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Terrorismus-Experte: Deutschland ist auf Kooperation angewiesen

Nach Angaben pakistanischer Sicherheitsbehörden starben bis zu acht deutsche Islamisten in Pakistan bei einem US-Luftangriff. Im Kampf gegen deutsche Dschihadisten sei man auf die Kooperation mit den Amerikanern angewiesen, sagt Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Guido Steinberg im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Wie lässt sich Identität von mutmaßlichen Terroristen feststellen?

    Guido Steinberg: Nein, die tragen keine Erkennungsmarken. Allerdings kann man schon davon ausgehen, dass die meisten derjenigen Militanten, die dort von den Amerikanern bei den Drohnenangriffen getötet werden, aus einem ganz bestimmten Grund in die Stammesgebiete reisen, nämlich weil sie sich am Kampf gegen die Amerikaner und ihre Verbündeten in Afghanistan, oder auch am Kampf gegen den pakistanischen Staat beteiligen wollen. Allerdings kommen natürlich bei diesen Angriffen auch immer wieder Zivilisten zu Tode.

    Müller: Inwieweit ist denn diese Identifizierung schwierig?

    Steinberg: Diese Identifizierung ist ungeheuer schwierig und es ist ohnehin eine große Überraschung, dass es den Amerikanern seit mehreren Jahren bereits, etwa seit 2007, verstärkt seit 2008, doch gelingt, ihre Ziele in den pakistanischen Stammesgebieten recht genau zu identifizieren. Sie haben dort sehr viele prominente Mitglieder von großen terroristischen Organisationen, auch sehr viel Personal der Taliban töten können, und in den letzten Jahren scheint auch die Präzision dieser Drohnenangriffe deutlich gestiegen zu sein. Allerdings ändert das nichts daran, dass diese Angriffe natürlich höchst problematisch sind.

    Müller: Aber Sie vertrauen den amerikanischen Angaben?

    Steinberg: Normalerweise bestätigen sich die amerikanischen Angaben. Es gibt so eine Art normalen Ablauf. Zunächst einmal gibt es Informationen aus Pakistan, die sich schon häufiger als falsch erwiesen haben. Wenn die Amerikaner bestätigen, dass dort Deutsche zu Tode gekommen sind - und es gibt ja auch die ersten Quellen in Washington, die das behaupten -, dann kann man diesen Angaben in der Regel vertrauen.

    Müller: Eine Quelle ist ja auch der pakistanische Geheimdienst. Aber wie kann man das genau nach einem Angriff, nachdem die Menschen dort umgekommen sind, getötet worden sind, feststellen, dass das ein Deutscher ist?

    Steinberg: Das kann man natürlich nicht direkt danach, sondern die Quelle sind ja die Angaben, die die Nachrichtendienste vorher haben. Sie müssen sich das so vorstellen, dass, um dieses Ziel mit Präzision zu treffen, natürlich schon eine ganze Reihe von Angaben vorliegen müssen, entweder aus technischer Aufklärung - das heißt, dass dort Telefone beispielsweise abgehört werden -, oder aber eben durch die Angaben einer menschlichen Quelle in der näheren Umgebung, die genaue Angaben zu dem Ziel gemacht hat. Und auf dieser Grundlage können natürlich die amerikanischen Nachrichtendienste mit einiger Gewissheit sagen, wer bei solchen Angriffen zu Tode gekommen ist. Natürlich hat es das in der Vergangenheit immer mal wieder gegeben, dass dann auch falsche Informationen publiziert wurden, so dass man hier auch abwarten muss, inwieweit sich diese Informationen bestätigen.

    Müller: Reden wir über Grundlagen, reden wir über Grundsätze, Herr Steinberg. Dürfen die Amerikaner diese Angriffe fliegen?

    Steinberg: Das ist letzten Endes irrelevant, weil sie diese Angriffe ganz einfach fliegen werden. Es ist ihr einziges Mittel, was sie gegen die El Kaida und andere terroristische Gruppierungen in Pakistan haben. Der pakistanische Staat kooperiert nicht in der Art und Weise, wie die Amerikaner das wünschen. Sie haben im Grunde keine anderen Mittel, gegen dieses Epizentrum des internationalen Terrorismus vorzugehen. Sie nehmen dafür in Kauf, dass sie selbstverständlich völkerrechtswidrig handeln. Und ihre Verbündeten - das merken wir ja auch im Moment wieder - sind nicht bereit, diese Vorgehensweise zu kritisieren.

    Müller: Krieg in Afghanistan ja, das sagt auch der Bundesverteidigungsminister. Ist das jetzt auch Krieg in Pakistan?

    Steinberg: Das ist ganz sicherlich Krieg in Pakistan und die amerikanische Seite verweist ja auch immer wieder ganz offen darauf. Es gibt ja in den USA eine sehr intensive Debatte darüber, über einen anderen Kriegsschauplatz, über den Jemen, wo die Amerikaner den Befehl erteilt haben, einen amerikanischen Staatsbürger, den El Kaida-Ideologen Anwar al Awlaki, mit solchen Drohnenangriffen zu liquidieren. Sie nehmen also sogar in Kauf, dass eigene Staatsbürger in dieser Art und Weise getötet werden, was in den USA kritisiert wird, was auch rechtlich höchst umstritten ist, so dass wir uns zumindest in der Praxis nicht wundern dürfen, dass auch Deutsche, die sich El Kaida oder anderen Organisationen anschließen, zum Ziel werden. Die USA werden sich davon nicht abbringen lassen.

    Müller: Aus unserer Perspektive, Herr Steinberg, aus der Berliner Perspektive, macht das jetzt einen Unterschied, wenn deutsche Terroristen, falls sie es waren, betroffen sind?

    Steinberg: Selbstverständlich macht das einen Unterschied. Das bringt natürlich unsere Regierung in einige Bedrängnis. Auf der einen Seite ist die Bundesrepublik mit ihren Sicherheitskräften nicht präsent. Für die Bekämpfung dieser mittlerweile ja doch sehr zahlreichen deutschen Dschihadisten sind wir auf die Kooperation mit den Amerikanern angewiesen. Die Amerikaner haben dabei ihre eigenen Methoden. Und es könnte jetzt durchaus in den nächsten Tagen sein, wenn sich denn bestätigt, dass Deutsche zu Tode gekommen sind bei amerikanischen Angriffen, dass das die deutsche Regierung in Erklärungsnot bringt, warum sie nicht protestiert. Wenn gegebenenfalls jetzt Eltern der dort zu Tode gekommenen Deutschen entscheiden, vielleicht rechtliche Schritte einzuleiten, kann das natürlich die Bundesregierung politisch in Bedrängnis bringen. Das ist eine sehr, sehr schwierige Frage.

    Müller: Wird die Bundesregierung in irgendeiner Form Konsequenzen ziehen?

    Steinberg: Bisher hat die Bundesregierung nie reagiert. Es hat ja bereits Nachrichten über Todesfälle gegeben. Es gab beispielsweise im April den Fall von Eric Breininger, der zu Tode gekommen ist. Da wurde zunächst einmal berichtet, dass die Pakistanis ihn an einer Straßensperre getötet haben. Es gab allerdings auch Nachrichten, die gerade diesen Ablauf geleugnet haben, die gesagt haben, na ja, das könnte sich auch um einen Drohnenangriff gehandelt haben. Da hat es überhaupt keine Reaktionen gegeben. Die Bundesregierung wird wahrscheinlich auch im vorliegenden Fall es vorziehen, nicht zu reagieren, schon allein deshalb, weil die Amerikaner sich natürlich nicht darum kümmern werden, was Berlin dazu zu sagen hat.

    Müller: Blicken wir nach Deutschland, Herr Steinberg. USA, Großbritannien und Japan, alle drei sagen, in Deutschland ist die Terrorgefahr hoch, sie ist gestiegen. Ist das so?

    Steinberg: Wenn die Amerikaner und Briten das sagen, müssen wir das zumindest ernst nehmen. Alle Anzeichen weisen ja darauf hin, dass der Ursprungsort dieser Planungen, um die es hier gehen soll, die pakistanischen Stammesgebiete sind. Wir wissen, unter anderem aufgrund der Präzision dieser Drohnenangriffe, dass die Amerikaner, aber auch die Briten, die Franzosen in gewissem Maße, recht gut informiert sind, was dort abläuft. Wenn die Amerikaner uns sagen, es gibt Planungen, wenn sie ihre eigenen Staatsbürger vor möglicherweise bevorstehenden Anschlägen warnen, dann müssen auch wir das ernst nehmen. Unsere Sicherheitsbehörden sind bei weitem nicht so gut über die Lage dort informiert wie die Amerikaner.