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Studentische Telefonseelsorge
Bis zu 2.000 Gespräche im Jahr

Prüfungsangst, Beziehungsstress, Depressionen, Einsamkeit: Es gibt viele Probleme und Sorgen im Leben von Studierenden. In solchen Fällen hilft oft die studentische Telefonseelsorge. Ehrenamtliche in Hamburg betreiben sie seit 40 Jahren – und helfen nicht nur Studierenden.

Von Axel Schröder | 06.11.2017
    Rundes Metallschild von der Studentischen Telefonseelsorge Hamburg mit der Aufschrift: "Einsam?" und der Telefonnummer.
    Bei Sorgen: Jeden Abend sind zwei Studierende erreichbar (Deutschlandradio/Axel Schröder)
    "Studentische Telefonseelsorge. Guten Abend!"
    Lisa Fuhrmann hört gut zu. Lässt sich erklären, was die Menschen am anderen Ende der Leitung auf dem Herzen haben, was ihnen das Herz beschwert. Sie ist eine von vierzig Studierenden, die sich bei der Telefonseelsorge der Evangelischen Studierendengemeinde, der ESG um kleine und große Nöte der Anrufer kümmern.
    "Ich glaube, das Hauptproblem ist wirklich der Faktor Einsamkeit. Eine Problematik nicht teilen zu können. Oder eine Problematik, im eigenen Umfeld nicht verstanden zu sein. Letztendlich ist es wirklich die Einsamkeit in dem Moment, weil man keine andere Stelle anlaufen kann. Oder auch Scham einfach."
    Wie sieht Hilfe aus, wo sind die Grenzen?
    Lisa Fuhrmann hat neben ihrem Psychologiestudium für die Telefonseelsorge gearbeitet. Wie alle anderen der ehrenamtlichen Helfer musste auch sie in einem Vorbereitungskurs zunächst lernen, wie die Hilfe aussehen kann und wo ihre Grenzen sind.
    "Es ist wirklich nicht einfach. Mir ging es anfangs sehr oft so, dass ich jedes Mal gesagt hätte: ‚Probieren Sie doch mal dies aus!‘ oder ‚Machen sie doch mal das!‘ oder ‚Ich könnte mir vorstellen, dass das Ihnen gut tut!‘ Das ist eigentlich nicht die Grundidee. Sondern die Grundidee ist eben wirklich, dass derjenige sich selbst Ratschläge gibt. Und dass man irgendwie zusammen in so eine Richtung arbeitet, dass derjenige selbst drauf kommt."
    Vorbereitungen auf das nächste Gespräch
    Tag für Tag sind immer zwei Studierende Einsatz. Und das helfe besonders in den Fällen, in denen sehr bedrückende Geschichten zur Sprache kommen, erzählt Lisa Fuhrmann:
    "Es ist auch wichtig, nicht auszulegen und sofort das nächste Telefonat anzunehmen. Sondern das erstmal in sich sacken zu lassen, um dann wieder praktisch relativ clean in das nächste Gespräch gehen zu können. Weil man sonst das aus dem vorherigen Gespräch in das nächste mit reinnehmen, was auf gar keinen Fall produktiv ist. Und wenn sich die Gelegenheit ergibt und vielleicht gerade auf beiden Leitungen kein Anrufer vorhanden ist, dann nutzt man die Zeit, um sich auszutauschen. Auf alle Fälle!"
    Englisches Vorbild
    Geleitet wird die studentische Telefonseelsorge von Christof Jaeger. Vor über zwanzig Jahren hatte er als Student dort angefangen. Vor 40 Jahren wurde das Projekt gegründet, erzählt Christof Jaeger. Die Anregung dazu kam aus England.
    "Das war eine ganz persönliche Geschichte. Soweit ich weiß, gab es in London einen Pastor, der einen Menschen beerdigt hat, der sich selbst das Leben genommen hat. Das war ein ganz junger Mensch. Das hat ihn so beschäftigt, dass er eine Zeitungsannonce aufgegeben hat und gesagt hat: ‚Bevor Sie sich umbringen, rufen Sie mich an!‘ Das hat eine enorme Resonanz ausgelöst und dadurch kam es dann dazu, dass er Ehrenamtliche gesucht hat."
    Nach und nach wurden die Beratungen professioneller, die Idee verbreitet sich auch an anderen Orten. Die Studierenden in Hamburg führen heute bis zu 2.000 Gespräche pro Jahr. Kümmern sich um junge Menschen mit Prüfungsangst oder Beziehungsproblemen. Aber längst nicht alle Anrufer sind selbst Studenten.
    Jeden Abend, von 20 Uhr bis Mitternacht ist die Telefonseelsorge der ESG erreichbar. Unter der Hamburger Rufnummer 411 70 411.
    "Studentische Telefonseelsorge. Guten Abend!"