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Süssmuth: Chance vertan bei der Frauenquote

Schwarz-Gelb hat im Bundestag den Vorstoß der Opposition für eine gesetzliche Frauenquote abgelehnt. Mit Blick auf junge Wählerinnen sei das nicht hilfreich gewesen, findet die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Sie ist aber überzeugt davon, dass der unionsinterne Kompromiss zur Frauenquote ab 2020 verbindlich ist.

Rita Süssmuth im Gespräch mit Gerd Breker | 19.04.2013
    Dirk Müller: Anfang der Woche hatte sich die Abstimmung im Bundestag gestern bereits entschieden. Nach dem Kompromiss innerhalb der Unionsfraktion war klar: Es wird keine gesetzliche vorgeschriebene Frauenquote in Unternehmen geben. Die Opposition ist mit ihrem Vorhaben gescheitert, aber vielleicht auch viele Frauen in der CDU und CSU.
    Die Frauenquote, eine verpasste Chance, eine Abstimmungsniederlage für die Opposition gestern im Bundestag – mein Kollege Gerd Breker hat darüber mit der CDU-Politikerin Rita Süssmuth gesprochen. Auch er hat gefragt: Ist da eine historische Chance vertan worden?

    Rita Süssmuth: Es wurde eine Chance vertan. Ob es die historische Chance heute war, das weiß ich nicht. Das würde ich anders sehen, weil wir keine Voraussetzung hatten bis zum vergangenen Montag, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Die ist am Montag allerdings erarbeitet worden, indem endlich von der Flexi-Quote weggegangen worden ist zu einer gesetzlichen Regelung. Und ich glaube, dass das Wahljahr ganz entscheidend ist, dass man keinen gemeinsamen Antrag zustande bekommen hat. Ich möchte Ihnen sagen: Wir haben viel zu lange mit dieser Regelung gewartet. Ich habe das schon in den 80er-Jahren versucht, dann ist es wieder versucht worden 2001, jetzt seit 2010 arbeiten wir daran. Was ich glaube und wovon ich überzeugt bin, dass der Beschluss, der jetzt im Vorstand der CDU getroffen worden ist, ein verbindlicher ist. Da kann auch die Parteivorsitzende nicht hinter zurück. Das wird sie auch nicht wollen. Sodass ich sage: Nutzt die Chance, ab heute schon die Verhältnisse zu verbessern, ohne dass ihr die gesetzliche Regelung habt, zeigt – das sage ich auch an die Adresse der Wirtschaft -, was ihr aus eigener Kraft voranbringen könnt. Bisher habt ihr das nicht bewiesen, vielleicht auch nicht gewollt.

    Gerd Breker: Frau Süssmuth, statt im Gesetz steht nun die Quote im Unions-Wahlprogramm. Ist das für Sie wirklich ein Trost?

    Süssmuth: Nein, das ist kein Trost. Aber das ist kein Ergebnis von Aussichtslosigkeit. Denn statt Gesetz – wir brauchen das Gesetz. Aber sie hat ja zugesagt, die Kanzlerin, dass das Gesetz unmittelbar nach der Wahl gemacht werden soll. Besser wäre gewesen, man hätte sich jetzt geeinigt.

    Breker: Nun hat die FDP heute auch klar gemacht, sollte es zu einer Neuauflage von Schwarz-Gelb kommen, dass sie eine gesetzliche Frauenquote ablehnen wird.

    Süssmuth: Dann muss die Kanzlerin sich von der FDP abgrenzen. Denn ich muss sagen, was sie nicht will, muss trotzdem Gesetz werden. Denn sie hat ja heute dem Beschluss zugestimmt, sie hat sich ja nicht enthalten, die FDP.

    Breker: Sie wird es allerdings nicht in ihr Wahlprogramm schreiben, Frau Süssmuth.

    Süssmuth: Aber sie hat im Parlamentsbeschluss für eine Regelung gestimmt, mit der sie sich ja auch verpflichtet hat.

    Breker: Die jüngsten Wahlen, Frau Süssmuth, haben gezeigt, dass sich die Union gerade in den Metropolen schwertut. Vor allem die jungen Frauen scheinen nicht zu wissen, warum sie CDU wählen sollen. War da die heutige Entscheidung hilfreich?

    Süssmuth: Das glaube ich nicht. Wir haben unseren Frauen, ob sie nun schon Mitglieder sind, oder die uns zumindest zugetan sind, zu erklären, was da heute passiert ist.

    Breker: Was nicht leicht werden wird?

    Süssmuth: Nein, das wird nicht leicht. Ich weiß, dass meine Fraktionsfrauen – oder unsere, muss ich sagen -, 20 haben davon sehr gekämpft, sind froh, dass sie diesen Kompromiss erzielt haben. Aber wenn die FDP erneut erklärt, sie macht dort nicht mit, dann ist das ja kein Partner, um ein solches Gesetz über die Bühne zu bringen.

    Breker: Bundeskanzlerin Angela Merkel – sie ist ja zugleich auch CDU-Vorsitzende – hat die ein oder andere heilige konservative Kuh geschlachtet: Die allgemeine Wehrpflicht ist weg, der Ausstieg aus der Atomenergie wurde beschlossen. Nur wenn es um die Frauen geht, dann verlässt sie offenbar der Mut. Wie erklärt sich das?

    Süssmuth: Sie selbst kommt aus einer Sozialisationsgeschichte, in der sie immer angenommen hat, wir brauchen so was nicht, und das wirkt nach. Aber ich möchte Ihnen trotzdem sagen: Ich verlasse mich heute auf ihr Wort. Und diese Verbindlichkeit wird sie auch nicht einfach aufkündigen, denn sonst wäre das ja eine Kanzlerin, die sich nicht an ihr Wort hält.

    Müller: Die CDU-Politikerin Rita Süssmuth im Gespräch mit meinem Kollegen Gerd Breker.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.