
Es sei die „patriotische Pflicht“ der nach Deutschland geflüchteten Syrer, zum Wiederaufbau wieder in ihre Heimat zurückkehren, findet Unionsfraktionsvize Jens Spahn. Eine Pflicht – vollziehbar und rechtlich bindend – zur Ausreise besteht laut Bundesinnenministerium aktuell aber nur für 920 Syrerinnen und Syrer. Sie verfügen über keinen gültigen Aufenthaltsstatus und keinen Duldungsstatus in Deutschland.
Dennoch stehen die knapp eine Million Syrer hierzulande im Zentrum einer neuen Abschiebe-Debatte, die vor allem von Unionspolitikern befeuert wird.
Warum Außenminister Wadephul in der Kritik steht
Ausgelöst worden war die aktuelle Debatte durch Aussagen von Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU). Bei einem Besuch in Syrien hatte er in einem stark zerstörten Vorort der Hauptstadt Damaskus Zweifel daran geäußert, ob dort derzeit ein menschenwürdiges Leben möglich ist.
Eine Rückkehr syrischer Geflüchteter aus Deutschland ist laut Wadephul "zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich", da in Syrien "sehr viel an Infrastruktur" zerstört sei.
Teile der Union, darunter Fraktionschef Spahn und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), kritisierten Wadephul für diese Äußerung. Tatsächlich passen Wadephuls Sätze kaum zur generellen Linie der Union, möglichst viele Geflüchtete möglichst schnell „rückzuführen“, sprich: in ihre Heimatländer abzuschieben.
Kanzler Friedrich Merz (CDU) betonte, dass Abschiebungen nach Syrien möglich seien. Viele Syrer wollten auch von sich aus zurückkehren. Obwohl Unionsvertreter versuchten, den Konflikt kleinzureden, debattieren CDU und CSU tagelang über Wadephuls Aussagen.
Erneute Kritik zog der Außenminister auf sich, nachdem er die Zerstörungen in Syrien bei einer Sitzung der Unionsfraktion als mindestens so schlimm wie 1945 in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet haben soll.
Wie die Sicherheitslage in Syrien ist
„Die Sicherheitslage in Syrien und der Region bleibt volatil“, heißt es in den Reisehinweisen zu dem Land auf der Internetseite des deutschen Außenministeriums. Es komme weiter zu bewaffneten Auseinandersetzungen in verschiedenen Teilen des Landes.
„Die Terrororganisation IS ist ebenfalls weiterhin im/aus dem Untergrund aktiv und nach wie vor in der Lage, überall im Land Anschläge zu verüben“, so das Außenamt. Vor Reisen nach Syrien wird ausdrücklich gewarnt.
Nach langen Jahren des Bürgerkriegs hatte eine Rebellenkoalition unter Führung der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) im Dezember 2024 das Regime von Diktator Baschar al-Assad in Syrien gestürzt. Ende Januar wurde HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa zum Interimspräsidenten ernannt.
Bereits kurz nach Assads Sturz hatten Teile der Union die schnelle Rückkehr von Syrern in ihr Land gefordert. Die AfD beantragte dies bereits zu Assads Amtszeit.
Die Fakten zu Syrern in Deutschland
In Deutschland leben aktuell rund 950.000 Menschen aus Syrien. 713.000 Syrerinnen und Syrer waren 2024 als Flüchtlinge anerkannt, die meisten hatten einen befristeten Schutzstatus. Im Durchschnitt lebten syrische Flüchtlinge zu diesem Zeitpunkt schon seit sechs Jahren in Deutschland. Mehr als 200.000 haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Rückführungen insbesondere von Straftätern will die Bundesregierung vorantreiben.
Freiwillig waren bis August 1.300 Menschen mit Hilfen aus dem staatlichen Programm nach Syrien ausgereist. Die Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beziehen sich aber nur auf die geförderten Ausreisen. Die Zahl der tatsächlichen Rückkehrer kann höher sein.
Auf dem deutschen Arbeitsmarkt spielen Syrer eine wichtige Rolle. Laut einer Ende 2024 veröffentlichten Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren zum damaligen Zeitpunkt rund 287.000 Syrerinnen und Syrer in Arbeit, 62 Prozent davon in systemrelevanten Berufen und viele demnach in Jobs, für die dringend Arbeitskräfte gesucht werden.
Was Syrer in Deutschland zu der Debatte sagen
Von „Verunsicherung“ und „Frust“ bei nach Deutschland geflüchteten Syrern spricht Nahla Osman vom Verband deutsch-syrischer Hilfsvereine. Sie kritisiert eine „Instrumentalisierung“ und „Stimmungsmache“ durch Politiker: „Die Syrer erleben sich als Spielball.“
Und auch vom Koalitionspartner kommt Kritik an der von der Union losgetretenen Debatte. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Sebastian Fiedler betont, viele Syrer seien bereits integriert und teils eingebürgert. Wer ausreisepflichtig oder sogar Straftäter sei, für den gelte dasselbe wie für Menschen aus anderen Ländern.
tei, mit epd, Reuters und AFP



























