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Tarifkonflikt
Konkurrenzkampf der Bahn-Gewerkschaften geht weiter

Sechs Mal wurde bereits gestreikt: Der Tarifkonflikt bei der Bahn hat die Fahrgäste auf eine Geduldsprobe gestellt. Heute wollen sich Verantwortliche der Bahn und der beiden Gewerkschaften zu einem Spitzengespräch treffen. Eine Lösung scheint nicht in Sicht: Weder die GDL noch die EVG will von ihrer Position abrücken.

Von Michael Braun | 18.11.2014
    Alexander Kirchner (l.) EVG-Chef und Claus Weselsky (r.), Chef der GdL
    Alexander Kirchner (l.) EVG-Chef und Claus Weselsky (r.), Chef der GdL streiten um die Verhandlungshoheit (dpa / picture-alliance / Maurizio Gambarini und Peter Ending)
    Sie wollen unter sich sein. Wer nach dem Ort des Treffens fragt, wird mit "Westeuropa" abgespeist. Mikrofone, Kameras, Journalisten, deren schiere Präsenz dazu einlädt zuzuspitzen, das Verhandlungsgegenüber zu provozieren, all das wollen die drei vermeiden.
    Die drei, das sind die Vorsitzenden der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG Alexander Kirchner, der Chef der Lokführergewerkschaft Claus Weselsky und der, der sich mit beiden Gewerkschaften einigen muss, der Personalvorstand Bahn, Ulrich Weber. Vorbereitet wird die Tarifverhandlung, die am Freitag beginnen soll. Die Ausgangslage sieht alles andere als einfach aus.
    EVG will alle Berufsgruppen vertreten
    Da ist Alexander Kirchner, Vorsitzender der rund 240.000 Mitglieder starken EVG. Die kommen aus allen möglichen Berufen bei der Bahn. Und Kirchner will alle vertreten, nur die Lokführer ausgenommen, und zwar mit möglichst einem Tarifvertrag, jedenfalls pro Berufsgruppe. Tarifkonkurrenz, Tarifpluralität, mit all dem will er nichts zu tun haben:
    "Es bleibt dabei, wir haben immer gekämpft für gleichen Lohn für gleiche Arbeit und sind nicht bereit, in irgendeiner Weise in eine Vereinbarung mit einzutreten, die am Ende des Prozesses für gleiche Tätigkeit sogar noch am gleichen Arbeitsplatz unterschiedliche Lohnbestimmungen vorsieht. Das geht gegen die Grundwerte, unser Selbstverständnis von gewerkschaftlicher Arbeit und Tarifpolitik. Dazu sind wir nicht bereit."
    GDL: Es geht um Mitglieder, nicht um Belegschaft
    Ganz anders Claus Weselsky, der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL. Er ist weniger Kollege von Kirchner als Konkurrent. Denn bei der GDL haben sich etwa 30 Prozent der rund 11.400 Zugbegleiter der Bahn organisiert. Und Weselsky will für die nun einen Tarifvertrag aushandeln, auch in Konkurrenz zur EVG:
    "Ich weiß nicht, wie lange wir noch darüber fabulieren wollen, ob Mitglieder oder die Belegschaft hier eine Rolle spielen: Es spielen Mitglieder eine Rolle und nie die Belegschaft."
    Dass er dafür streiken darf, also die Macht der Lokführer für die deutlich weniger streikmächtigen Zugbegleiter einsetzen darf, das haben ihm Frankfurter Arbeitsgerichte in zwei Instanzen bestätigt.
    Bahnvorstand Weber: zwei Verträge, ein Inhalt möglich
    Darüber ist die Bahn alles andere als glücklich. Auch sie will Tarifeinheit, schon um des Betriebsfriedens willen. Und es gebe Vorbilder, wie unterschiedliche Gewerkschaften gleichwohl einheitliche Regeln erreichen können. Bahnvorstand Ulrich Weber:
    "Unsere Zielvorstellung ist und bleibt dann am Ende zu identischen Ergebnissen zu kommen. Und wir wissen aus zahlreichen anderen Bereichen, insbesondere im Nahbereich Öffentlicher Dienst, dass das geht. Bundesbank, AOK und ähnliche Verfahren nach diesem Prinzip. Da sind zwei Gewerkschaften, man führt getrennte Verhandlungen mit einem Arbeitgeber. Und geschrieben oder ungeschrieben, am Ende kommt dort seit Jahrzehnten dasselbe raus. Das steht in zwei Tarifverträgen, ja. Da steht Gewerkschaft A, Gewerkschaft B. Darunter steht derselbe Arbeitgeber, aber inhaltsgleich. "
    Zwei Verträge, ein Inhalt, könnte das ein Ergebnis sein? Das sei das Verhandlungsprinzip des Deutschen Beamtenbundes, erinnerte gestern Abend die EVG. Die GDL ist dem Beamtenbund angeschlossen. Der füttert auch die Streikkasse der GDL. Daran schien die EVG erinnern zu wollen. Es geht um Druck auf die GDL. Notfalls sei auch die EVG fähig, ihre Ziele mit Streiks deutlich zu machen. Die Bahn scheint dazwischen zu stehen. Und ihre Kunden, die auch.