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Technologiekonzern
Google-Mitarbeiter protestieren gegen zensierte Suchmaschine

Google-Mitarbeiter haben sich in einem Schreiben an ihren Arbeitgeber gegen eine zensierte Suchmaschine für den chinesischen Markt ausgesprochen. Verärgert über mögliche Verstöße gegen Ethik-Regeln des Unternehmens unterschrieben über 1.400 Googler den Brief an die Konzernführung.

Von Nicole Markwald | 21.08.2018
    Das Hauptquartier von Google in Beijing, China
    "Mitarbeiter als moralischer Kompass": Hauptquartier von Google in Beijing, China (imago)
    Google arbeite daran, mit einer zensierten Suchmaschine auf den chinesischen Markt zurückzukehren. Das berichtete das Portal "The Intercept" vor zwei Wochen. Mehr als 1.000 Googler drückten daraufhin in einem Schreiben ihre Bedenken gegen diesen Plan aus. Es ist nicht das erste Mal, dass Angestellte Druck auf das Management ausüben - so wurde nach internen Beschwerden ein Drohnen-Projekt mit dem US-Verteidigungsministerium beendet. Auch bei Microsoft-Mitarbeitern brodelte es kürzlich: Microsoft hat einen Rechnernetz-Vertrag mit der US-Zoll- und Einwanderungsbehörde ICE.
    Es ist ein kurzer Brief mit deutlicher Botschaft: "Für unsere Industrie hat ein neues Zeitalter moralischer Verantwortung begonnen: Unsere Entscheidungen haben Folgen für die ganze Welt", heißt es in dem Schreiben. Und weiter: "Wir haben derzeit nicht die nötigen Informationen, um Entscheidungen über unsere Arbeit, unsere Projekte und unsere Anstellung zu treffen."
    Verstoß gegen die eigenen Ethik-Regeln
    Das ist nur ein kurzer Ausschnitt, der zeigt, wie die Stimmung bei etlichen Google-Mitarbeitern ist, nachdem sie aus der Presse erfahren haben, dass der Konzern darüber nachdenkt, mit einer zensierten Suchmaschine auf den chinesischen Markt zurückzukehren. Der Journalist Ryan Gallagher vom Online-Portal "The Intercept" erklärte gegenüber dem Radiosender NPR, wie Googles spezielle Suchmaschine für China aussehen könnte.
    "Um sich an die Regeln der Kommunistischen Partei zu halten, müsste Google seine Suchmaschine streng an die Zensur des Regimes anpassen: Informationen über oppositionelle Politiker, Demokratie, Menschenrechte, selbst wissenschaftliche Arbeiten, die nachteilig für die Regierung ausfallen, sind geblockt. Und daran müsste sich auch eine Google-Suchmaschine halten."
    Verärgert über die Heimlichtuerei und mögliche Verstöße gegen Ethik-Regeln des Unternehmens unterschrieben über 1.400 Googler den Brief an die Konzernführung. So heißt es in den Regeln, dass Google keine Dienste anbietet, die zu Verletzungen von Menschenrechten führen.
    Es ist ein Déjà-vu für Google: Erst im April kündigte der Konzern nach Mitarbeiterprotesten an, das sogenannte Project Maven nach Vertragsende im März 2019 nicht fortzusetzen. Dabei wurden intelligente Algorithmen bei der Erkennung und Unterscheidung von Menschen in Drohnenvideos für das Pentagon eingesetzt. Kurz darauf veröffentlichte Google Grundsätze im Umgang mit Künstlicher Intelligenz: So versprach der Konzern, sie nicht für Waffen oder "Gewalt gegen Menschen" einzusetzen. Ian Sherr vom Technologieblog CNET sagte dazu dem Sender CBS.
    Die Verlockungen des chinesischen Marktes
    "Angestellte im Silicon Valley haben grundsätzlich ein Problem damit, sich gegenüber Regierungen zu verbiegen. Das sehen wir immer wieder. Speziell bei Google, wo schon ein anderes Projekt mit dem Verteidigungsministerium nach Protesten beendet wurde. Mitarbeiter dieser Konzerne wollen ihre Ideale nicht aufgeben, bei allem technologischen Fortschritt, der im Silicon Valley entwickelt wird. Es ist ein sehr schwieriges Thema."
    Ein Thema, bei dem auf der anderen Seite ein gewaltiger unerschlossener Markt wartet, fährt Sherr fort: "Für Google oder auch Facebook hat sich das Wachstum in den USA und der westlichen Welt verlangsamt – und in China leben eine Milliarde Menschen. Es ist eine riesige Chance zu wachsen, aber man muss sich mit diesen haarigen Problemen auseinandersetzen."
    Google-Chef Sundar Pichai sagte in einer Mitarbeiterversammlung: Noch sei nichts entschieden, die China-Pläne seien noch in einem sehr frühen Stadium.
    Querelen auch bei Microsoft und Amazon
    Google ist nicht das einzige Unternehmen, in dem Management und Angestellte nicht auf einer Linie sind, was die Verwendung ihrer Produkte angeht. So wurde bei einem Pilotprojekt der Polizei in der US-Metropole Miami Gesichtserkennungs-Software von Amazon eingesetzt. Nach Protesten von Mitarbeitern und der Bürgerrechtsorganisation ACLU wurde das Projekt gestoppt, inzwischen aber weiter fortgesetzt. Die Mitarbeiter sprachen sich in dem Brief auch dafür aus, die Daten-Sammel-Firma Palantir von seinen Cloud-Diensten zu sperren.
    Palantir ist ein Unternehmen von Paypal-Mitbegründer und Trump-Unterstützer Peter Thiel, der enge Verbindungen zum Geheimdienst CIA hat. Im Juni richteten Microsoft-Angestellte einen Brief an ihren Chef Satya Nadella. Sie forderten ihn auf, einen Vertrag mit der Einwanderungsbehörde ICE im Wert von 19 Millionen Dollar zu kündigen. Hintergrund für die Forderung waren die Familientrennungen an der US-mexikanischen Grenze. Auch das haben Technologieunternehmen 2018: Mitarbeiter als moralischen Kompass.