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Syrienflüchtlinge
Bulgarien ist völlig überfordert

Durch die Landesgrenze mit der Türkei ist Bulgarien neben Griechenland der einzige EU-Staat, der für Syrienflüchtlinge auf dem Landweg zu erreichen ist. 11.000 haben es inzwischen geschafft. Doch die Lebensbedingungen sind äußerst schwierig.

04.12.2013
    Harmanli: Eine Stadt mit 18.000 Einwohnern, 35 Kilometer weiter ist schon Türkei. Hos geldiniz – ein türkischer Willkommensgruß an der Tankstelle. Auf die Flüchtlinge sind die Leute hier nicht gut zu sprechen.
    "Wir haben nicht den besten Eindruck von ihnen, sagt diese Frau. Sie bekommen gute Bedingungen, aber sie zerstören alles. Sie sind schlimmer als unsere Zigeuner hier im Getto. Es sind zu viele. Und es dürfen nur Syrer, kommen: Keine Afghanen und andere, die uns die Türkei schickt, damit wir ihre Probleme lösen."
    Wir haben unsere eigenen Sorgen, ergänzt ihre Bekannte auf dem Platz vor dem Rathaus.
    "Allen geht es schlecht: Uns und ihnen. Es ist für alle besser, wenn sie nicht hier sind."
    Im ersten Stock des Rathauses hat der Bürgermeister sein Büro: Ein untersetzter Mann mit Designerbrille. Michail Liskow ist auch nicht glücklich über die Flüchtlinge in seiner kleinen Stadt.
    "Ich war auch gegen ein Flüchtlingszentrum hier angesichts der Zustände dort. Aber nun ist es da und ich habe darauf bestanden, dass sich die Flüchtlinge nicht frei in der Stadt bewegen dürfen. Wenn wir jetzt auch einen Laden dort eröffnen, werden die Flüchtlinge noch eher dort bleiben, und nicht raus wollen. Das heißt: Unsere Bürger haben keinen Grund zur Sorge. Da sie kaum Berührungspunkte mit den Flüchtlingen haben."
    Es habe zwei Hepatitis-Fälle gegeben, und erst kürzlich habe eine Frau ein Kind im Lager geboren. Er habe darauf bestanden, dass ein Kasernengebäude jetzt für den Winter flott gemacht werde. Von der EU fühlt er sich im Stich gelassen, sagt er.
    "Das Problem ist vor Europas Haustür. Und Europa hilft den Philippinen und vergisst uns anscheinend. Hier ist das Problem nicht kleiner als am anderen Ende der Welt."
    Not der Flüchtlinge wird ausgenutzt
    Vor dem Flüchtlingslager lungern bulgarische Anwälte. Hilfsorganisationen beklagen, dass windige Gestalten aus der Not ein Business machen. Der Syrer Daula ist aus Köln gekommen, um Verwandte abzuholen, sagt er und grinst dabei. Auch er schimpft auf die Anwälte.
    "Die Anwälte, die arbeiten alle untereinander. Das ist alles Schauspielerei. Der Anwalt kommt, nennt Dich Bruder. Nimmt pro Person 100 Euro – sagt: Ich habe alles geklärt. Holt Dich raus. Und dann sind die wieder hier drin. Und das Geld kriegt man nicht zurück. Dann heisst es: Ich hab getan und gemacht."
    Hinter einer Stahltür, die von der Polizei bewacht wird, lungern Hunderte Flüchtlinge herum: Sie sitzen an Feuern, stieren ins Leere. In den Brandgeruch mischen sich Fäkalausdünstungen. Lagerleiter Schelju Schelev beschreibt die Lage so.
    "Das Lager hier ist für 430 Personen ausgerichtet, aktuell leben hier 1300. Jeden Tag kommen 40 bis 50 neue, manchmal sogar über 200 Menschen."
    Shelev öffnet eine Mülltonne. Sie ist fast leer, der Abfall liegt daneben. Auch Brot. Trotzdem: Hier ist der bessere Teil des Lagers: Weiße Wohncontainer, zwei Zimmer. Ein Dach über dem Kopf. Eine junge Afghanin drängt sich vor, sie schimpft lautstark.
    "Das hier sind die Weißen Häuser, sagt sie, aber wenn Sie das wahre Leben sehen wollen, schauen Sie sich die Zelte an, wir leben wie die Tiere."
    Aus dem Klocontainer dringt unbeschreiblicher Gestank, die Toiletten sind verdreckt, Wasser fließt aus einem Leck. Der Lagerleiter hat dafür eine Erklärung.
    "Das ist Sabotage. Sie versuchen alles, um uns zu diskreditieren. Das hier ist zum Beispiel ein Container nach europäischem Standard, und Sie sehen ja, wie der aussieht. Nach nur einer Woche. Sie verstopfen die Abwasserleitung, sie zerstören alles, in der Hoffnung hier heraus zu kommen."