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Terroranschlag in Wolgograd
Männlicher Attentäter vermutet

Es war der dritte tödliche Anschlag in Südrussland binnen weniger Wochen: Mindestens 16 Menschen starben in der Millionenstadt Wolgograd durch einen Sprengsatz. Die Ermittler gehen von einem männlichen Selbstmordattentäter aus, zunächst war von einer tschetschenischen "Schwarzen Witwe" die Rede gewesen.

Von Gesine Dornblüth | 29.12.2013
    Vor dem Bahnhof von Wolgograd stehen hinter einerm rot-weißen Flatterband Polizisten und Feuerwehrleute.
    Russische Feuerwehrleute und Sicherheitspersonal untersuchen die Schäden am Bahnhof in Wolgograd. (AFP photo / stringer)
    Die Zahl der Todesopfer in Wolgograd wurde in den Stunden nach dem Anschlag ständig nach oben korrigiert – offiziell auf zuletzt 16. Außerdem gab es viele Verletzte. Oleg Salagaj, Sprecher des Gesundheitsministeriums, am Nachmittag: "Bis jetzt wurden 43 Personen medizinisch versorgt, davon sechs ambulant, 37 stationär. Einige von ihnen sind schwer verletzt, einer schwebt in Lebensgefahr. Unter den Verletzten ist auch ein Kind, seine Lage ist stabil."
    Der Anschlag ereignete sich im Eingangsbereich des Bahnhofs von Wolgograd, vor der Sicherheitsschleuse, die in Russland in jedem öffentlichen Gebäude installiert ist. Die Explosion erschütterte die Haupthalle sowie beide Seitenflügel des Gebäudes. Ein Reisender: "Ich hatte mein Gepäck schon auf das Transportband zum Durchleuchten gestellt. Hinter mir waren sehr viele Leute. Alle waren in Eile. Ich ging durch den Metalldetektor. Und bückte mich gerade nach meinen Taschen, da geschah es. Ich fiel auf den Boden, als ich wieder aufstand, rieselte alles auf mich herab."
    Die Sicherheitskontrollen in Russland vermitteln oft den Eindruck, dass sie nicht besonders aufmerksam durchgeführt werden. In Wolgograd war das offensichtlich anders. Die Aufmerksamkeit eines Polizisten habe noch Schlimmeres verhindert, sagen die Behörden. Andrej Piliptschuk, Sprecher des Innenministeriums: "Die Selbstmordattentäterin wurde offenbar, als sie den Bahnhof betrat, die Metallrahmen und die Polizisten sah, nervös. Das kam den Polizisten verdächtig vor, und einer ging schnell auf sie zu. Sie hat wohl Angst bekommen und den Sprengsatz gezündet. Wenn die Attentäterin in die Bahnhofshalle hätte vordringen können, hätte es viel mehr Opfer gegeben, denn dort war es sehr voll."
    Sechs Wochen vor Sotschi
    Der Polizist kam bei dem Anschlag ums Leben. Die Nachrichtenagentur Interfax verbreitet unterdessen unter Berufung auf eine anonyme Quelle bei den Ermittlern, den Anschlag habe ein Mann verübt.
    Das südrussische Wolgograd ist ein Verkehrsknotenpunkt. In diesen Tagen kurz vor Neujahr sind viele Russen unterwegs zu ihren Familien. Wie die Ermittler bekannt gaben, wurde in der Nähe des Tatorts noch eine Granate gefunden, die nicht explodierte.
    Bereits im Oktober hatte eine Selbstmordattentäterin in Wolgograd einen Bus in die Luft gesprengt. Sechs Menschen starben. Die Attentäterin stammte, so die Ermittler, aus dem russischen Nordkaukasus, aus Dagestan. Im Nordkaukasus gibt es ein Netz von Untergrundkämpfern und alle paar Tage einen Anschlag. Zuletzt am Freitag in der Kurstadt Pjatigorsk. Dort starben drei Menschen.
    Doku Umarow, Anführer der Islamisten im Kaukasus, hat seine Anhänger im Sommer in einer Videobotschaft zu Anschlägen auf Ziele außerhalb des Kaukasus aufgerufen, insbesondere auch auf die Olympischen Spiele in Sotschi. Beobachter spekulieren über einen Zusammenhang mit den Anschlägen in Wolgograd.
    Unterdessen wurden die Sicherheitsmaßnahmen landesweit verstärkt. In Moskau zeigt die Polizei an belebten Plätzen, an Bahnhöfen und in Einkaufszentren, deutlich mehr Präsenz als gewöhnlich. Heute erledigen viele Moskauer noch ihre letzten Festeinkäufe.