Archiv


Stubb: EU geht mit einer führenden Rolle nach Kopenhagen

Der finnische Außenminister Alexander Stubb begrüßt die Ergebnisse des EU-Gipfels. Vor allem die Position, dass die EU etwa ein Drittel der erwarteten 100 Milliarden Kosten für den Klimaschutz übernehmen werde, mache sie zum "Leader in dieser Frage".

Alexander Stubb im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich einen der Gipfelteilnehmer, den finnischen Außenminister Alexander Stubb. Guten Morgen, Herr Stubb!

    Alexander Stubb: Guten Morgen!

    Dobovisek: Ja, auf ein Verhandlungsmandat für den Klimagipfel in Kopenhagen haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs gestern geeinigt, zunächst jedoch gab es am Mittag eine Blockade der osteuropäischen Länder. Warum waren die letzten Meter so steinig, Herr Stubb?

    Stubb: Es ist immer sehr schwer zu sprechen, weil wir haben sehr viel auch über Geld hier gesprochen. Wer bezahlt die Klimaverhandlungen? Und da muss ich sagen, dass Angela Merkel und Nikolas Sarkozy und Gordon Brown und Fredrik Reinfeldt eine sehr gute Arbeit gemacht haben. Und sie haben eine Lösung gefunden.

    Dobovisek: Die Lösung heißt, dass ungefähr ein Drittel der etwa 100 Milliarden Euro, die ab 2020 für die Entwicklungsländer getragen werden sollen, von der Europäischen Union getragen werden. Ist diese Verteilung gerecht gegenüber zum Beispiel dem aufstrebenden China?

    Stubb: Also wir wissen das doch nicht jetzt, aber die wichtigste Antwort von diesem Gipfel war, dass die Europäische Union jetzt eine Position hat, und wir sind, wie man sagt auf Englisch, der Leader in dieser Frage. Und jetzt gehen wir nach Kopenhagen zusammen mit einer europäischen Position. Und wir haben auch drei große Verhandlungen vor Kopenhagen: die erste mit den Amerikanern, die zweite mit den Chinesen und die dritte mit Indien.

    Dobovisek: Aber wie sollen diese europäischen Klimaziele in Kopenhagen weltweit durchgesetzt werden, wenn es schon innerhalb der Europäischen Union so schwierig war?

    Stubb: Na, das ist die Frage von 1000 Euro, kann man sagen, eine sehr große Frage. Es ist immer sehr schwer, über die Fragen hier zu sprechen, weil wenn es kostet Geld, ist es immer schwer. Aber wir haben jetzt eine europäische Position, wir haben das gefunden, das ist sehr gut, und jetzt müssen wir auch mit den anderen Ländern probieren. Aber für uns ist das Wichtigste die Vereinigten Staaten und Präsident Obama und dann auch China und Russland.

    Dobovisek: Ein weiterer großer Punkt des Gipfels war der Vertrag von Lissabon, es gab Eingeständnisse gegenüber dem tschechischen Präsidenten. Ist jetzt der Weg zum Vertrag von Lissabon frei?

    Stubb: Hoffentlich, muss ich sagen, weil wir haben in den letzten 25 Jahren sehr viel über institutionelle Fragen geredet und diesen Lissabon-Vertrag acht Jahre oder so was. Jetzt brauchen wir aber einen Präsidenten, wir brauchen einen Außenminister und wir brauchen diesen Lissabon-Vertrag, weil wir sind jetzt in einer Welt, wo die Wurzeln der Europäischen Union ist nicht stark genug. Aber mit Lissabon vielleicht.

    Dobovisek: Aber war es richtig, weitere Ausnahmeregelungen wie jene Fußnote für Tschechien zu akzeptieren?

    Stubb: Also ich glaube, dass wir brauchen den Lissabon-Vertrag und wir haben eine Lösung gefunden. Diese Lösung ist, glaube ich, sehr gut, doch nicht radikal. Also es bedeutet nicht so viel für die anderen Länder, aber politisch war es sehr wichtig für den tschechischen Präsidenten. Und jetzt hoffen wir, dass wir finden eine Unterschrift von dem tschechischen Präsidenten auch.

    Dobovisek: Wie so häufig in der Diplomatie, jeder will sein Gesicht wahren. Polen, Großbritannien, jetzt auch Tschechien scheren aus. Ergibt die Grundrechtecharta im Vertrag von Lissabon damit überhaupt noch einen Sinn?

    Stubb: Nein, das ist nicht ein Opt-Out. Für mich ist das nur ein juridischer Text, wo man sagt, dass die nationale ???stiftung ist wichtiger als die europäische ???stiftung in dieser Frage. Ich glaube, dass die ???stiftung ist derselbe in Europa und in Großbritannien und in Tschechien. Ich muss sagen, dass die Bedeutung ist politisch nicht juridisch.

    Dobovisek: Sie haben es auch schon erwähnt, Herr Stubb, auch Personalia wurden besprochen, der Brite Tony Blair scheint nicht mehr zur Debatte zu stehen. Wer wird nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon EU-Ratspräsident?

    Stubb: Uff, das weiß niemand jetzt, das ist auch eine große Frage, aber es ist auch ein bisschen eine Lotterie. Ich sage immer, dass jetzt haben wir eine Situation, wo die Sozialisten würden sehr gern den Außenminister haben und die Konservativen den Präsidenten.

    Dobovisek: Wer sollte es werden, wenn ich Alexander Stubb befrage?

    Stubb: Na ja, ich weiß nicht, ich habe sehr viele gute Kandidaten, aber es ist eine Lotterie. Wir haben vielleicht 20 Namen, und ich glaube, dass zuerst muss Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Präsident Nikolas Sarkozy darüber sprechen, dann spricht die schwedische Präsidentschaft darüber und vielleicht finden wir ein oder zwei sehr gute Personen in zwei Wochen oder so was.

    Dobovisek: Wie wichtig sind diese neuen Positionen?

    Stubb: Sehr wichtig. Ich glaube, für mich als Außenminister ist der Außenminister oder die Außenministerin wichtiger als der Präsident, aber vielleicht für andere ist der Präsident des Europäischen Rats ein bisschen wichtiger. Aber beide sind sehr, sehr wichtig. Wir brauchen ein Gesicht für Europa, und ich glaube, dass mit dem Präsidenten und dem Außenminister haben wir zwei sehr gute Gesichter.

    Dobovisek: Aber haben Sie nicht auch ein bisschen Angst, Herr Stubb, dass das europäische Außengesicht sozusagen, um im Bild zu bleiben, nicht auch Ihnen als nationalem Außenminister ein bisschen den Schneid abkaufen könnte, die Bedeutung sozusagen abnehmen könnte?

    Stubb: Ich bin wie man sagt ein europäischer Föderalist und ich glaube, dass die Zukunft der europäischen Außenpolitik ist, dass die nationalen Außenminister eine weniger Bedeutung hat. Aber ich habe auch immer gesagt, dass wir brauchen eine Außenpolitik, wo Deutschland, Großbritannien und Frankreich eine gemeinsame Linie finden, und dann haben wir auch eine europäische Position.

    Dobovisek: Frank-Walter Steinmeier haben Sie, Herr Stubb, als "super Außenminister" bezeichnet. Wie haben Sie denn die Premiere von Guido Westerwelle auf dem Gipfel erlebt?

    Stubb: Auch super. Also wir sitzen in der Nähe voneinander, also Finnland und Deutschland, und er ist echt auch super. Wir haben sehr viel über europäische Fragen gesprochen, und das bedeutet für mich, dass die lange Linie der sehr guten deutschen Außenminister geht weiter.

    Dobovisek: Welches Europabild bringt Guido Westerwelle mit, was meinen Sie?

    Stubb: Ein liberales Europa, und ich bin auch ein, wie man sagt, liberaler Konservativer. Er ist auch treuer Europäer, und das ist sehr gut.

    Dobovisek: Was würden Sie ihm wünschen für die kommenden vier Jahre auf dem internationalen Parkett, was geben Sie ihm mit auf den Weg?

    Stubb: Glückwünsche und Frieden. Also die Arbeit von einem Außenminister ist immer Krisenhandlung, und ich glaube, dass die vier Jahre für Guido werden sehr, sehr gut.

    Dobovisek: Und wie kann er die jetzigen Krisen am besten überstehen?

    Stubb: Beim zusammen mit den anderen europäischen Außenministern Arbeiten.

    Dobovisek: Finnlands Außenminister Alexander Stubb, vielen Dank für das Gespräch, das wir vor der Sendung aufgezeichnet haben.