Freitag, 29. März 2024

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Süd-Ost-Stromtrasse
Keine irreversiblen Zustände schaffen

Nach dem Bund-Länder-Treffen zum Bau neuer Stromtrassen sieht Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) weiteren Gesprächsbedarf. Die Energiewende sei eine große Aufgabe für Deutschland und nur zu schaffen, wenn zwischen allen Beteiligten ein enger und vertrauensvoller Dialog bestehe, sagte Altmaier im Deutschlandfunk. Besonders umstritten ist derzeit eine Ost-Süd-Trasse zum Stromtransport.

Peter Altmaier im Gespräch mit Christine Heuer | 13.02.2014
    Christine Heuer: Zum Nulltarif ist die Energiewende nicht zu haben. Die Bürger spüren das längst im Portemonnaie, die Unternehmen zunehmend auch, und dort, wo künftig Strom von Nord nach Süd oder von Ost nach Westdeutschland geleitet werden soll, gehen die Anwohner auf die Barrikaden, weil die geplanten Stromtrassen die Landschaft zersiedeln und verschandeln. In Franken zum Beispiel wehren sich Bürgerinitiativen gegen die geplante Süd-Ost-Trasse von Sachsen-Anhalt nach Augsburg. Sogar gesundheitliche Schäden befürchten die Gegner. Und dass die bayerische Staatskanzlei wirklich so widerständig ist, wie sie sich gibt, daran glauben die Gegner auch nicht mehr.
    Über jene Trasse, gegen die die gerade gehörten Wutbürger zu Felde ziehen, wurde gestern bei Kanzleramtschef Peter Altmaier gesprochen. Der CDU-Politiker hat als Bundesumweltminister bis vor kurzem ja selbst federführend mit der Energiewende gerungen. Nun sucht er in neuer Funktion nach einer Lösung im Trassenstreit und hatte deshalb zum Bund-Länder-Gespräch geladen – Vertreter aus Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt, die Netzbetreiber waren auch dabei. Guten Morgen, Herr Altmaier.
    Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Horst Seehofer auf den Barrikaden, Christine Lieberknecht findet, Sie habe ihr Soll erfüllt. Wer macht Ihnen das Leben gerade schwerer, Bayern oder Thüringen?
    Kontakt zwischen allen Beteiligten intensivieren
    Altmaier: Die Energiewende ist insgesamt eine große Aufgabe und bestimmt nicht leicht, weil sehr viele Entscheidungen in relativ kurzer Zeit zu treffen sind. Wir reden derzeit über eine ganz grundlegende Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Wir reden über den Ausbau der Leitungen. Wir reden darüber, wie erneuerbare Energien und konventionelle Energien ins Gleichgewicht gebracht werden können. Das kann man nur schaffen, wenn zwischen allen Beteiligten ein enger und vertrauensvoller Dialog besteht.
    Und das war gestern mein Anliegen, nämlich die Bundesländer, alle betroffenen Bundesländer dieses konkreten Projektes plus diejenigen, die diese Leitung bauen wollen, an einen Tisch zu bringen, um Missverständnisse auszuräumen und sich über das Vorgehen zu verständigen.
    Heuer: War das jetzt nur eine vertrauensbildende Maßnahme, oder haben Sie da auch was beschlossen?
    Altmaier: Zunächst einmal ist es so, dass es ganz offenbar Defizite gab in der Zusammenarbeit der Beteiligten, weil sich die Landesregierungen unzureichend informiert und eingebunden fühlten. Es war auch in der öffentlichen Darstellung so, dass tagelang eine ganz andere Leitung als strittig dargestellt wurde, als es in Wirklichkeit war. Da haben wir dafür gesorgt, dass es jetzt einen direkten Draht gibt zwischen den Verantwortlichen.
    Zweitens: Wir haben die Abläufe geklärt und die Abläufe sind so, dass wir einige Leitungsprojekte haben, die bereits im Bau befindlich sind, die weit fortgeschritten sind. Dazu gehört zum Beispiel die Strombrücke zwischen Thüringen und Bayern. Das haben auch noch mal die Bayern und Thüringer klar gesagt, die wird weiter gebaut.
    Reform des EEG muss abgewartet werden
    Heuer: Die ist auch nicht strittig?
    Altmaier: Nein, die ist nicht strittig. Dann gibt es neue Projekte, und die stehen teilweise möglicherweise im Zusammenhang mit den großen Veränderungen bei den erneuerbaren Energien, die bis Sommer beschlossen werden. Im Koalitionsvertrag steht ausdrücklich drin, dass der Netzausbau dann auf den neuen Ausbaukorridor für die erneuerbaren Energien auszurichten ist, und im Moment wird geprüft, ob damit Veränderungen und welche verbunden sind. Und es ist klar geworden bei dem Gespräch, dass egal was die einzelnen Beteiligten tun, es keine definitiven irreversiblen Entscheidungen in den nächsten Wochen und Monaten geben wird, bevor diese Reform des EEG abgeschlossen ist.
    Heuer: Erklären Sie das mal mit dem Bedarf. Wenn Sie erneuerbare Energien nicht mehr so stark fördern, heißt das dann, man braucht die Trassen gar nicht, oder werden die dann kleiner? Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen?
    Altmaier: Nein, das sagt niemand. Ich habe ja gesagt, gegebenenfalls und ob, denn was wir im Moment erleben ist, dass wir uns darauf geeinigt haben, wie viel erneuerbaren Strom wir im Jahre 2025 und im Jahre 2035 haben werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir weniger große Windräder auf dem offenen Meer bauen werden, ungefähr 30 Prozent, 40 Prozent weniger als geplant. Wie sich die Windräder an Land verteilen zwischen Nord- und Süddeutschland, das steht noch gar nicht fest, weil das abhängig ist vom Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens. Deshalb heißt es, es muss zu prüfen sein, ob alle bisherigen Planungen richtig waren. Das bedeutet nicht, dass sie unterbrochen werden, dass Gesetze außer Kraft gesetzt werden, sondern es bedeutet, dass wir im Rahmen des jedes Jahr stattfindenden Prozesses uns anschauen werden, gibt es Grund, irgendetwas zu verändern, und das kann dazu führen, dass irgendwo möglicherweise eine Leitung anders verläuft, das kann dazu führen, dass eine Leitung vielleicht nicht sofort gebaut wird, oder dass eine zusätzliche Leitung irgendwo benötigt wird. Das kann im Augenblick niemand wissen. Wir haben ja im Wirtschaftsministerium die Zuständigkeit für die Kraftwerke, für die Windräder und für die Leitungen zum ersten Mal gebündelt.
    Heuer: Herr Altmaier, das heißt aber doch jetzt konkret, diese strittige Süd-Ost-Trasse kommt vielleicht später und sie wird, wenn sie kommt, vielleicht einen anderen Verlauf nehmen, nämlich durch andere Bundesländer, Hessen oder Sachsen. Ist das richtig?
    Altmaier: Ich will gar kein Ergebnis vorweg nehmen, weil wir uns gestern zwischen den Betreibern – das sind die Netzgesellschaften Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt – darauf geeinigt haben, dass alle offenen Fragen zwischen diesen fünf Beteiligten diskutiert werden. Es gibt außerdem den Bundeswirtschaftsminister, der seine Verantwortung gemeinsam mit der Bundesnetzagentur wahrnimmt. Und bevor diese Beteiligten sich nicht auf konkrete Ergebnisse verständigt haben, werde ich nicht darüber spekulieren, ob sich irgendetwas ändert und was sich ändert, sondern das ist das Ergebnis dieses Prozesses.
    Das Projekt Energiewende zum Erfolg führen
    Heuer: Es ist alles offen, das lernen wir, und Ergebnisse wird es wahrscheinlich erst nach dem 16. März geben. Da finden die bayerischen Kommunalwahlen statt und das macht Horst Seehofer dann auch wahrscheinlich wieder gesprächsbereiter, wenn die erst einmal vorbei sind.
    Altmaier: Ich glaube, dass die Hauptlektion, die wir zu lernen haben, darin besteht, so ein Projekt wie die Energiewende kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten fortgesetzt miteinander reden. Ich habe als Bundesumweltminister ungefähr die Hälfte meiner Zeit damit verbracht, in Hunderten von Veranstaltungen quer über die Republik mit Netzbetreibern, mit Kraftwerksbauern, mit Erneuerbaren-Energie-Produzenten zu reden und immer wieder zu reden, und trotzdem ist der Gesprächsbedarf riesig groß, immer noch. Das müssen die Beteiligten verstehen.
    Deshalb müssen wir auch bei dem, was wir dann bauen und verwirklichen werden, dafür sorgen, dass Bürgerbeteiligung in ganz umfassender Weise stattfindet: kommunale Ebene, Landkreise, Bundesländer und die betroffenen Bürgerinnen und Bürger selber. Und wenn man dann dafür sorgt, dass Klarheit und Transparenz herrscht, ich glaube, dann sind auch viele bereit, mitzumachen und die notwendigen Projekte zu unterstützen.
    Noch viele offene Fragen zur Reform des EEG
    Heuer: Und das braucht Zeit. – Herr Altmaier, wir haben die Eckpunkte von Sigmar Gabriels Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes jetzt etwas konkreter vorliegen seit gestern. Wenn ich das richtig verstehe, ist das so, dass der Strom nicht wesentlich billiger wird und dass es nicht weniger, sondern mehr Rabatte für Unternehmen geben soll. War das Ziel nicht gerade das Gegenteil?
    Altmaier: Wir haben die Eckpunkte bereits auf der Klausurtagung des Kabinetts in Meseberg beschlossen, und dort haben wir dafür gesorgt, dass zum ersten Mal ein klarer Ausbaurahmen für die erneuerbaren Energien, der verbindlich ist, festgelegt wird. Wir haben festgelegt, dass die Fördersätze insbesondere bei Windanlagen sinken werden. Zu der Frage der Ausgleichsregelungen für energieintensive Unternehmen ist in diesem Gesetzentwurf noch keine Entscheidung enthalten, weil darüber Gespräche stattfinden, zum Beispiel mit der Europäischen Kommission in Brüssel. Das ist ein hoch sensibles Thema und deshalb wird diese Entscheidung erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erfolgen.
    Heuer: Aber wenn wir jetzt seit gestern in den Zeitungen lesen können, dass nun auch kleinere Bahnunternehmen zusätzlich Rabatte bekommen, dann geht das doch in die falsche Richtung.
    Zur Person: Peter Altmaier (CDU)

    Geboren 1958 in Ensdorf (Saar). Nach dem Abitur studierte der CDU-Politiker Rechtswissenschaft an der Universität des Saarlandes. Seit 1976 ist Altmaier CDU-Mitglied. Ab 1990 war er in verschiedenen Funktionen als EU-Beamter tätig, bis er 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages wurde. Am 22. Mai 2012 übernahm er das Bundesumweltministerium, nachdem Bundeskanzlerin Merkel seinen Vorgänger Norbert Röttgen entlassen hatte. In der gegenwärtigen Großen Koalition ist Peter Altmaier Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts. Er spricht fließend Englisch, Französisch und Niederländisch.
    Altmaier: Das wird man sehen müssen, ob diese Interpretation stimmt. Wir haben ein Urteil, das dazu geführt hat, dass die Deutsche Bahn im letzten Jahr wesentlich mehr zahlen musste als bisher. Wir sind uns einig, dass wir die Rabatte dort konzentrieren wollen, wo sie gebraucht werden, nämlich dort, wo deutsche Arbeitsplätze im internationalen Wettbewerb stehen. Wir wollen die Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und wir haben kein Interesse daran, dass sie abwandern in Länder mit weniger Umweltschutz. Das ist bei einer S-Bahn zugegebenermaßen etwas schwieriger als bei einem Aluminium- oder Stahlwerk, und deshalb: Wir werden uns das genau anschauen. Ich bin aber überzeugt, dass der Bundeswirtschaftsminister und die Fraktionen der Koalition hier eine gute Lösung zustande bringen.
    Heuer: Ganz kurz zum Schluss, Herr Altmaier. Wird der Strom für die Bürger billiger, ja oder nein?
    Altmaier: Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, weil das Gesetz erst ins Parlament kommt, und wenn das Parlament das Gesetz zum Sommer verabschiedet hat, dann werden wir konkret wissen, was sich ändert, und dann werden wir auch eine Aussage treffen können, wie sich der Strompreis weiterentwickelt.
    Heuer: Wir sind gespannt. – Peter Altmaier, der Kanzleramtschef, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank.
    Altmaier: Ich danke Ihnen, Frau Heuer.
    Heuer: Schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.