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Thailand
"Engagierte Buddhisten" legen sich mit Militärs an

Die herrschenden Militärs sollte man in Thailand besser nicht kritisieren - und die Königsfamilie schon gar nicht. Beides macht Sulak Sivaraksa jedoch immer wieder. Er gehört dem "Internationalen Netzwerk der Engagierten Buddhisten" an - und ging für seine Überzeugungen schon mehrfach ins Gefängnis.

Von Horst Blümel | 12.12.2016
    Eine Menschenmenge hockt auf dem Boden, vorne zwei Demonstranten hervorgehoben, im Hintergrund wird eine thailändische Flagge geschwenkt.
    Regierungskritiker harren vor dem Sitz des Ministerpräsidenten in Bangkok aus (picture alliance / dpa / MAXXPPP)
    Der Flughafen von Bangkok. Ein ganz in weiß gekleideter Mann geht durch die Passkontrolle. Der ältere Herr mit den schweren Tränensäcken unter den Augen ist der thailändische Aktivist und Autor Sulak Sivaraksa. Zügig durchquert er die Ankunftshalle und steigt in ein Taxi. Zu Hause angekommen schaut er sich noch einmal um, bevor er im Haus verschwindet. Wird er wieder, wie Jahre zuvor, von der Militärregierung beschattet?
    "Zurzeit haben wir eine Militärdiktatur, was natürlich unsere Freiheit sehr einschränkt. Aber im Moment bleibt uns nichts anderes übrig, als dem Diktator zu gehorchen", sagt Sulak Sivaraksa im Garten seines Hauses. "Wir müssen den Diktator herausfordern und dabei geschickt vorgehen. Denn das Militär besitzt die Macht und bestimmt die Gesetze."
    General Prayuth Chan-ocha übernahm nach dem Militärputsch 2014 Thailands Regierungsgeschäfte
    General Prayuth Chan-ocha übernahm nach dem Militärputsch 2014 Thailands Regierungsgeschäfte (dpa / picture-alliance / Narong Sangnak)
    Auch 1976, vor 40 Jahren, regierte in Thailand das Militär. Damals wurde gegen Sivaraksa ein Haftbefehl erlassen. Doch bevor das Militär seiner habhaft werden konnte, verließ er das Land und lebte für zwei Jahre im Exil. Während dieser Zeit lehrte er an verschiedenen Universitäten, zum Beispiel an der Berkeley Universität in Kalifornien.
    Sulak Sivaraksa setzt sich seit jeher für Demokratie in seinem Heimatland ein. 1986 gründete er das Santi Pracha Dhamma Institute. Diese Organisation tritt mit gewaltfreien Demonstrationen für Bürgerrechte und Demokratie ein.
    "Ich hasse den Diktator nicht", sagt Sivaraksa. "Aber ich habe deutlich gesagt, dass er keine Führungsqualitäten besitzt und nur vorübergehend regieren wird. Nur selten trifft er eine Entscheidung zum Wohl des Volkes. Aber wenn das passiert, erkenne ich dies auch an. Ich habe allerdings auch keine Angst, ihn zu kritisieren."
    Engagierter Buddhismus
    Sulak Sivaraksas Handeln beruht auf der Lehre Buddhas, er ist Engagierter Buddhist. 1989 gründete er das "Internationale Netzwerk der Engagierten Buddhisten", unter anderem zusammen mit dem Dalai Lama.
    "Engagierter Buddhismus bedeutet, die Lehre Buddhas in die Praxis umzusetzen. Man muss seinen inneren Frieden finden, aber gleichzeitig das Leiden anderer wahrnehmen. Es gilt, die Ursachen des Leidens zu erkennen und diese zu beseitigen. Das Ziel des Engagierten Buddhismus ist das Wohl aller Lebewesen - und nicht nur das eigene Glück."
    Als Engagierter Buddhist spricht Sivaraksa soziale Missstände an. Er sucht den Kontakt zur benachteiligten Bevölkerung, um deren Bedürfnisse zu erkennen. Zum Beispiel kümmert sich eine von ihm gegründete Organisation um Kinder in den Slums.
    Als sehr wichtig betrachtet Sulak Sivaraksa auch den Dialog und das friedliche Zusammenleben mit anderen Glaubensgruppen. 2007 sprach er sich gegen einen neuen Verfassungsentwurf aus, in dem der Buddhismus als Staatsreligion verankert werden sollte. Dies hätte den Konflikt mit den Muslimen im Süden des Landes weiter verschärft, ist sich Sulak Sivaraksa sicher.
    Kritik am Königshaus und dem buddhistischen Klerus
    In der thailändischen Gesellschaft spielt Harmonie eine große Rolle. Unangenehme Situationen oder Kritik entschärfen Thailänder fast immer mit einem Lächeln.
    "Auch ich mag Harmonie. Aber das Wichtigste ist, die Wahrheit zu sagen. In einem Land, in dem Lügen akzeptiert und alltäglich sind, muss man erst einmal klar sagen: Das ist gelogen und dies ist die Wahrheit. Denn ohne Wahrheit gibt es keine wirkliche Harmonie."
    Vor wenigen Wochen ist der thailändische König Bhumibol gestorben. Nun herrscht Trauer im ganzen Land. Das Tragen bunter Kleidung und ausgelassenes Feiern werden als Majestätsbeleidigung angesehen.
    "Das Gesetz verbietet, den König, seine Frau und den Kronprinzen zu kritisieren. Dieses Vergehen kann mit drei bis fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft werden."
    Vajiralongkorn steht an einer Art Schrein, auf dem ein buddhistischer Mönch sitzt. Vajiralongkorn zündet mit einer Kerze mehrere weitere an. Dahinter Hofstaat.  
    Der thailändische Kronprinz Maha Vajiralongkorn zündet am 13.10.2016 während der Trauerfeiern für seinen gestorbenen Vater Bhumibol Adulyadej eine Kerze an. (DPA / ROYAL HOUSEHOLD BUREAU)
    Wegen Majestätsbeleidigung wurde Sulak Sivaraksa schon einige Male verhaftet, einmal weil er die hohen Ausgaben des Königs für ein Fest kritisierte. Nach einiger Zeit im Gefängnis kam er nach einem Gerichtsverfahren jedoch immer wieder frei.
    Nicht nur mit dem Königshaus legt Sivaraksa sich an, sondern auch mit dem buddhistischen Klerus. In der Regel genießen die Mönche ein hohes Ansehen. Allerdings haben viele Thailänder mittlerweile die Achtung vor einigen Mönchen verloren, da sie in Skandale verwickelt sind. Es geht dabei um Unterschlagung und Drogenbesitz.
    "Die Mönche waren immer unsere Vorbilder und führten ein einfaches Leben. Aber heutzutage besitzt der ranghöchste Mönch in Thailand mehrere Luxusautos. Buddha ging immer zu Fuß, um Tiere nicht auszubeuten. Aber dieser Mönch sagt: Ich besitze einen Mercedes und beute keine Tiere aus. Diese Argumentation ist vollkommen falsch."
    Es ist nicht verwunderlich, dass Sivaraksa auch selbst immer wieder in die Kritik gerät. Vor einigen Jahren beschuldigte der Thailänder den ehemaligen Regierungschef Thaksin Shinawatra des Ehebruchs. Er wurde dafür heftig kritisiert, auch weil er seine Anschuldigung nie beweisen konnte. Man warf ihm vor, durch seine Äußerung Unruhe im Land zu stiften. Manchmal fragt sich Sulak Sivaraksa, warum er trotz seiner öffentlichen Kritik noch immer auf freiem Fuß ist.
    "Ich habe die Militärregierung von Anfang an kritisiert. Aber bis jetzt haben sie mich in Ruhe gelassen. Wahrscheinlich bin ich einfach zu alt."