Donnerstag, 25. April 2024

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Syrien
Türkei: Autopsien belegen Chemiewaffenangriff

Nach dem mutmaßlichen Giftgas-Angriff in Syrien hat US-Präsident Trump den Ton gegenüber der Assad-Regierung verschärft - und mit Konsequenzen gedroht. Frankreich warnte vor militärischen Schritten. Fest steht inzwischen: In der Region Idlib gab es einen Angriff mit Giftgas. Auf wessen Konto dieser geht, ist nachwievor unklar.

06.04.2017
    Ein Mann sammelt Proben am Ort des mutmaßlichen Gfitgas-Angriffes in der von Rebellen kontrollierten Kleinstadt Chan Scheichun in syrischen Provinz Idlib
    Ein Opfer des mutmaßlichen Giftgasangriffs in Idlib wird von türkischen Experten in der Türkei versorgt. (AFP)
    Eine Autopsie von drei Opfern des Luftangriffs hat nach Angaben der türkischen Behörden bestätigt, dass Chemiewaffen zum Einsatz kamen. Dies habe die Autopsie dreier Opfer ergeben. Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff waren rund 30 Verletzte in die Türkei gebracht worden, drei von ihnen starben.
    US-Präsident Trump hatte zuvor gesagt, dass mit dem Einsatz von Giftgas in Syrien rote Linien überschritten worden seien. Indirekt drohte er mit einem Alleingang der USA: Die syrische Regierung werde "auf jeden Fall" ein Zeichen erhalten. Trump äußerte sich allerdings nicht dazu, wie eine Antwort der USA aussehen könnte. Er deutete militärische Schritte lediglich an. Die Äußerungen des US-Präsidenten waren seine bisher deutlichsten an die Adresse des syrischen Präsidenten Assad.
    Die UNO-Botschafterin Nikki Haley zeigt im UN-Sicherheitsrat Fotos der Opfer des Giftgasangriffs in Syrien. 5.4.2017. New York, USA.
    US-Botschafterin Haley zeigt im Sicherheitsrat Fotos syrischer Gifgas-Opfer (AFP Photo / Timothy A. Clary)
    Auch die UNO-Botschafterin der USA, Haley, deutete in New York einen möglichen Alleingang der Vereinigten Staaten als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgasangriff an. Wenn die Vereinten Nationen durchgehend bei ihrer Aufgabe scheiterten, gemeinsam zu handeln, gebe es Zeiten, in "denen wir zu eigenen Maßnahmen gezwungen sind".
    Frankreich machte klar, dass es eine diplomatische Lösung für den Syrien-Konflikt einem militärischen Eingreifen vorzuziehe. Die Regierung in Paris suche weiterhin das Gespräch mit den anderen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat, vor allem Russland, sagte Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault dem Sender CNews. Auf die Frage, ob sich Frankreich an einem Militäreinsatz beteiligen würde, sagte er, eine diplomatische Lösung habe Priorität. Ein Wutanfall des US-Präsidenten Donald Trump solle nicht als Vorwand dafür dienen, auf den Kriegspfad zu gehen.
    UNO-Sitzung ohne Ergebnis und Abstimmung
    Zuvor war eine gemeinsame UNO-Resolution gegen Syrien gescheitert. Russland verhinderte eine Abstimmung über einen Entwurf der USA, Großbritanniens und Frankreichs, weil Syrien darin für den Giftgaseinsatz verantwortlich gemacht wird. Nach russischer Darstellung sind die Todesfälle in der Ortschaft Chan Scheichun in der Provinz Idlib auf einen syrischen Luftangriff auf ein Chemiewaffenlager der Rebellen zurückzuführen.
    Luxemburgs Außenminister Asselborn forderte ein gemeinsames Vorgehen der USA und Russlands im Syrien-Konflikt. Es wäre sehr nützlich, wenn die beiden Länder einen Konsens finden könnten, sagte Asselborn im Deutschlandfunk. Ansonsten werde die Waffe des Vetos im Sicherheitsrat immer wieder greifen. Das wichtigste sei, einzusehen, dass es in Syrien keine Zukunft mit Machthaber Assad geben könne, betonte Asselborn.
    Die Zahl der Todesopfer ist nach Angaben von Aktivisten auf 86 gestiegen. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte weiter mit, die Zahl könne sich weiter erhöhen, weil es noch Vermisste gebe. Die Informationen sind von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen.
    Die Symptome der Bomben-Opfer lassen nach Ansicht des Chemiewaffen-Experten Ralf Trapp von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) auf eine Vergiftung mit einem Nervengas schließen. Um die Geschehnisse von Chan Scheihun aufzuklären, seien aber weitere Untersuchungen nötig. Die Frage sei, inwieweit Russland und Syrien an unabhängigen Ermittlungen mitwirken wollten und zum Beispiel Zutritt zu Standorten und Opfern gewähren, sagte Trapp im Deutschlandfunk.
    Über 9 Milliarden Euro Hilfszusagen
    Überschattet vom mutmaßlichen Giftgas-Angriff hat in Brüssel eine weitere große Geberkonferenz für die notleidenden Menschen in und um Syrien stattgefunden. Die Europäische Union und eine Reihe weiterer Staaten haben für dieses Jahr 5,6 Milliarden Euro an humanitärer Hilfe für Syrien zugesagt. Für die Zeit von 2018 bis 2020 stehen nach EU-Angaben weitere 3,5 Milliarden Euro bereit. Internationale Finanzinstitutionen und Spender wollten zudem insgesamt rund 28 Milliarden Euro an Darlehen zur Verfügung stellen. An dem Gebertreffen nahmen Vertreter von mehr als 70 Staaten und Organisationen teil.
    Deutschland machte die mit Abstand höchsten Hilfszusagen. Bundesaußenminister Gabriel versprach für das laufende Jahr knapp 1,3 Milliarden Euro. Für den Zeitraum danach sind 3,5 Milliarden Euro geplant. Von den zusätzlichen Geldern aus Deutschland sollen 800 Millionen in die Verbesserung von Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für syrische Flüchtlinge im Land und in der Region fließen. "Schulbesuche, Ausbildung, Jobs - damit kann Deutschland die Nachbarländer Syriens aktiv unterstützen", erklärte Bundesentwicklungsminister Müller.