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Synagogen-Neubau in Magdeburg
Bund der Steuerzahler stellt Zuwendungen infrage

Der Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt kritisiert, dass der geplante Neubau der Magdeburger Synagoge mit öffentlichem Geld unterstützt wird. Religionsgemeinschaften sollten ihre Bauten selbst zahlen. Die jüdische Gemeinde erinnert daran, wer für die Zerstörung der alten Synagoge verantwortlich ist.

Von Christoph Richter | 12.09.2019
Denkmal für die Alte Synagoge in Magdeburg (Sachsen-Anhalt), aufgenommen am 07.05.2015. Für eine neue Synagoge hat die Synagogen-Gemeinde Magdeburg beim Land eine Unterstützung in Höhe von sechs Millionen Euro beantragt. Die Alte Synagoge war zunächst während der Novemberpogrome 1938 nur im Innern zerstört worden. Wegen der damaligen engen Bebauung der Altstadt wurde das Gebäude nicht in Brand gesetzt sondern im Frühjahr 1939 gesprengt. Foto: Jens Wolf/ZB | Verwendung weltweit
Denkmal für die Alte Synagoge in Magdeburg (picture alliance / dpa-Zentralbild / Jens Wolf)
Instinktlos, geschichtsvergessen, ja, mehr noch, man würde antisemitische Vorurteile bedienen: So in etwa lautet der Protest in Richtung des Bundes deutscher Steuerzahler. Dessen Landesverband Sachsen-Anhalt die Landesförderung für einen Synagogen-Neubau in Magdeburg in dicken Lettern in Frage stellt.
"Die grundsätzliche Frage ist die: Kann es denn richtig sein, dass der Staat jährlich steigende Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften, auch an die jüdische Gemeinde, zahlt, die sich seit 1993 verdoppelt haben? Und auf der anderen Seite Mittel für die Planung und den Neubau eines Sakralbaus bereitstellt?" Fragt Ralf Seibicke, Vorstandsmitglied beim sachsen-anhaltischen Steuerzahlerbund.
Der 58-Jährige ergänzt, 1,5 Millionen Euro bekäme die jüdische Gemeinschaft aus dem Staatssäckel. Das sei genug, um den Neubau eines Sakralbaus, wie der frühere Finanzbeamte Seibicke sagt, selbst zu finanzieren.
"Unserer Meinung nach sollte jede Religionsgemeinschaft selber für den Neubau einer Kirche verantwortlich sein. Die Mittel, die erheblichen Millionenbeträge, die man bekommt, können auch angesammelt werden für den Neubau. Unabhängig von den Milliardenleistungen, die der Staat sowieso schon für die Religionsgemeinschaften bundesweit schon leistet."
Seibicke: "Wir haben keine Angst vor der Diskussion"
Ralf Seibicke - der frühere Chef des Landesrechnungshofs - kritisiert damit generell die Staatsleistungen. Der frühere Finanzbeamte des Landes Sachsen-Anhalt wiederholt: Es könne schlicht nicht sein, dass das Land – nach einem Beschluss des Landtags im Dezember vergangenen Jahr - mit einer Förderung von 2,8 Millionen Euro für einen Synagogen-Neubau einspringe. Das könne man durchaus als Verschwendung von Steuergeldern bezeichnen, so Seibicke weiter. Kritiker werfen dem an der Ostberliner Humboldt-Universität ausgebildeten Finanzökonomen und späteren Mitarbeiter beim Rat des Bezirkes Magdeburg nun Geschichtsvergessenheit vor.
Seibicke dazu: "Ach, dieser Vorwurf geschichtsvergessen, darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Wir würden uns raushalten, wenn das Religionsgemeinschaften selber aus ihren Mitteln planen, bauen und betreiben würde. Aber so lange öffentliche Mittel im Gespräch sind, muss man diese Frage aufwerfen dürfen. Und wir haben auch keine Angst vor der Diskussion."
Laiter: "Es waren mal die Steuerzahler, die die Synagoge zerstört haben"
Wadim Laiter, der Vorstandsvorsitzende der Synagogengemeinde zu Magdeburg, ist vom Tonfall irritiert. Aussagen wie "man müsse das doch mal sagen dürfen" oder "man muss diese Frage aufwerfen dürfen" unterstellten, man dürfe Juden nicht kritisieren.
„Für uns ist das ein Beweis für die Beziehungen zwischen jüdischer und nicht-jüdischer Welt", sagt er. Man sei ein offenes Haus, jeder sei willkommen, jeder könne mit jedem reden. Und man sei auch offen für Kritik. Viel mehr irritiere ihn aber, sagt Gemeindevorsteher Laiter, warum der Bund der Steuerzahler erst jetzt mit seiner Kritik komme, wo alles beschlossen sei. Und warum man mit einer so hohen Zahl hantiere: Die jüdische Gemeinschaft im Land bekäme insgesamt nur 1,3 Millionen Euro jährliche Zuschüsse, nicht 1,5 Millionen Euro, wie der Bund der Steuerzahler behaupte.
Laiter dazu: "Aber das ist für fünf jüdische Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt." Jede Gemeinde werde gemäß ihrer Mitgliedergröße bezahlt: "Die Synagogengemeinde Magdeburg bekommt aus dem Topf ca. 300.000 Euro." Wenn man jetzt das ganze Geld für den Synagogen-Neubau in Magdeburg einsetzen solle, dann wäre es vorbei mit dem neu erwachten jüdischen Leben. Wenn man das wolle, dann sei es eben so. Wadim Laiter hält dem Steuerzahlerbund entgegen:
"Es waren mal die Steuerzahler, die die Synagoge zerstört haben. Damals. Und diejenigen, die die Synagoge zerstört haben, müssen dabei helfen, die Synagoge zu bauen. Wenn es gewollt ist, aber nur dann."
Eine der ältesten Synagogengemeinden Deutschlands
Der Vorsteher der Magdeburger Synagogengemeinde Wadim Laiter rechnet vor, dass sich ein Förderverein mit 400.000 Euro am Aufbau der Synagoge beteilige. Die jüdische Gemeinde habe 200.000 Euro eingesammelt, um den Neubau mitzufinanzieren. Das mache man, obwohl man überhaupt keinen Anteil an der Zerstörung der Synagoge habe.
"Die Synagoge ist eine Probe für unsere komplette Beziehung", wiederholt Laiter.
Zur Erinnerung: Ende 1920er Jahre lebten etwa 2.300 Juden in Magdeburg, bis die Nazis an die Macht kamen. Nur 119 Juden haben das Vernichtungsregime überlebt. 1989 gab es in Magdeburg nur noch 13 Juden. Heute leben wieder etwa 600 Juden in Magdeburg. Viele von ihnen sind Mitglied der Synagogengemeinde, die als eine der ältesten in ganz Deutschland gilt. Bereits der Kaiser Otto der Große hat um 965, also vor mehr als 1.000 Jahren, die Juden nach Magdeburg geholt.
"Die Synagoge an sich ist ja nicht nur ein religiöser Ort. Das ist auch ein zentraler Ort wo die Kultur stattfindet, also einfach auch Begegnungen untereinander. Wo die Kultur gelebt, gepflegt und gelehrt wird. Im Grunde ist es der zentrale Ort, der unabdingbar ist", sagt Pavel Pisetzki, er ist 1994 zusammen mit seinen Eltern aus Riga nach Magdeburg gekommen.
Sachsen-Anhalt hinkt bei Synagogen-Neubauten hinterher
Die Zustände in den Räumen der Jüdischen Gemeinde in Magdeburg sind beengt und provisorisch. Untergebracht ist die knapp 450 Mitglieder große Gemeinde in einer verfallen wirkenden Industriellen-Villa. In der früheren Diele hat man den Bet-Raum eingerichtet, wo auch die schmuckvolle Tora-Rolle untergebracht ist. Am Schabbat ist es so überfüllt, dass die Leute auf dem Boden oder im Treppenhaus sitzen. Im unsanierten Keller direkt neben dem Heizungsraum ist der Gemeinschaftssaal. Hier trifft sich die jüdische Gemeinde, um die hohen Festtage zu feiern. "Es ist ja kaum möglich, nichts was dazu einlädt", sagt Pisetzky.
Sachsen-Anhalt ist bis heute das einzige Bundesland, in dem es seit der Shoa keinen Synagogen-Neubau gab. Während woanders – wie erst kürzlich in Unna in Nordrhein-Westfalen - neue Synagogen entstehen, tut man sich in Sachsen-Anhalt damit äußerst schwer. In NRW geht man noch ein Schritt weiter und hat im vergangenen Jahr ein Förderprogramm für Modernisierungen und Neubauten jüdischer Einrichtungen bereitgestellt. Bis 2028 sollen nach Angaben des Landes dazu 44 Millionen Euro fließen.
Dass jetzt der Steuerzahlerbund in Sachsen-Anhalt gegen den Synagogen-Bau in Magdeburg Stimmung macht, stößt auf Empörung über Parteigrenzen hinweg.
"Ich habe das mit großem Unverständnis aufgenommen, weil es von einer Instinktlosigkeit des Bundes der Steuerzahler rührt", sagt Katja Pähle, Fraktionschefin der SPD im Magdeburger Landtag.
Wulf Gallert von den Linken rät dem Bund der Steuerzahler einen Blick in die Geschichtsbücher. Das sei sehr hilfreich, wie er sagt. Ähnlich sieht es Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser, der Beauftragte der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung in Sachsen-Anhalt.
"Also, ich war wirklich ein wenig verstört, als ich das gehört habe. Weil es nun mal die historische Verantwortung durch die Shoah gibt. Man kann geschehenes Unrecht nie wieder gut machen, aber man kann ein Zeichen setzen. Dieses Zeichen will das Land Sachsen-Anhalt setzen und ich kann da nichts Verwerfliches dran finden."
Bund der Steuerzahler weist Vorwürfe von sich
An Ralf Seibicke, Vorstandsmitglied beim Bund der Steuerzahler, prallen die Vorwürfe ab. Es müsse gestattet sein, den Einsatz öffentlicher Mittel auch bei einem Synagogen-Neubau zu hinterfragen, so Seibicke weiter. Und nennt es eine Grundsatzfrage:
"Soll der Staat neben Staatskirchenleistungen, die in Sachsen-Anhalt aufgrund von Staatsverträgen an die Religionsgemeinschaften fließen, soll der Staat darüber hinaus, trotz dieser erheblichen Mittel, die jeder in die Hand bekommt und daraus Mittel ansammeln könnte, soll der Staat darüber hinaus den Neubau von Sakralbauten unterstützen? Diese Grundsatzfrage haben wir aufgeworfen. Und ich muss nach wie vor sagen, diese Grundsatzfrage werfen wir weiterhin auf. Und die halten wir auch für gerechtfertigt. Und offensichtlich traut sich sonst keiner, diese Grundsatzfrage aufzuwerfen."
Beim Bundesverband in Berlin will man sich zur Angelegenheit nicht öffentlich äußern. Es sei eine Sache des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, heißt es da.
Hildegard Filz, Sprecherin beim Bundesverband des Bundes der Steuerzahler in Berlin unterstreicht aber, dass es lediglich um die Kritik an einem, wie es heißt, Sakralbau, gehe. Und man wolle sich durch die Öffentlichkeit nicht in eine "falsche religiöse Ecke" stellen lassen. Man sei keinesfalls judenfeindlich.
Die frühere Magdeburger Superintendentin Waltraut Zachhuber, die Vorsitzende des Fördervereins "Neue Synagoge Magdeburg" versteht nicht, dass der Bund der Steuerzahler nicht versteht, dass die Deutschen für die jüdische Gemeinde eine besondere Verantwortung haben, wie sie gegenüber dem Deutschlandfunk sagt. In einem uns vorliegenden Leserbrief an die "Magdeburger Volksstimme" wirft sie dem Steuerzahlerbund vor, antisemitische Vorurteile zu nähren und die "ohnehin durch Judenhass und Rassismus geprägte gesellschaftliche Atmosphäre" weiter zu vergiften.