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Technomode
Die Inszenierung von Nacktheit

Bunte Kleidung, Kunstfell und alberne Hüte sind wohl eher ein Fall fürs Techno-Museum. Die Mode der Raves ist von Jahr zu Jahr düsterer und selbstsicherer geworden: Knappe Bodys, schwarze Teile, die an Fetisch-Entwürfe erinnern und nackte Haut, die zur feministischen Rüstung wird.

Von Gesine Kühne |
Blick in ein Atelier mit zwei spärlich bekleideten Schneiderpuppen
Techno Mode in Berlin: Fetisch-Schwarz (Deutschlandradio / Gesine Kühne)
"Das war auf jeden Fall komisch. Und guckst nach rechts und links und ziehst dich aus. Aber alle um dich herum, da sitzen ja schon ganz viele, sind ja schon halbnackt. Die gucken dich höchstens an, weil du noch so fresh bist." Vivien Fabian-Offelmann beschreibt mir ihre Eindrücke von Techno-Parties. Seit einem Jahr wohnt die junge Erzieherin in der Techno-Hochburg Berlin, der legendäre Club Berghain ist zu ihrem Tanz-Zuhause geworden.
Nacktheit als Rüstung
Vivien Fabian-Offelmann: "Für mich war es am Anfang wirklich so, die ersten zwei, drei Male war es komisch, aber wirklich nur die ersten paar Minuten, dann war es total befreiend, einfach befreiend."
Ein neongelber Spitzenbody, darüber schwarze Lederstriemen. Ein Geschirr, das aus der Fetischszene stammt, so gekleidet, steht Vivien eines Tages im dunklen Club vor mir. Sie wirkt irgendwie nackt, weil sie hoch ausgeschnitten Bein zeigt, die Spitze ihre blasse, zarte Haut durchschimmern lässt. Vivien bewegt sich aber so, als trüge sie eine Rüstung. Ihr Gang ist aufrecht, selbstbewusst – niemand kommt ihr zu Nahe.
"Das wird oft mit Amazonen verglichen und das fand ich auch passend", sagt Moritz Danner. Über die Frauen, die seine Mode tragen. Denn er hat sich von der Nacktheit im Berghain inspirieren lassen und ein Label ins Leben gerufen. NAKT.
Den weiblichen Körper unterstützen
In einer Berliner Wohnung stehen auf engstem Raum mehrere Arbeitstische. Hier entstehen Bodys aus Neopren mit elastischen Strapsen und Metallschnallen. Die Teile sind sexy. Sie machen aber aus der Trägerin kein Objekt. Das ist dem gelernten Mediendesigner, heute Techno-Modemacher sehr wichtig.
Moritz Danner: "Wie kann man den weiblichen Körper am besten unterstützen mit dem Design, eben auf eine sportliche Art, die eben ins Berghain passt, natürlich. Wie kann man die Kurven unterstützen, Stellen zeigen, die man sonst nicht sieht. Und andere auch bedecken. Das war nie eine Frage von: 'wir lassen jetzt irgendwelche Nippel frei. Wann ist es am erotischsten?' - das ist ja nicht, wenn man komplett nackt ist."
Stärke und Freiheit
Die Entwürfe von Danner erinnern an Sportbodys, bei denen hier und da etwas weggelassen wurde, am Bauch oder am Beinausschnitt. Dafür wurden elastische Riemen dazu addiert, um diesen Rüstungscharakter zu kreieren.
Moritz Danner: "Das sieht auch stark aus. Das soll nicht so sexualisieren wie im Porno oder so. Es ist etwas, dass die Stärke der Frau unterstützt und die Attraktivität unterstützt.
Moritz Danner meint nicht die körperliche Stärke einer Frau. Dem Designer geht es um die Freiheit der Frauen, zu tun, was sie wollen, sich so anzuziehen, wie sie wollen, ohne sofort abgestempelt zu werden.
Emanzipation ohne grelle Farben
Sein Konzept sei das Richtige, meint Modehistorikerin Ulrike Wegener:
Ulrike Wegener: Man ist angezogen ohne angezogen zu sein im Grunde genommen. Das hat schon was stark Emanzipatorisches.
Emanzipation. Darum geht es bei der neuen Technomode, die ohne grelle Farben auskommt. Hier legen die Tänzerinnen und Tänzer ihre konventionelle Schale an der Garderobe des Clubs ab, lassen ihren Job am Eingang und befreien sich von jeglicher gesellschaftlicher Norm.
Konformität im Safe-Space
Der Club als Safe Space, der Freisein erlaubt. Für jeden Menschen. Egal welches Alter, welche Körperform, welche Hautfarbe, welches Geschlecht. Der Ansatz von Freiheit ist da! Allerdings normieren sich die vermeintlich Befreiten hier selbst.
Vivien Fabian-Offelmann: Du fällst sogar eher auf, wenn du viel anhast als wenn du wenig anhast. Also mache ich quasi alles richtig, wenn ich in Ruhe gelassen werden möchte.
Denn im Gegensatz zu der schrillen "Ich bin hier, ich bin Raver"- Mode von damals, die den Alten die Rebellion nach dem Kalten Krieg auch visuell angekündigt hat, verschwinden die Raver von heute in der Masse. Die freizügige Freiheitsmode wirkt auf einmal wie eine Uniform, die Befreiten wie eine Armee.