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Sutter: "Ungeheuerliche Vorwürfe" müssen zuerst belegt werden

SPD-Chef Gabriels Vorwurf der organisierten Kriminalität bei Schweizer Banken, weist Thomas Sutter entschieden zurück. Ein systematische Beihilfe zur Steuerhinterziehung würde gegen interne Bankweisungen und Schweizer Gesetze verstoßen, ergänzt das Mitglied des Schweizerischen Bankiervereinigung.

Thomas Sutter im Gespräch mit Peter Kapern | 15.08.2012
    Peter Kapern: In seiner Babypause hat SPD-Chef Sigmar Gabriel zwischen Breichen rühren und Windeln wechseln mal so ganz nebenbei die Landkarte Europas neu gezeichnet. Bisher glaubten wir ja immer, dass Böse, die organisierte Kriminalität sei, vielleicht irgendwo am unteren Ende des italienischen Stiefels zu Hause, vielleicht noch im Osten, der Heimat der russischen Mafia. Doch weit gefehlt: Auf Gabriels Landkarte hat die ehrenwerte Gesellschaft eine neue Heimat gefunden, und zwar in der Schweiz!

    O-Ton Sigmar Gabriel: Das Steuerabkommen soll ja die Steuerhinterziehung gerade legalisieren, das ist ja das, was wir, sagen wir mal, für unmöglich halten: Jeder normale Bürger wird gar nicht gefragt, dem wird das Geld gleich abgezogen, der sieht das gar nicht, das Finanzamt kassiert das sofort, und hier haben wir ja mit Schweizer Banken Formen der organisierten Kriminalität. Das ist das, was mich richtig aufregt!

    Kapern: SPD-Chef Sigmar Gabriel am vergangenen Sonntag im Deutschlandfunk. Bei uns am Telefon ist nun Thomas Sutter, Mitglied der Geschäftsführung der Schweizerischen Bankiervereinigung, also des Dachverbandes der Schweizer Banken. Guten Morgen nach Basel!

    Thomas Sutter: Guten Morgen!

    Kapern: Herr Sutter, sind Sie ein Masfioso?

    Sutter: Also, bis gestern war ich noch keiner, ich glaube, über Nacht bin ich auch keiner geworden. Ich denke wirklich, da ist Herrn Gabriel sein Temperament etwas durchgegangen. Das sind ungeheuerliche Vorwürfe an uns, die wirklich zuerst belegt werden müssen, und dann kann man darüber reden. Aber so, denken wir, macht das wenig Sinn.

    Kapern: Was richten solche Vorwürfe an?

    Sutter: Gut, wir fühlen uns wirklich betroffen, weil, die Schweizer Banken möchten ganz klar in Zukunft ein neues Geschäftsmodell aufbauen, sie möchten versteuerte Vermögen akquirieren und verwalten. Und daher sind solche Gefechte der Vergangenheit sehr, sehr wenig sinnvoll und nicht hilfreich für die Zukunft.

    Kapern: Das heißt aber, in der Vergangenheit hatten sich die Schweizer Banken spezialisiert auf die Akquirierung unversteuerter Vermögen. Sind die immer tatsächlich ganz ohne Zutun der Schweizer Banken in Ihr Land gegangen?

    Sutter: Nein, also, in der Vergangenheit haben die Schweizer Banken auch nicht ein Geschäftsmodell gehabt, das sich auf unversteuertes Vermögen konzentriert hat. Aber die Vergangenheit hatte andere Regeln, es war eine andere Zeit. Und es macht wenig Sinn, wenn man die ganze Zeit über die Vergangenheit redet, wenn man eigentlich für die Zukunft eine Lösung hätte. Die Schweiz und Deutschland haben ja ein Abkommen unterzeichnet, das eben die Vergangenheit sehr regelt und für die Zukunft voll auf versteuerte Vermögen setzt. Deshalb: Wir blicken in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit.

    Kapern: Gehen Sie denn noch davon aus, dass dieses Steuerabkommen tatsächlich jemals in Kraft tritt?

    Sutter: Es wäre im Interesse aller Beteiligten, es wäre im Interesse von Deutschland, weil, damit könnte Deutschland seine Steuereinnahmen optimieren, es wäre im Interesse der Kunden, weil, die könnten damit ihre Steuersituation fair regeln, und es wäre im Interesse der Schweiz und der Schweizer Banken, weil, damit können wir wirklich unsere Strategie umsetzen, in Zukunft nur noch versteuerte Vermögen zu akquirieren und verwalten.

    Kapern: Aber der Einwand, Herr Sutter, gegen dieses Steuerabkommen lautet ja, dass gerade diejenigen, die viele Jahre lang Steuern hinterzogen haben, jetzt noch belohnt werden durch dieses komfortable Abkommen. Haben Sie für diese Einwände überhaupt kein Verständnis?

    Sutter: Also, ich bin immer etwas überrascht, weil, man hört aus Deutschland, vor allem auch aus sozialdemokratischen Kreisen ja auch andere Argumente. Man hört immer, dass das Abkommen nur für die Schweiz nützlich ist, dass die Steuersätze viel zu günstig sind et cetera. Also, ich denke, die Steuersätze für die Vergangenheit sind fair, die sind vergleichbar mit der Lösung in Deutschland. In Deutschland gibt es ja auch ein Offenlegungsverfahren. Also, die sind sehr vergleichbar, die sind in dem Sinne also ähnlich wie in Deutschland. Und je nachdem, wie lange man das Geld in der Schweiz hatte, muss man weniger oder mehr Steuersätze oder Steuern bezahlen. Also, alles in allem ist das Abkommen sicherlich nicht gratis und die Steuersünder werden zur Kasse gebeten.

    Kapern: Nun haben Sie ja, Herr Sutter, sehr geschickt ausschließlich auf die Steuersätze für die Vergangenheit hingewiesen. Für die Zukunft, also ab Inkrafttreten des Abkommens, würde es ja allerdings auch bedeuten, dass die dort vorliegenden Vermögen pauschal besteuert werden mit einem Steuersatz, der deutlich niedriger liegen dürfte in vielen Fällen als der persönliche Steuersatz des Kontoinhabers hier in Deutschland.

    Sutter: Nein, das ist nicht ganz richtig. Die Steuersätze und die ganze Steuersituation für die Zukunft, die richtet sich genau nach den Steuersätzen, die in Deutschland auch herrschen. In Deutschland kennt man auch eine Abgeltungssteuer und das Gleiche bilden wir in der Schweiz nach. Wir ziehen dafür Steuern ein im Auftrag sozusagen des deutschen Fiskus, die genau gleich hoch sind wie die Steuern, die man auf diese Erträge, auf diese Veräußerungsgewinne et cetera in Deutschland bezahlen müsste. Es ist also genau identisch. Es wird das Steuersystem in Deutschland nachgebildet.

    Kapern: Herr Sutter, nun hat ja das Land Nordrhein-Westfalen mutmaßlich vier weitere CDs mit Daten von Kontoinhabern, deutschen Kontoinhabern in der Schweiz gekauft. Und es heißt, darauf sei auch gespeichert Schulungsmaterial von Mitarbeitern der Schweizer Bank UBS, aus dem zu entnehmen ist, wie die Mitarbeiter dieser Bank darin geschult werden, deutschen Schwarzgeldbesitzern zu zeigen, wie man das Geld vor dem geplanten Steuerabkommen aus der Schweiz zum Beispiel in Singapur in Sicherheit bringen kann. Leisten die Schweizer Banken also doch systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung?

    Sutter: Nein, ich kann mir das nicht vorstellen. Die Schweizer Banken haben sich vor über einem Jahr, also genau vor anderthalb Jahren, klar bereit erklärt, das Steuerabkommen bereits damals und auch jetzt in Sinn und Geist umzusetzen. Das heißt, keine Beratung zur Umgehung des Steuerabkommens zu machen und zum Beispiel auch keine konzerninternen Umbuchungen zu machen. Ich denke, es liegt jetzt wirklich an NRW, an Walter-Borjans, da mal Klartext zu reden beziehungsweise eben mal die Fakten auf den Tisch zu legen, und dann kann man darüber diskutieren. Bis jetzt sind es nur Anschuldigungen, die meines Erachtens haltlos sind. Deshalb liegt es an ihm eigentlich, zuerst die Beweise vorzulegen, und nicht bloß Behauptungen zu machen.

    Kapern: Sie schließen das aber aus, dass Schweizer Bankmitarbeiter eine solche Beratung zur Umgehung leisten?

    Sutter: Das würde gegen interne Weisungen von Banken verstoßen und ich gehe nach wie vor davon aus, dass Schweizer Banken und dass Schweizer Bankmitarbeiter sich an interne Weisungen halten und auch an interne oder auch an Gesetze in der Schweiz. Und deshalb kann ich das eigentlich, bevor mir nicht das Gegenteil ganz klar bewiesen wird, ausschließen. Wissen Sie, es kann auch sein, dass das alte Unterlagen sind, vor zehn Jahren oder acht Jahren. Das war eine andere Zeit. Wichtig ist: Die Banken halten bis heute an den Sinn und Geist der Abkommen und haben sich auch vor einem Jahr oder vor zwei Jahren daran gehalten.

    Kapern: Thomas Sutter war das, Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung. Herr Sutter, ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch heute Morgen im Deutschlandfunk, danke, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben!

    Sutter: Ich bedanke mich bei Ihnen, danke!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.