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Syrien
Konflikt bedroht die regionale Ordnung

Die Lage in Syrien ist weiterhin verworren, verschiedene Gruppierung kämpfen gegen Präsident Assad und auch gegeneinander. Für Extremisten wie die Terrormiliz IS ist das ein idealer Nährboden. Schon längst destabilisiert sie die gesamte Region. Doch die regionalen und internationalen Kräfte verharren in einer Zwickmühle.

Von Jürgen Stryjak | 14.03.2015
    Zerstörte Gebäude in der Nähe von Aleppo, Syrien
    Zerstörte Gebäude in der Nähe von Aleppo, Syrien (dpa / picture alliance / Sana Handout)
    Das Bittgebet, das Dschihadisten hier sprechen, soll der Granate, die sie gleich zünden, Glück bringen. Sekunden später trifft sie ein Gebäude, in dem der Geheimdienst des Assad-Regimes angeblich einen Stützpunkt unterhält.
    Gott ist groß, rufen die Dschihadisten, vermutlich Extremisten von der Nusra-Front. Der Kriegsschauplatz Syrien ist unübersichtlich. Immer seltener gelingt es, Informationen zu verifizieren. Das Assad-Regime bekämpft die Freie Syrische Armee, die eher säkular orientiert ist, sowie islamistische Kampfbündnisse, die nicht unbedingt einen Gottesstaat wollen. Mit geringerer Intensität bekämpft es aber auch die Extremisten von der Nusra-Front und vom sogenannten Islamischen Staat. Die Feinde Assads sind allerdings zerstritten und wollen sich oft genug auch gegenseitig an den Kragen. Klar ist in diesem Chaos nur eines: Die Kämpfe sind zäh und brutal.
    Halb Syrien liegt in Trümmern. Jeder zweite Syrer ist auf der Flucht. 2014 sollen 76.000 Menschen ums Leben gekommen sein, mehr als in jedem anderen Jahr seit 2011.
    Aus Volksaufstand wurde Religionskrieg
    Was damals als Volksaufstand gegen Assads Unterdrückungsstaat begann, mündete in einen mittelalterlich anmutenden Religionskrieg. Der syrische Staatschef hat dies offenbar so gewollt, denn je grausamer und besessener der Feind ist, desto besser kann Assad sich als Alternative präsentieren.
    Dabei ist sein Regime kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems und auch die Hauptursache des Krieges. Eines Krieges, der zum Zerfall der regionalen Ordnung führen könnte. Das Armageddon, das Assad ausgelöst hat, bietet einen idealen Nährboden für dschihadistische Bewegungen wie die des Islamischen Staates.
    Die IS-Extremisten wollen nicht nur die aktuellen Grenzen beseitigen. Sie wollen ihr dschihadistisches Staatsbildungsprojekt auch exportieren – nach Libyen etwa oder in den Norden der Sinai-Halbinsel. Mit ihrer Brutalität seien die Dschihadisten nur ein Spiegelbild des Assad-Regimes, erklärt der syrische Oppositionelle Najeeb Ghadbian:
    "Assads Verbrechen richten sich gegen die Welt, gegen die Menschheit. Dass er bislang dafür nicht büßen musste, hat Extremisten wie die vom IS nur dazu ermuntert, ähnliche Verbrechen zu begehen."
    Inzwischen beherrscht der IS jeweils ein Drittel von Syrien und vom Irak. Er stellt eine Bedrohung für Regierungen in der gesamten Region dar, sagt der ägyptische Journalist Atef Abdel-Ghany:
    "Die arabischen Staaten haben keine Wahl. Sie müssen den teuflischen Plan der Extremisten gemeinsam bekämpfen. Sonst wird jedes Land einzeln dem Chaos zum Opfer fallen, das sich in der Region gerade ausbreitet."
    Arabische Staaten greifen nicht ein
    Doch wer sollte die Araber zusammenbringen? Ägypten hat ein eigenes Terrorproblem. Im Irak baut die schiitische Regierung unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die Terroristen vor allem ihren Einfluss aus. Das kleine Jordanien muss ins Land geschleuste Dschihadisten fürchten. Der Libanon kann froh sein, wenn sein fragiles Proporzsystem nicht auseinanderbricht. Syrien und Libyen fallen ganz aus.
    Am ehesten käme wohl noch Saudi-Arabien infrage, ein Erzfeind der IS-Extremisten. Aber erstens ähnelt die wahhabitische Ideologie des Königshauses jener vom IS. Zweitens löst es in Riad vor allem Nervosität aus, dass gleich in zwei Nachbarstaaten, im Irak und im Jemen, Schiiten auf dem Vormarsch sind, die vom Iran unterstützt werden. Für das sunnitische Saudi-Arabien hat der Konflikt in der Region vor allem eine konfessionelle Grenze – nämlich die zwischen Schiiten und Sunniten.
    Und die internationale Gemeinschaft? Sie bleibt in der Deckung. Der Westen ist ratlos, er will alles unterlassen, was dem Assad-Regime nutzt. Er will den IS nur aus der Luft bekämpfen und allerhöchstens Ausrüstung und Militärberater schicken. Von Russland und China erhält Assad dagegen Rückendeckung. Der wiederum hat durchaus ein Interesse daran, dass der IS die Welt noch eine Weile in Atem hält.
    Solange die regionalen und internationalen Kräfte in dieser Zwickmühle verharren, statt über ihren Schatten zu springen, um gemeinsam zu handeln, so lange werden die Menschen in Syrien sowohl unter Assad wie auch unter den Dschihadisten leiden.