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Tarifeinheitsgesetz
Angriff auf das Streikrecht?

Mit dem geplanten Tarifeinheitsgesetz will die Bundesregierung Konflikte in Betrieben lösen, in denen mehrere Gewerkschaften für eine Tarifgruppe kämpfen. Kleingewerkschaften befürchten, dass sie dadurch an Schlagkraft verlieren und es zudem ein Angriff auf das Streikrecht ist. Ob das Gesetz wirklich einschränkt ist allerdings umstritten.

Von Stefan Maas | 04.05.2015
    Die Bahn tritt in einen fast einwöchigen Streik - hier ein Bild vom Stuttgarter Hauptbahnhof.
    Das Tarifeinheitsgesetz solle nur dann gelten, wenn sich Gewerkschaften nicht einigen könnten - um lange andauernde Streikwellen zu verhindern. (imago stock & people)
    Rudolf Henke ärgert sich.
    "Meines Erachtens darf sich der Deutsche Bundestag ein solches Gesetz, das die Rechte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer massiv verletzt, nicht gefallen lassen."
    Er werde gegen das Gesetz zur Tarifeinheit stimmen, wenn sich der Bundestag voraussichtlich Mitte Mai abschließend mit dem Gesetzentwurf aus dem Hause von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, beschäftigt.
    "Die Koalition schickt sich offensichtlich an, den Koalitionsvertrag zu brechen, denn im Koalitionsvertrag steht, dass man die Tarifpluralität in geordnete Bahnen lenken wolle. Von geordneten Bahnen kann keine Rede sein, sondern das, was wir erleben, ist die Beseitigung von Tarifpluralität."
    Es ist aber weniger der Koalitionsvertrag, um den sich der CDU-Abgeordnete sorgt. Es ist die eigene Zukunft. Vielmehr die des Marburger Bundes, dessen Vorsitzender Henke ist. Denn der Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte ist eine jener Spartengewerkschaften, die fürchten, das Tarifeinheitsgesetz könnte ihre Schlagkraft einschränken - und damit ihre Existenz gefährden.
    Pech für die Kleingewerkschaften
    Denn im Moment ist es möglich, dass innerhalb eines Betriebs für die gleiche Beschäftigtengruppe verschiedene Tarifverträge gelten - ausgehandelt von konkurrierenden Gewerkschaften. Wie GDL und EVG bei der Bahn. Zukünftig sollen sich bei Tarifverhandlungen die Gewerkschaften untereinander absprechen und eine Regelung finden. Zum Beispiel den Abschluss separater, aber inhaltsgleicher Tarifverträge. Gelingt eine solche Einigung nicht, soll nach dem neuen Gesetz der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gelten, die im Betrieb die meisten Arbeitnehmer vertritt. Pech für die Kleingewerkschaften.
    "Das Gesetz ist nicht praktikabel und es ist auch nicht notwendig, denn wir haben kein Tarifchaos. Und es droht auch kein Tarifchaos", ist Gerhart Baum überzeugt.
    Der ehemalige FDP-Politiker und Bundesinnenminister, der in diesem Fall die Pilotenvereinigung Cockpit vertritt, verweist auf die vielen Fälle, in denen große und kleine Gewerkschaften sehr gut zusammenarbeiten. Er sieht in dem Gesetzesvorhaben einen Angriff auf das Streikrecht. Denn wenn die kleinen Gewerkschaften ohnehin keine Chance haben, einen eigenen Tarifvertrag durchzusetzen, dann wird auch ein Streik sinnlos – und könnte damit als rechtswidrig eingestuft werden.
    "Die Arbeitsgerichte werden nicht anders entscheiden können, als den Minderheitengewerkschaften das Streikrecht zu nehmen."
    Lange andauernde Streikwellen verhindern
    Ob das Tarifeinheitsgesetz wirklich das Streikrecht einschränkt ist umstritten, auch bei der Expertenanhörung am Nachmittag im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. Hans Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, gehört zu denen, die das Gesetz für verfassungsrechtlich unbedenklich halten.
    "Ein explizit ausgesprochenes, direktes Streikverbot enthält das Gesetz nicht. Es ist auch nicht das Ziel des Gesetzes, das Streikrecht einzuschränken oder zu regeln."
    Es solle nur dann gelten, wenn sich Gewerkschaften nicht einigen könnten - um lange andauernde Streikwellen zu verhindern. Das Streikrecht sei ein verbrieftes Recht in Deutschland, erklärte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel am Nachmittag in Berlin. Die Auswirkungen des Bahnstreiks seien aber gravierend, daher solle es schnell zu einer Lösung kommen. Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach sich für eine Schlichterlösung aus. Die fordern für die Zukunft auch Teile der Union. Der Wirtschaftsflügel will sogar obligatorische Schlichtungsverfahren.
    "Auch dafür habe ich Verständnis", erklärt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.