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Tebartz-van Elst richtet "unendlichen Schaden" an

Die Verschwendung von Geldern in Limburg unter Bischof Tebartz-van Elst habe zu einem Vertrauensverlust geführt, der kaum mehr zu heilen sei, befürchtet Prälat Peter Neher, Präsident der deutschen Caritas. Der Skandal wirke sich auch bereits auf das Spendenaufkommen aus.

Peter Neher im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Limburg an der Lahn ist eine Stadt in Hessen. Manche kennen es, wenn sie auf der A3 daran vorbeifahren. Von der Autobahnbrücke aus sieht man hoch auf einem Felsen den rotweiß gestrichenen Limburger Dom, darunter eine schmucke Altstadt mit prächtigen Fachwerkhäusern aus dem Mittelalter. Die Renovierungen der Fachwerkhäuser fanden alle gut. Aber was jetzt auf dem Domberg gebaut und ausgegeben wird, das erbost im Augenblick halb Deutschland.

    Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst steht im Rampenlicht, wie schon lange kein deutscher Bischof mehr. Seit gestern also hält er sich in Rom auf und kämpft dort um sein Ansehen und um seine Zukunft. Caritas – dieses lateinische Wort steht für Nächstenliebe. Sie ist ein zentraler Wert für die Katholische Kirche. Wirklich? Nach den Affären um sexuellen Missbrauch und einer teueren Residenz bezweifeln das immer mehr.

    Prälat Peter Neher ist Präsident der deutschen Caritas, der Wohlfahrtsorganisation der Katholischen Kirche in Deutschland. Guten Morgen, Herr Neher!

    Peter Neher: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Lebt Bischof Tebartz-van Elst die Tugend der Caritas noch vor?

    Neher: Das, was jedenfalls bisher bekannt ist, und wenn man die ganzen Umstände um den Bau des neuen Bischofshauses in Limburg betrachtet, dann kommt man hier schon sehr ins Zweifeln, ob das Ausgaben sind, die angemessen sind für eine derartige Maßnahme.

    Meurer: Denken Sie, er sollte besser zurücktreten als Bischof von Limburg?

    Neher: Es steht mir jetzt nicht zu, ihm da Empfehlungen zu geben. Ich glaube, ein Bischof muss selber entscheiden und dann letztlich auch der Papst, wie weit sein Handeln noch der Glaubwürdigkeit der Kirche dient und wie weit er letztlich dann noch in der Lage ist, sein Amt so auszuführen, dass Menschen ihn als glaubwürdig empfinden und dass sein Wort noch zählt, und da habe ich schon den Eindruck, dass hier ein ganz massiver Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust passiert ist, der eigentlich so kaum mehr zu heilen sein wird.

    Meurer: Das heißt, Frage an Sie als Theologe, Prälat, Gemeindearbeit gemacht: Sie würden in dieser Situation sagen, es geht nicht mehr?

    Neher: Der Eindruck ist da, dass hier eigentlich keine Basis mehr da ist für ein fruchtbares Arbeiten, und das geht ja weit über das Bistum Limburg hinaus, berührt uns in Deutschland in der Caritas. Ich bekomme Briefe von Menschen, die sagen, sie können nichts mehr für die Auslandshilfe spenden, angesichts der Verschwendung in Limburg. Von daher glaube ich, dass dringendes Handeln notwendig ist, und zwar im Interesse der Glaubwürdigkeit unserer Kirche in Deutschland.

    Meurer: Das wirkt sich schon auf Ihr Spendenaufkommen aus, was da in Limburg passiert?

    Neher: Ja, eindeutig! Ich kann das jetzt noch nicht in Zahlen beziffern, aber ich bekomme Briefe, wo Menschen, deren Schrift mich oft sehr berührt, das sind dann handschriftliche Briefe oft, die sagen, angesichts dessen, was hier vorkommt, kann ich Ihnen leider nichts mehr zukommen lassen. Und ich kann dann nur antworten, ich kann das gut verstehen, ich bin selber betroffen, aber ich habe natürlich keinerlei Einfluss auf die Situation im Bistum Limburg und kann nur bitten, die Entscheidung zu revidieren. Aber Menschen denken so, wenn hier so das Geld verbraucht wird, warum soll ich dann noch spenden. Ich kann es nachvollziehen.

    Meurer: Sie sind, ich glaube, seit ungefähr zehn Jahren Präsident der Caritas, Herr Neher. Sind Sie mal dem Limburger Bischof Tebartz-van Elst begegnet?

    Neher: Ja, ich bin ihm mehrfach begegnet. Ich kenne ihn auch persönlich, und im persönlichen Umgang ist er ein sehr angenehmer Mensch und ich habe, soweit ich mit ihm zu tun hatte – er ist ja auch für das Thema Familie in der Bischofskonferenz zuständig -, mit ihm bisher eigentlich immer sehr gute Gespräche geführt, was meinen persönlichen Kontakt mit ihm angeht.

    Meurer: Jetzt mal eine Frage im Sinne der Caritas, die ich anfangs zitiert habe. Ist vielleicht der Bischof ein Mann, dem man helfen muss, der wirklich krank ist?

    Neher: Gut, ich bin ja kein Mediziner, und soweit ich das einschätze, ist er sicherlich jemand, der persönlich, glaube ich, versucht, integer zu sein. Aber die Sorge oder die Frage ist ja, wie weit er tatsächlich im Blick auf die reale Situation die Dinge richtig einschätzt, und mindestens kommt der Verdacht auf, dass an seiner Persönlichkeit etwas möglicherweise problematisch ist, die ihn auch in eine solche Situation geführt hat, denn er scheint ja auch relativ spät erst wahrgenommen zu haben, was denn diese ganzen Vorgänge um den Bau seiner Bischofsresidenz und auch seiner eidesstattlichen Erklärung, die in dem Zusammenhang ja nicht vergessen werden darf, was den Flug nach Indien anging, dass er das offenbar komplett falsch eingeschätzt hat, und das lässt natürlich schon den Zweifel aufkommen, ob hier jemand den nötigen Bezug noch zur Realität hat.

    Meurer: Wie steht eigentlich, Herr Neher, die Caritas finanziell da? Sind Sie auf Rosen gebettet?

    Neher: Die Caritas ist nie auf Rosen gebettet. Es ist natürlich sehr unterschiedlich die Situation. Es gibt ja sehr regulär finanzierte Dienste und es gibt welche, die tatsächlich sehr schauen müssen, wie sie mit ihren Mitteln zurechtkommen. Wenn ich an die ambulanten Pflegestationen denke, dann kämpfen die in manchen Regionen sicherlich ums wirtschaftliche Überleben. Oder wenn ich an die ganzen frei finanzierten Dienste denke, die Obdachlosenhilfe, Beratungsdienste, die Situation ist sehr unterschiedlich.

    Insgesamt ist es so, dass in der sozialen Arbeit nirgendwo genug Geld da ist, und es gibt ja auch immer eine gewisse Spannung, denn in einer wirtschaftlich schwierigen Situation ist automatisch mehr Bedarf nach sozialer Unterstützung da, und gleichzeitig sind dann die Finanzierungen schwieriger. Ich denke, die soziale Arbeit muss immer sehr stark kämpfen darum, dass sie für die Menschen, für die sie eine Aufgabe hat, auch die nötige Unterstützung findet, sowohl von der Politik als auch von den Kassen als auch von den Spenden.

    Meurer: Umso mehr denken jetzt, Sie haben, die Caritas, Ihre Verbände, Organisationen, eine halbe Million ehrenamtliche Mitarbeiter, die für Gotteslohn arbeiten. Denken die jetzt, wir arbeiten umsonst und die Bischöfe leben in Saus und Braus?

    Neher: Natürlich ist das ein Riesenproblem, und ich denke, jeder weiß auch, dass das sicherlich nicht alle Bischöfe betrifft, und ich glaube, dass der Großteil der Bischöfe hier wirklich auch verantwortungsvoll umgeht. Aber ein einziger, so wie jetzt Tebartz-van Elst in Limburg, der richtet einen so unendlichen Schaden an, weil tatsächlich der einzelne ehrenamtliche, aber auch berufliche Mitarbeiter denkt, ich mühe mich redlich, ich gucke, dass ich mit meinem Gehalt oder als Ehrenamtlicher hier so um die Runde komme, und da hat man den Eindruck, dass das Geld mit Händen hinausgeworfen wird. Das ist ein enormer Schaden, der da angerichtet wird.

    Meurer: Eugen Drewermann, der Kirchenkritiker, sagt, Tebartz-van Elst ist überhaupt kein Einzelfall. Die Erzbischöfe in Köln und München leben auf noch größerem Fuß als der in Limburg. Was meinen Sie?

    Neher: Das kann ich so nicht sagen. Ich glaube, es ist ja immer zu unterscheiden zwischen den institutionellen Bedingungen. Natürlich: ein Erzbistum München oder ein Erzbistum Köln zählt zu den finanziell wohlhabendsten Bistümern der Welt überhaupt, und davon zu unterscheiden ist der persönliche Lebensstil der je einzelnen Bischöfe. Ich glaube, dass die Art Vergleiche, wie Herr Drewermann das hier anstellt, dass die unangemessen sind.

    Meurer: Wäre es vielleicht aber angemessen, darauf hinzuweisen, dass die Katholische Kirche der größte Grundbesitzer in Deutschland ist? Könnte man da nicht ein paar Grundstücke verkaufen gegen viel Geld und die dann zum Beispiel Ihrer Caritas geben?

    Neher: Ich denke, dass in dem Bereich auch viel passiert. Und ob das jetzt Grundstücke oder Immobilien sind, deren Erlös ja auch oft in die soziale und pastorale Arbeit fließt, Sie können natürlich ein Grundstück oder eine Immobilie einmalig verkaufen und das Geld verwenden, oder Sie können es bewirtschaften und den Erlös daraus in die entsprechende Arbeit investieren. In Deutschland ist die Katholische Kirche reich, ja das ist so, und von daher, glaube ich, ist es immer eine große Herausforderung, mit den Möglichkeiten, die wir haben in unserem Land, verantwortungsvoll für die Menschen umzugehen.

    Und nicht zu vergessen: Die Katholische Kirche in Deutschland hat ungeheuer viel unternommen und unterstützt weltweit sehr, sehr viele soziale Projekte. Auch mit unserem Auslandshilfswerk Caritas International fließen sehr viel Mittel auch aus Kirchensteuern in internationale Projekte. Das muss man sorgfältig miteinander abwägen. Aber die Verantwortung, wer viel besitzt, hat auch eine hohe Verantwortung, die gilt für unsere Kirche in Deutschland ganz entscheidend.

    Meurer: Prälat Peter Neher ist Präsident der Caritas, der katholischen Wohlfahrtsorganisation in Deutschland. Ich sprach mit ihm um die Affäre rund um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Herr Neher, besten Dank für das Gespräch, auf Wiederhören!

    Neher: Ich danke Ihnen, Herr Meurer.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.