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Syrien-Konflikt
Europa hat "kein Interesse mehr daran, dass Assad verdrängt wird"

Im Syrien-Konflikt sei es im europäischen Interesse, dass der Westen des Landes stabil bleibe, sagte der Nahost-Experte Guido Steinberg im DLF. Dort leben noch zehn Millionen Menschen. Steinberg sagte: "Wenn diejenigen sich auch noch auf den Weg Richtung Europa machen, droht uns hier eine Katastrophe, die weit über das hinausgeht, was wir im letzten Jahr hatten."

Guido Steinberg im Gespräch mit Doris Simon |
    Guido Steinberg, Terrorismusexperte, Autor, aufgenommen am 05.03.2015 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    Der Islamwissenschaftler und Terrorismusexperte, Guido Steinberg (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagte, der Belagerungszustand von Aleppo sei "auch für syrische Verhältnisse eine ganz besonders große Katastrophe", weil es sich dort um 250.000 Zivilisten oder mehr handle, die eingeschlossen seien.
    Es sei richtig von den Vereinten Nationen und den USA, mit Russland zu sprechen. Es wäre ein Erfolg, die Russen davon zu überzeugen, die Menschen in Aleppo zu versorgen oder ihre Flucht zuzulassen. Wenn Russland und die USA sich einig wären, könnten sie zudem Druck auf das Assad-Regime ausüben, so Steinberg.
    Die Russen hätten bei den Waffenstillstandsverhandlungen eine "gewisse Flexibilität gezeigt", was auf ein "nicht ganz sauberes Spiel der Russen" hindeute. Einerseits stelle man sich als diplomatischer Akteur dar, andererseits sei Russland aber auf der Seite des Regimes, das die Schwäche der Aufständischen brutal ausnutzt.
    Europa und USA von Aggressivität der Russen überrascht
    Mit der russischen Intervention habe sich das Blatt gedreht, Amerikaner und Europäer seien überrascht davon gewesen, mit welcher Aggressivität die Russen in Syrien vorgehen. Russland sei der wichtigste ausländische Akteur geworden.
    Europäer und Amerikaner hätten kein Konzept, sagte Steinberg. Sie wollen den IS bekämpfen und darum kümmerten sie sich auch. Aber sie beteuern auch, den syrischen Machthaber Assad loswerden zu wollen. Das stimme aber eigentlich nicht mehr, denn Amerikaner und Europäer wüssten, dass mit Assads Abgang Syriens Westen auch von Instabilität bedroht würde, wo noch zehn Millionen Menschen wohnen. "Wenn diejenigen sich auch noch auf den Weg Richtung Europa machen, droht uns hier eine Katastrophe, die weit über das hinausgeht, was wir im letzten Jahr hatten", sagte Steinberg.
    Die USA und Europa bemühten sich um diplomatische Lösungen, Russland hingegen sei ein Akteur mit klaren Zielen, denen man im Zweifel die Leben von Hunderttausenden Syrern unterordne. Das mache einen großen Unterschied aus.
    Interesse der Europäer: Syriens Westen muss stabil bleiben
    Diese Situation, so Guido Steinberg, werde sich erst ändern, wenn sich die Amerikaner zu einer aktiveren Politik entscheiden. Die Bemühungen der Europäer seien zahnlos, sie hätten keinen Einfluss auf den Konflikt in Syrien. "Das sollte nachdenklich machen, weil es auch in unserem Interesse liegt, dass nicht noch zwei oder drei Millionen Syrer nach Europa kommen."
    Die Europäer müssen ihre Interessen äußern, so Steinberg. Man müsse einsehen, dass man kein Interesse mehr daran habe, dass Assad verdrängt wird. Es gehe nun vor allem darum, dass der Westen Syriens, den die Truppen des Regimes noch kontrollieren, weiterhin stabil bleibt, - "denn nur so kann verhindert werden, dass noch mehr Flüchtlinge kommen."
    Das vollständige Gespräch können Sie als Audio-on-Demand hören.