Silicon Valley
Das Weltbild der Tech-Milliardäre

Seit dem Wahlsieg von Donald Trump prägen sie die Politik mit: die Big-Tech-Bosse des Silicon Valley wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg. Welche ideologischen Einstellungen treiben sie an? Und wer beeinflusst ihr Denken?

    Inauguration of the 47th President Guests including Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Sundar Pichai and Elon Musk, arrive before the 60th Presidential Inauguration in the Rotunda of the U.S. Capitol in Washington, Monday, Jan. 20, 2025. AP Photo/Julia Demaree Nikhinson, Pool/AdMedia Washington District of Columbia United States of America EDITORIAL USE ONLY PUBLICATIONxNOTxINxUKxAUS Copyright: xx DCJE354 CNP/AdMediax admphotostwo912910
    Die Mächtigen des Silicon Valley im Zentrum der Macht: Mit JD Vance haben die Tech-Bosse einen direkten Draht ins Weiße Haus. (IMAGO / Newscom / AdMedia / IMAGO / CNP / AdMedia)
    Die Gründer und Investoren des Silicon Valley gelten als einflussreiche Akteure weit über die Tech-Welt hinaus. Viele von ihnen teilen ein libertäres oder techno-utopisches Weltbild: Glaube an ungebändigte Märkte, Technologie-Überhöhung und Skepsis bis Ablehnung staatlicher Regulierung.
    Ihr Ideal: ein Kapitalismus auf Speed, und sie selbst an der Spitze. Ihr Einfluss auf die Politik ist seit Donald Trumps zweiter Amtszeit deutlich gewachsen. Welchen ideologischen Vorbildern folgen Tech-Bosse à la Elon Musk, Peter Thiel, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg? Und wie verbreiten sie ihre Überzeugungen?
    Dem geht der Deutschlandfunk-Podcast „Tech Bro Topia“ in sechs Folgen nach. Ein Einblick.

    JD Vance: Schlüsselfigur im Weißen Haus

    Mit Vizepräsident JD Vance sitzt ein Mann im Machtzentrum der US-Politik, bei dem persönliche Netzwerke und Ideen des Silicon Valley zusammenfließen. So nennt Vance den einflussreichen neoreaktionären Milliarden-Investor Peter Thiel einen „engen Freund“. Früher arbeitete er für dessen Investmentfirma. Thiel finanzierte dann Vance‘ Einstieg in die Politik und machte ihn mit Donald Trump bekannt.

    Tech Bro Topia

    Als US-Vizepräsident versprach Vance Silicon-Valley-Investoren, die Interessen des Staates mit den Tech-Firmen „in Einklang zu bringen“. Er stellte ihnen unter anderem niedrigere Steuern in Aussicht und kündigte an, Regulierungen zu lockern.
    JD Vance und Donald Trump am Weißen Haus
    US-Vizepräsident JD Vance hat seine politische Karriere Peter Thiel zu verdanken (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Daniel Torok / White House)
    Weniger Staat und eine Überhöhung von Technologie – diese Kernanliegen teilt Vance mit „Vordenkern“, die das Mindset der Tech-Unternehmer bis heute prägen. Er äußerte sich zum Beispiel beeindruckt vom „Techno-optimistischen Manifest“ des Silicon-Valley-Pioniers Marc Andreessen. Und er zeigte bereits 2021 eine Nähe zu den Ideen des Influencers Curtis Yarvin. Demnach sind die USA keine Republik mehr, sondern ein Verwaltungsstaat, der entweder übernommen oder beseitigt werden müsse.

    Curtis Yarvins RAGE: Ideengeber für DOGE

    Behörden abwickeln, Beamte entlassen, Gelder zusammenstreichen – und das unter Umgehung demokratischer Gepflogenheiten: Die bis vor Kurzem von Elon Musk geleitete Abteilung für Regierungseffizienz – DOGE – setzte Teile eines Konzepts in die Praxis um, das der rechte Blogger Curtis Yarvin bereits 2011 in einem Vortrag beschrieb: RAGE. Das Wort bedeutet nicht nur "Wut", als Akronym steht es für „Retire All Government Employees“. Zu Deutsch: „Alle Regierungsangestellten entlassen.“

    Tech Bro Topia

    In Yarvins „Philosophie“, die er „Neokameralismus“ nennt, sind Unternehmen wie Monarchien, da sie von einem Alleinherrscher, einem CEO, geführt werden. Sie bringen angeblich das Beste für die Menschheit hervor, weswegen die Monarchie die beste Staatsform sei und die Demokratie gestürzt werden müsse.
    Yarvin hat nicht nur viele Anhänger im Silicon Valley. Er hat auch Verbindungen zur Trump-Regierung und beeinflusst die „Staffer von Trump“, wie die Philosophin Anna-Verena Nosthoff sagt. Es seien Personen, die „im Hintergrund agieren, die aber seinen Substack-Newsletter viel lesen“.
    Tech-Ideologe Marc Andreessen und sein „Manifest“
    Marc Andreessen ist einer der wichtigsten Risikokapitalgeber im Silicon Valley. Er sei auch dessen „Chefideologe“, so der Journalist Ezra Klein von der New York Times. Andreessen hat maßgeblich die Verschmelzung der Tech-Welt mit der Trump-Regierung vorangetrieben: Nach der Wahl war er öfter in Trumps Hauptquartier in Mar-a-Lago und half bei der Regierungsbildung mit.
    Sein „Techno-optimistisches Manifest“ von 2023 enthält Bekenntnisse wie dieses: „Wir glauben, es gibt kein materielles Problem, das nicht durch mehr Technologie gelöst werden kann!“
    Marc Andreessen
    Technologie kann alle Probleme lösen, so Unternehmer Marc Andreessen. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Eric Risberg)
    In Andreessens „Manifest“ kommen der unerschütterliche Glaube an freie Märkte, an einen entfesselten Kapitalismus und eine Art Vergötterung von Technologie zum Ausdruck.
    Ihm zufolge ist Technologie der Kern der westlichen Zivilisation – und diese soll endlich wieder stolz sein dürfen auf ihre Überlegenheit. Die USA sind für Andreessen die Führungsmacht der Welt, der Tech-Mensch ihr Kronjuwel.

    Tech Bro Topia

    Die Philosophin Anna-Verena Nosthoff, Co-Direktorin des Critical Data Lab, sagt, dass es sich nicht um ein konsistentes Konzept handele. Als „klassische Ideologie“ könne man das „Manifest“ also nicht ernst nehmen. „Diese versprengten Aussagen haben aber eine hohe ideologische Strahlkraft“.
    Dies umso mehr, als Andreessen ein Pionier des Silicon Valley ist. Er entwickelte den ersten massentauglichen Internet-Browser, den Netscape Navigator, und wurde damit reich. In der Wiederwahl Donald Trumps sieht er eine Wende: Endlich werde die Technokapitalmaschine befreit und könne auf vollen Touren laufen – zum Wohl der Menschheit.

    Ayn Rand und Weltall als Final Frontier

    Die ideologischen Überzeugungen der Tech- und Investoren-Welt setzen sich aus einem Gemisch von Ideen und Vorstellungen zusammen. Als eine einflussreiche Ideengeberin gilt die „Philosophin des Turbokapitalismus“, Ayn Rand. In ihren Büchern ist es immer der Einzelne, der kraft seines Willens etwas schafft. Der Staat stört. Es ist eine Philosophie des Egoismus: „Der höchste, moralische Sinn des Menschen ist das Verfolgen des eigenen Glücks. Der Mensch darf sich nicht für andere opfern.“ 
    Eine wichtige Rolle spielt auch der Weltraum im Denken der Tech-Oligarchen. Er wird als einzige Chance gesehen, „wirklich neu zu starten“, wie Max More sagt. Im Silicon Valley ist er eine Art Guru der totalen Technikbegeisterung. Der Weltraum ist für ihn nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen wichtig, sondern auch zur Erneuerung des „Frontier-Geistes“. More zieht eine Linie zu den Siedlern aus Europa, die einst in die „Neue Welt“ kamen, um „neue Gesellschaften, neue Wirtschaftssysteme aufzubauen“.
    Neben der Entfesselung des Kapitalismus und der Technologie erkennt der Politikwissenschaftler Christopher Coenen hier ein „zutiefst imperialistisches Denken“. Er geht davon aus, dass hinter der „Atemlosigkeit“, mit der auch die Trump-Regierung Maßnahmen umsetzt, eine Strategie steckt - „Akzelerationismus“, also Beschleunigungsdenken:
    „Es geht nicht nur darum, die menschliche Entwicklung in unglaublicher Geschwindigkeit voranzutreiben, immer unter den Vorstellungen, es geht um Technisierung, Rohstoffausbeutung und dann Aufbruch ins Weltall. Sondern es geht auch darum, im politischen Handeln und in der gesellschaftlich-kulturellen Praxis so eine Art ‚Shock- and-Awe‘-Strategie zu fahren. Also im Grunde genommen die langsamen, trägen, geschichtlich denkenden, in staatlichen Zusammenhängen denkenden Leute völlig zu überfordern mit dem eigenen Tempo.“
    Unter den Tech-Milliardären glaubt natürlich nicht jeder das Gleiche. Aus dem Gemisch nimmt sich der Eine etwas mehr Weltraumfantasien, der Andere etwas mehr Eliten-Herrschaft. Die Richtung bleibt aber dieselbe: Science Fiction trifft auf Überlegenheitsdenken, Technologie-Überhöhung und einen Turbokapitalismus – angeführt von den Big-Tech-Bossen.

    Gruppenchats führten zum Rechtsruck

    Die „Tech-Bros“ tauschen sich vor allem in Gruppenchats aus. Darin treffen sie sich auch mit rechten Influencern und Politikern um Trump. Ein Mitarbeiter von Marc Andreessen setzte seit der Corona-Pandemie Dutzende dieser Chats auf dem Messenger-Dienst Signal auf, in denen Ideen und Memes massenweise hin- und hergeschickt wurden. Sie hätten den „vibe shift“, den Rechtsruck, im Silicon Valley gebracht, so Andreessen. Elon Musk sei hier von einem „Normie-Democrat“ zum „Krieger“ gegen das „Woke Mind Virus“ geworden.
    Die wichtigste Funktion der Chats laut Andreessen: Die Nachrichten werden nach 30 Sekunden automatisch gelöscht. Die Teilnehmer fühlen sich sicher vor Leaks.

    bth