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Sturm "Xaver"
"Wir sind gut durchgekommen"

Obwohl Sturm "Xaver" den Norden Deutschlands fest im Griff hat, ist Schleswig-Holsteins Umwelt- und Küstenschutzminister Robert Habeck (Grüne) optimistisch. Durch die gute Vorbereitung sei bisher alles gut gegangen.

Robert Habeck im Gespräch mit Peter Kapern | 06.12.2013
    Peter Kapern: Es ist noch einmal gut gegangen. Xaver hat in der vergangenen Nacht offenbar keine verheerenden Schäden angerichtet. Allerdings: noch ist der Sturm nicht vorbei. Den ganzen Tag über wird er Norddeutschland noch im Griff haben. Bei uns am Telefon ist Robert Habeck, der Umwelt- und Küstenschutzminister des Landes Schleswig-Holstein. Guten Morgen, Herr Habeck.
    Robert Habeck: Guten Morgen, Herr Kapern.
    Kapern: Wenn Sie so die Nachrichten hören über den Verlauf der Sturmnacht, sind Sie dann erleichtert?
    Habeck: Ja. Eindeutig ja. Die Sturmflut ist höher aufgelaufen, als wir es gestern Abend, als ich ins Bett ging, gedacht haben. Das heißt, es war eine kitzelige Situation. Wir sind gut durchgekommen. Vor den Urgewalten muss man echt mit Demut noch mal sagen: Gut, dass es gut gegangen ist.
    Kapern: Heißt das auch, kann man aus der Tatsache, dass alles gut gegangen ist, herauslesen, dass in den vergangenen Jahrzehnten seit dieser verheerenden Sturmflut von 1962 alles richtig gemacht worden ist?
    Habeck: So sieht es aus. Im Grunde haben sich viele Menschen vor uns und viele tüchtige Leute, Politiker wie vor allem aber auch Deichbauer, Wasserwerker, Handwerker, darauf vorbereitet, so eine Nacht zu überstehen, und wir haben 50 Jahre lang die Deiche verstärkt und erhöht, und den Lohn haben wir dann heute Nacht eingefahren.
    Kapern: Ist nach Ihrer Einschätzung die Gefahr bereits vorüber?
    Habeck: Das denke ich, so sieht es aus. Wir werden das nächste Hochwasser, die nächste Sturmflut dann heute Nachmittag bekommen, aber die Windprognosen sind etwas schwächer, und wir rechnen damit, dass auch die Ebbe das Wasser wieder herauszieht, sodass die Pegelstände wohl nicht mehr ganz so erreicht werden. Wenn es jetzt hell wird, werden wir die Deiche abgehen und gucken, welche Schäden dann da sind. Das kann man in der Nacht im Grunde kaum erkennen. Wir haben zwei, drei Deiche, die wir im Herbst winterfest gemacht haben, an denen wir gebaut haben. Das kann schon sein, dass da die Kleidecke beschädigt ist. Die würden wir dann schnell reparieren. Aber ich rechne nicht damit, dass sich die Situation noch mal so zuspitzt, wie es gestern im Laufe des Tages manchmal den Anschein zu haben schien.
    Habeck: Wir werden in Zukunft häufiger solche Extremereignisse haben
    Kapern: Gestern haben Sie einmal gesagt, man könne einen Deichbruch nie ausschließen. Wäre das Land darauf vorbereitet gewesen?
    Habeck: Auch darauf sind wir vorbereitet, wobei dann natürlich Szenarien greifen, die man schwer vorhersagen kann. Aber auch da gibt es klare Pläne, klare zweite Deichlinien, Katastrophenschutz-Szenarien, die dann sofort greifen würden, Evakuierungspläne und so weiter. Aber so ist es ja nicht gekommen. Aber klar, natürlich: Wir kämpfen an, oder wir versuchen, die Küste zu halten gegen wirklich Kräfte, die einen einfach schier sprachlos zurücklassen, wenn man dann in der Sturmflut steht oder vor der Sturmflut steht, im Orkan steht, und bei allem, was man tut und was man macht, und so mächtig die Deiche auch sind, man muss einfach immer vor Augen haben, dass man nie hundertprozentig sicher sein kann.
    Kapern: Wir haben nun, Herr Habeck, zwei verheerende Stürme binnen weniger Wochen erlebt, und dann heißt es immer ganz schnell, das sind die ersten Folgen des Klimawandels. Ist das Ihrer Meinung nach auch so eindeutig?
    Habeck: Ich glaube, es gibt eindeutigere Beweise als die beiden Stürme. Das ist, denke ich, auch Zufall oder Aufeinandertreffen von zwei Extremereignissen. Von denen allerdings werden wir in Zukunft sicherlich häufiger welche haben. Wir hatten davor allerdings zehn Jahre Ruhe. Die letzte schwere Sturmflut vergleichbaren Ausmaßes war 2002 an den schleswig-holsteinischen Küsten. Das heißt, zehn Jahre war gar nichts. Allerdings rückwärts gerechnet von der 62er-Sturmflut von Hamburg hatten wir 28 Sturmfluten diesen Ausmaßes. Also es gab immer Sturmfluten an der Westküste von Schleswig-Holstein. Es wird immer welche geben. Aber es gibt auch den Klimawandel, und deswegen müssen wir damit rechnen, dass die Extremereignisse zunehmen, die Böen heftiger werden. Wir hatten jetzt letzte Nacht 184 km/h auf Sylt, das muss man sich mal vorstellen. Man kann, glaube ich, aus zwei Ereignissen nicht schließen, dass das jetzt das Signal ist, alles wird anders, aber alles wird anders werden und diese Ereignisse warnen uns, wie schlimm es werden kann.
    Kapern: Und was heißt das für den Deichbau an den Küsten, für deren Schutz Sie zuständig sind?
    Habeck: Wir haben die letzten Jahre kontinuierlich über Generalpläne die Deiche verstärkt, haben den letzten Generalplan Küstenschutz in diesem Jahr abgeschlossen. Der gibt uns dann wieder Planungsvorgaben für die nächsten vier, fünf, sechs Jahre, dann wird die nächste Landesregierung wieder einen neuen Plan auflegen. Der wird quasi immer fortgeschritten. Wir haben im letzten Jahr ungefähr 70 Millionen Euro verbaut für den Küstenschutz. In 2014 werden es 60 werden ungefähr, knapp 60. Das heißt, man muss kontinuierlich sehr viel Geld in die Hand nehmen, um die Deiche zu halten, und das ist für so ein kleines und armes Land wie meines schon eine Herausforderung. Man kann aber nicht sagen, das ist doch alles super, wir machen jetzt zehn Jahre gar nichts, das würde sich bitterlich rächen.
    Kapern: Sie haben vor einiger zeit darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, für den weiteren Deichausbau gesellschaftliche Akzeptanz zu finden. Heißt das, es gibt in Schleswig-Holstein Menschen, die sich gegen einen besseren Küstenschutz wehren?
    Habeck: Nein, aber das Geld muss immer wieder rausgeholt werden. Und wenn wir die Deiche so behandeln wie unsere Straßen, dann machen wir alles falsch. Das wissen Sie ja, dass nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern überall die Straßen in einem maroden Zustand sind. Dieser Kampf, der darf nicht verloren werden, dass man immer wieder Mittel akquiriert dafür. Es gibt einen gewissen wirtschaftlichen Konflikt, oder gab ihn, muss ich sagen, weil wir ja vor dem Deich den Nationalpark haben. Den Konflikt zwischen den Küsten, die Küsten sichern und das Weltnaturerbe, das wir da haben, also höchste Schutzkategorie – das ist ja wirklich eine grandiose Landschaft da draußen vor dem Deich -, die als Naturlandschaft unberührt zu lassen, den gibt es. Aber den haben wir, glaube ich, gut im Griff und Naturschützer und Deichschützer arbeiten hier Hand in Hand, sind im Übrigen auch in einer Landesbehörde zusammengefasst. Also das passt schon.
    Kapern: Robert Habeck, der Umwelt- und Küstenschutzminister des Landes Schleswig-Holstein, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Habeck, danke für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!
    Habeck: Danke, wünsche ich Ihnen auch. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.