nachher. Der Kühlschrank ist ein Speicher in sich selbst. Solar oder Wind ist da gut. Aber beim Fernseher braucht es schon einen Speicher und da darf man auch nicht kulturverhaftet sein und sagen, ein Fernseher sollte nicht die erste Priorität sein. Es gehört dazu und das muss man einfach mal in den Raum stellen. Das heißt, speicherfähige Kleinsysteme, diese zentralen Systeme, sind der Lösungsansatz, die hier zielführend sind, und da hat die Technologie Riesen Fortschritte gemacht. Je nach Standort kann das Bio Erneuerbare sein, kann das Wind sein, kann das Solar sein. Ich glaube, die größten Fortschritte hat man in den letzten Jahren bei Sonne gemacht, bei der Solarzelle, wo der Preis ja um 80 Prozent zerfallen ist, und das ist schon eine Chance für viele dieser Orte.
    Hetzke: Wir haben ja im Augenblick zumindest für die Industrieländer sehr niedrige Energiepreise. Ist das eigentlich zur Entwicklung dieser ländlichen Regionen, um sie mit Strom zu versorgen, ein Vorteil, oder ist das eher hinderlich?
    Frei: Diese Ländlichen Regionen sind ja weit weg von Infrastruktur und dieser Preiszerfall vom Öl, der kommt gar nicht an. Ich glaube, viel wichtiger in diesem Zusammenhang sind Tatsachen wie der Preiszerfall, der nachhaltig ist im Solarzellenbereich, hoffentlich im Speicherbereich noch zunehmend. Das sind viel nachhaltigere Signale, die dann spürbar werden, neben Finanzierungsmöglichkeiten mit Skills-Training und was mit Ausbildungsmöglichkeiten, um wirklich zielführend zu sein.
    Hetzke: Der Generalsekretär des Weltenergierates, Christoph Frei, zur Stromversorgung in weltweit wirtschaftlich benachteiligten Gebieten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.